Bevor es losgeht, müssen noch Tische angebaut werden. Zur Veranstaltung „Frau Dich! – Frauen in die Politik“ kommen zur Freude der beiden Initiatorinnen mehr Interessierte, als erwartet. Eingeladen hatten Sonja Straub, die seit 2019 für die CDU im Gemeinderat sitzt, und Kirsten Stüble. Sie tritt in diesem Jahr für die SPD an. Unterstützung liefern einige Vertreterinnen des Netzwerks BoRa, die die Kampagne „Frau Dich“ im Vorfeld der Kommunalwahlen ins Leben gerufen haben. „Ziel ist es, dass künftig 50 Prozent Frauen in den politischen Gremien vertreten sind, damit es gerecht zugeht“, stellt Andrea Rehm gleich zu Beginn klar. Sie gehört zu den Gründerinnen von Bora. Die Abkürzung steht für die Kreise Bodensee und Ravensburg. 2016 haben sich weibliche Kreistagsabgeordnete parteiübergreifend zu dem Netzwerk zusammengeschlossen.

Keine Einzelkämpferin mehr sein

Seitdem gab es Treffen und Veranstaltungen „von Isny bis Sipplingen“ führt Rehm aus. „Das war ein Aha-Erlebnis. Die Partei hat bei der Zusammenarbeit keine Rolle gespielt“, sagt sie und berichtet, wie ihr die vielen Kontakte geholfen haben, sich nicht mehr als Einzelkämpferin zu fühlen. Mittlerweile ist die Architektin aus Tettnang nicht mehr im Kreisrat, unterstützt die Initiative zur Förderung von Frauen in der Politik aber weiter.

Auch bei dem Überlinger Treffen in entspannt fröhlicher Atmosphäre spielen die Parteizugehörigkeiten keine Rolle. Nach der Vorstellungsrunde geht es um die Frage, warum die Frauen auf den Listen der Parteien kaum gewählt werden und sich meist die „Platzhirsche“ zum wiederholten Mal durchsetzen. Neben der Meinung, dass diese Kandidaten unverzichtbar seien, da sie viele Stimmen bringen, gibt es von Andrea Rehm den Hinweis, dass Frauen männliche Verbündete und Unterstützer bräuchten.

Mehr Solidarität unter Frauen gewünscht

„Man muss Frauen überzeugen, Frauen zu wählen. Warum tun sie das nicht?“, fragt sich Dagmar Schatz, die sich mehr Solidarität wünscht. Als allgemeines Problem wird die Sichtbarkeit genannt. „Frauen aller Parteien müssen sich nach vorne stellen, nicht die Veranstaltungen im Hintergrund organisieren und dann den Männern überlassen“, argumentiert Ratsfrau Bettina Dreiseitl-Wanschura (LBU/Grüne).

Wie wichtig der Bekanntheitsgrad ist, macht Britta Wagner aus Kressbronn deutlich. Als sie zum ersten Mal in ihrer Heimatgemeinde für die SPD Wahlkampf machte, habe sie sich voll mit den Themen auf ihren Flyern identifiziert. Die Liste von Mitbewerbern hätte ausschließlich mit Personen geworben – und mehr Stimmen bekommen.

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Vanessa Schnell will in den Gemeinderat

Dieser Mechanismus ist Sonja Straub bewusst. „Wir sind schon mitten im Wahlkampf“, sagt sie und empfiehlt, sich auf Veranstaltungen und Vereinstreffen zu zeigen. „Die alten Hasen machen das genauso!“ Über viel Zuspruch konnte sich bereits Vanessa Schnell freuen. Als die 20-jährige Jugendgemeinderätin beim Bürgerempfang berichtete, nun auch für das etablierte Gremium zu kandidieren, hätten ihr einige Leute versichert, sie zu wählen. Schnell ist seit 2018 politisch aktiv und hat die nötige Popularität anscheinend schon erreicht.

Vanessa Schnell
Vanessa Schnell | Bild: Stadt Überlingen

Relevante Themen für junge Wähler

Bettina Dreiseitl-Wanschura möchte von der Nachwuchs-Politikerin wissen, die sie als „Vorzeigefrau“ lobt, wie man junge Wähler erreicht. „Die Jugendlichen wollen gehört werden“, betont Vanessa Schnell. Sie spricht Themen an, die für ihre Generation relevant seien, wie die maroden Schulen oder ein Jugendzentrum in zentraler Lage mit attraktivem Angebot wie die Molke in Friedrichshafen. Die fragenden Gesichter ihrer Zuhörerinnen verraten, dass das genannte Beispiel noch nicht sehr bekannt ist. Dazu spricht die Jüngste in der Runde die Beach-Bar Partys während der LGS im Uferpark an, für die sich nicht nur ihre Generation eine Fortsetzung wünsche.

Sitzungszeiten sind für Frauen eine Hürde

Als eine Hürde für Frauen, sich in politischen Gremien zu engagieren, sieht Sonja Straub die Sitzungszeiten. Immerhin bekämen die Überlinger Stadträte in mit kleinen Kindern einen Zuschuss zu den Betreuungskosten, was die Mutter von drei Kindern in Anspruch nehmen müsse. Für Andrea Rehm waren die Zeiten im Kreisrat als Selbstständige schwer zu schaffen. „Man muss nicht alles hinnehmen“, rät sie und berichtet, durch einen Antrag eine Verschiebung erreicht zu haben.

Zur Freude der Veranstalterinnen kam eine große Runde aus erfahrenen Ratsfrauen und Politik-Neulingen zusammen.
Zur Freude der Veranstalterinnen kam eine große Runde aus erfahrenen Ratsfrauen und Politik-Neulingen zusammen. | Bild: Sabine Busse

Andrea Rehm ermutigt Frauen, aktiv zu werden

Vanessa Schnell möchte von den erfahrenen Politikerinnen noch wissen, wie einem die „Leute im Wahlkampf begegnen“ und ob es Anfeindungen gebe. Sonja Straub kann sie beruhigen. Unmut werde meist in Richtung der Partei allgemein geäußert. „Die größte Verletzung ist meist, wenn man es unbedingt will und scheitert“, fügt Andrea Rehm an. Sie ermutigt alle dazu, es trotzdem erneut zu versuchen. Ein weiteres Motivations-Argument liefert Irene Alpes mit Hinblick auf aktuelle Themen. „Die Demokratie ist in Gefahr, sie ist so fragil. Wir müssen aktiv werden!“

Nach über zwei Stunden intensivem Austausch schließt Kirsten Stüble die Runde: „Es ist ein gutes Zeichen, dass wir heute Abend viel von Spaß bei der politischen Arbeit gesprochen haben!“