Es hat wohl kaum jemanden überrascht. Dennoch schwebte beim Bürgerempfang noch ein Rest von Spannung durch den Kursaal, bis Oberbürgermeister Jan Zeitler am Ende seiner 60-minütigen Ansprache und nach Aufzählung der vielfältigen Aufgaben sein Geheimnis lüftete und seine Kandidatur bei den im Herbst anstehenden Wahlen zum Stadtoberhaupt offiziell erklärte.
„Das ist durchaus ein emotionaler Moment für mich. Das haben Sie gemerkt. Aber jetzt ist es raus“, sagte Jan Zeitler vor 550 Bürgerinnen und Bürgern, die den Kursaal bis auf den letzten Platz füllten und lange applaudierten. Unter den Gästen waren auch die Abgeordneten Volker Mayer-Lay (Bundestag), Martin Hahn und Klaus Hoher (beide Landtag), die Amtsvorgängerinnen und Amtsvorgänger Sabine Becker, die den Bürgerempfang einst ins Leben gerufen hatte, Volkmar Weber und Reinhard Ebersbach sowie unter anderem Landrat Luca Prayon und Regierungsvizepräsident Utz Remlinger.
Stolz auf seine Stadt und viel Rückhalt
„Mein persönliches Berufsziel war es immer, mich gesellschaftspolitisch einzubringen“, erklärte Jan Zeitler, „an einem Ort, der mir passt und der Zukunftschancen bietet.“ Als Diplom-Verwaltungswissenschaftler sei er mit 39 Jahren in das Bürgermeisteramt einer großen Kreisstadt und mit 46 Jahren zum Oberbürgermeister „unserer besonderen Stadt“ gewählt worden.
„Die Stadtgemeinschaft voranzubringen“ sei für ihn eine „wunderbare Aufgabe und Antrieb“. In den zurückliegenden Wochen und Monaten hätten ihn viele Bürgerinnen und Bürger darin bestärkt, erneut zu kandidieren, sagte Zeitler und fügte hinzu: „Interessanterweise – und das hat mich überrascht – aus der umgebenden Raumschaft.“ Seine Frau Annette und die Familien seien für ihn der wichtige Rückhalt, den dieses anspruchsvolle Amt erfordere.
Er verspüre auch ein „Ver- und Zutrauen“ der Überlinger Bürgerschaft, des Gemeinderats, der und der regionalen Partner, erklärte Zeitler. Er sei „stolz auf diese Stadt und zuversichtlich, dass auch die anstehenden großen Zukunftsaufgaben gemeistert werden“. Dafür wolle er sich weitere acht Jahre mit seiner ganzen Kraft und Leidenschaft einbringen.
Überlingen steht vor großen Herausforderungen
Der erwarteten Ankündigung vorausgegangen war eine klug aufgebaute und informative Rede, in der Zeitler in anschaulicher und lebendiger Form nicht nur seinen kommunalpolitischen Rück- und Ausblick präsentierte, sondern mit einem Hinweis auf mögliche Gefährdungen der Demokratie auf den Beitrag des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen überleitete.
Flankiert wurden die Ansprachen von Beiträgen eines großen Ensembles der Jugendkapelle unter Leitung von Ralf Ochs, die vom Publikum mit begeistertem Beifall und Bravorufen belohnt wurden.
Zeitler hatte zuvor die großen Herausforderungen aufgelistet, vor der die Stadt stehe. Doch habe er in der Verwaltung ein echtes Führungsteam um sich herum aufbauen können, in dem eine engagierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich sei. Auch lobte er die Arbeit des Gemeinderats, der anspruchsvolle und teilweise sehr komplexe Themen zu bearbeiten habe.
Entwicklung des Kramer-Areals
Als größte Zukunftsaufgaben nannte der OB unter anderem die Entwicklung des Kramer-Areals als größte bebaubare Fläche am See, die künftig insgesamt an die tausend Menschen eine Wohnung bieten könne. Dazu müsse jetzt auf Basis des vielversprechenden Konzeptes ein konkreter Bebauungsplan erarbeitet und beschlossen werden.
Nach dem Spatenstich für das künftige Pflegezentrum stehe die konkrete Planung des Wohngebiets „Südlich Härlen“ bevor, das er in verschiedener Hinsicht als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnete. Zum einen, was die klimaneutrale Wärmeversorgung über das Heizwerk am Schättlisberg angehe. Aber auch was die komplette Entwässerung auf dem Gelände in Form einer sogenannten „Schwammstadt“ angehe. Um den weiteren Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken, plane die Verwaltung die Etablierung einer Stadtbaugesellschaft. Dazu wünsche er sich vom Land allerdings noch eine Vereinfachung des Gesellschaftsrechts.

Auch Gymnasium ist Thema
Mit Blick auf das beschlossene Klimaschutzkonzept und die kommunale Wärmeplanung lobte Jan Zeitler auch das Engagement der Gruppe „Überlingen Zero“, die eine Klimaneutralität der Stadt bis 2035 fordere. Dem hätten sich Gemeinderat und Verwaltung nicht entgegengestellt, wohl wissend, „dass wir hier einen sehr steinigen Weg vor uns haben“.
Zeitler listete die großen Aufgaben bei Kinderbetreuung und Schulentwicklung auf. Dabei warb er noch einmal um Verständnis, dass die Ausschreibung des geplanten Realisierungswettbewerbs für das Gymnasium erst nach Genehmigung des Haushalts vorgenommen werden könne. „Ich halte es für den richtigen Weg, es dann zu machen, wenn ich weiß, wie ich es bezahlen kann“, erklärte der OB.
Erstmals spontanen Beifall des Publikums geerntet hatte der Zeitler, als er auf die aktuelle Baustelle mit dem Ziel der weiteren Verkehrsberuhigung in der Innenstadt einging. Die künftige Erreichbarkeit mit dem Auto habe die Gemüter stark bewegt, sagte Zeitler. Wie dies konkret geregelt werde, darüber werde der Gemeinderat noch einmal beraten: „Man sollte hier nicht nur in Schwarz-Weiß denken. Es sollte auch etwas dazwischen geben.“