Kaum ein Thema wurde in diesem Jahr so vehement diskutiert wie der Gymnasium-Neubau. Können Sie nochmal erklären, warum es vorerst keinen Neubau gibt?
Wir hatten die Situation, dass im Baugewerbe eine Kostenexplosion stattgefunden hat. Am Ende stand im September 2023 ein geschätzter Wert von 63 Millionen Euro für den Neubau im Raum. Zum Vergleich: Die 4,8-Feldsporthalle kostete 24 Millionen Euro. Der Haushalt muss aber erst einmal so aufgestellt werden, dass wir diese Summe finanzieren können. Für mich war es in Folge dessen logisch, keinen Realisierungswettbewerb auszuschreiben, der uns letztlich in die Pflicht nimmt, das gewünschte Ergebnis daraus umzusetzen. Ich wollte gemeinsam mit dem Gemeinderat diese Runde drehen, um einen Haushalt zu haben, der uns dazu überhaupt in die Lage versetzt.
Jetzt ist der Haushalt verabschiedet.
Nachdem er jetzt verabschiedet ist, kann es sehr schnell gehen mit einem Realisierungswettbewerb. Allerdings müssen wir nun wieder genau prüfen, welche Anforderungen bei einem Neubau für G8 oder G9 gelten. Aus meiner Sicht haben wir im Nachgang betrachtet alles richtig gemacht. Eine Investition in dieser Höhe muss sehr gut abgewogen werden. Gleichzeitig verstehe ich aber auch, wenn einige bei dem Thema ungeduldig geworden sind.

Im Sommer war der Neubau bereits beschlossen, dann gab es einen Rückzieher. Plagen die Stadt Finanzsorgen?
Wir haben einen bestimmten Horizont, über den wir finanziell entscheiden können. Wenn wir die laufenden Bauvorhaben und den Haushalt für die Jahre 2024/25 anschauen, dann sehen wir für 2024 89 Millionen Euro und 2025 88 Millionen Euro als Ergebnishaushalt zur Bewältigung unserer Aufgaben. Dann sehen Sie doch, dass eine 25.000-Einwohner-Stadt an der Grenze dessen ist, was sie leisten kann. Wichtig ist anzumerken: Wir können uns im Zuge der mittelfristigen Finanzplanung die Großinvestitionen leisten, die wir für notwendig erachten. Das sind die drei Projekte: Neubau des Gymnasiums, Wiestor-Campus und Feuerwehr-Ersatzbau in der Kernstadt.
Kann es sein, dass Sie dazu auch wegen der OB-Wahl 2024 gezögert haben?
Das war nie mein Gedanke. Es ist mir wichtig, in die Bildungseinrichtungen zu investieren. Ich entscheide immer gemeinsam mit dem Gemeinderat, wie es für die Stadt aus unserer Sicht gut ist. Da scheue ich mich nicht, auch eine für den einen oder anderen auf den ersten Blick unpopuläre Entscheidung zu treffen, wenn sie der Stadt dient.
Was waren Ihre Highlights im Jahr 2023?
Wenn wir die vergangenen fünf Jahre betrachten, hat diese Stadt eine Phase hinter sich, in der viel passiert ist. Wir haben eine Landesgartenschau unter schwierigsten Pandemie-Bedingungen erfolgreich abgewickelt. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren 83 Millionen Euro investiert. Wir haben ein gutes Klima im Gemeinderat. Das integrierte Klimaschutzkonzept ist beschlossen, die kommunale Wärmeplanung ist fertiggestellt und beschlossen. Vieles konnten wir abarbeiten. Wir werden zum Jahresende nur 7,5 Millionen Euro Schulden haben, das ist eine Pro-Kopf-Verschuldung von 300 Euro pro Einwohner. Trotz enormer Investitionen. Das gibt mir schon eine persönliche Zufriedenheit für das, was 2024 kommt. Uns steht ein Superwahljahr bevor: Europawahl, Kommunalwahl und Oberbürgermeisterwahl.
Worauf sind Sie mit Blick auf 2023 besonders stolz?
Da denke ich vor allem an den Spital- und Spendfonds. Es ist uns tatsächlich gelungen, dieses Jahr noch den Spatenstich für das Pflegezentrum vorzunehmen, für ein 35 Millionen-Euro-Projekt. Es war mir wichtig, dieses Zukunftsprojekt in die Umsetzung zu bringen. Ein weiteres Thema ist die Entwicklung im Jugendgemeinderat. Er arbeitet gut mit der Verwaltung zusammen und bringt sich ein. Es wird wohl auch bald eine Jugendgemeinderätin geben, die für den Gemeinderat kandidieren wird. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit Überlingen Zero. Wir haben uns Gedanken gemacht über die Ziele im Klimaschutzkonzept. Wir haben uns darauf verständigt, gemeinsam bei dieser Fragestellung voranzuschreiten. Das stimmt mich positiv, gemeinsam voranzuschreiten.
Waren Sie in diesem Jahr eigentlich mal in Peter Lenks Ausstellung im Faulen Pelz?
Ja, ich habe sie mir mit einigen Mitarbeitern angeschaut. Es war interessant, sicher auch herausfordernd für den einen oder anderen Besucher. Im Großen und Ganzen eine interessante Ausstellung!
Herr Lenk warf Ihnen vor, provokantes Werbematerial eingestampft zu haben. Aus Angst, man könnte überregional für Aufsehen sorgen. Es hieß, die Werbekampagne habe Ihnen nicht gefallen.
Kunstausstellungen sind grundsätzlich die Aufgabe des Kulturamtsleiters, nicht des Oberbürgermeisters. Beim Ausstellungsplakat habe ich mich aber daran orientiert, was vereinbart war: eine Lebenswerkausstellung. Für diese Idee haben wir gern die städtische Galerie zur Verfügung gestellt. Da ging es auch darum, Werbematerial zu gestalten. Das haben wir in Rücksprache mit dem Künstler auch gemacht.
Finden Sie es unangenehm, dass sich Herr Lenk derartig negativ über Sie und die Stadtverwaltung äußert?
Ich kenne Herrn Lenk seit einigen Jahren. Er eckt gern an, provoziert und will auch Aufmerksamkeit. Ich glaube, dass gehört dazu, wenn man sich auf so eine Ausstellung einlässt. Wir haben geantwortet, nun findet bereits die nächste Ausstellung statt, das Thema ist abgeschlossen.
In Pirna, ganz um die Ecke von Überlingens Partnerstadt Bad Schandau, ist der erste AfD-Bürgermeister gewählt worden. Womöglich könnte die AfD auch künftig den Amtsträger aus Bad Schandau stellen. Würden Sie so jemanden einladen?
Ich war aufgeschreckt von diesem Wahlergebnis. Ich bin aber erleichtert, dass sich diese Frage die kommenden Jahre nicht stellt. Im vergangenen Jahr ist Thomas Kunack in Bad Schandau wiedergewählt worden. Es ist aber auf allen politischen Ebenen schwierig, mit gewählten Amtsträgern umzugehen, die extremen Parteien angehören. Letztendlich muss man konstatieren: Demokratisch gewählte Amtsträger sind politisch legitimiert. Dann muss der Einzelfall entscheiden, ob und wie man sich verständigt.
Haben Sie mit Blick aufs kommenden Superwahljahr Bedenken, dass Rechtsextreme Sie mit ihrer Rhetorik und ihren Parolen in Bedrängnis bringen wollen?
Das ist nicht auszuschließen. Ich persönlich habe aber keinerlei Sorge davor, bin gefestigter Demokrat – und Demokraten haben immer die besseren Argumente. In einer Stadt wie Überlingen werden die besseren Argumente immer gehört. Wir haben eine politisch-interessierte, weltoffene und engagierte Bürgerschaft. Ich stelle mich jeder Diskussion.

Welche drei Wünsche haben Sie für 2024?
Persönlich wünsche ich uns allen, der gesamten Bürgerschaft, vor allem Gesundheit. Ich persönlich merke, dass das Amt des OB sehr fordernd ist und ein hohes Maß an Disziplin erfordert, die ich nicht zuletzt aufgrund meiner guten Gesundheit aufbringen kann. Ich wünsche mir außerdem eine Kommunalwahl mit einem sachlichen Austausch, um Themen, die die Stadt bewegen, dass die Kandidierenden um die besten Lösungen für die Stadt ringen und nicht durch laute Parolen auffallen. Abschließend wünsche ich mir, die richtige Entscheidung im Januar 2024 zu verkünden hinsichtlich meiner möglichen Zukunft als Oberbürgermeister dieser wunderschönen Stadt. Außerhalb der Reihe wünsche ich allen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2024!