Sie sind türkis, haben zwei Räder und sorgten im abgelaufenen Jahr für Aufregung und Aufmerksamkeit: E-Scooter, die überall in der Stadt herumliegen. Sind Sie selbst mal mit einem gefahren?

Lieber nicht, aber das liegt eher an meiner persönlichen Sorge vor einem Sturz.

Welche Verkehrsprobleme sollen die E-Scooter überhaupt lösen?

Es handelt sich um ein „free floating“-Modell. Kurze Strecken, die nicht mit dem Bus gefahren werden können, oder die zu Fuß zu lange dauern würden, sollen auf einfache Art und Weise bewältigt werden können.

Werden sie langfristig unser Stadtbild prägen?

Wir haben eine vertraglich begrenzte Dauer für das Modell. Es ist letzten Endes dann wieder eine politische Entscheidung des Gemeinderats, ob das Modell fortgeführt wird oder nicht.

Ein E-Scooter auf der Wiese beim St. Leonhard: Seit vergangenem Jahr sind sie wieder in Überlingen ausleihbar.
Ein E-Scooter auf der Wiese beim St. Leonhard: Seit vergangenem Jahr sind sie wieder in Überlingen ausleihbar. | Bild: Hanspeter Walter

Wie ist Ihre Tendenz?

Aus meiner Sicht gehören verschiedene Mobilitätsformen zu einer Stadt wie Überlingen. Allerdings können die E-Scooter nur eine Ergänzung des ÖPNV-Angebots sein.

Es gibt viele Baustellen in und um Überlingen herum: Wie empfinden Sie die Verkehrssituation aktuell? Sind Sie da auch ähnlich aufgeladen wie einige Überlinger?

Jede Baustelle in einer Stadt bedeutet einen Einschnitt. Ja, man muss sich umstellen, muss Umleitungen in Kauf nehmen, man muss sich vom gewohnten Verkehrsfluss abwenden und neue Wege suchen. Es ist aber auch festzustellen, dass es wichtig ist, dass in einer Stadt investiert wird. Und deswegen bin ich froh um jeden Euro, der in Überlingen verbaut wird, wohlwissend, dass wir momentan der Bürgerschaft einiges abverlangen. Wenn dann alles fertig ist, wird man sehen, was Schönes entstanden ist. Gerade in der Jakob-Kessenring-Straße wird eine neue Aufenthaltsqualität entstehen.

Die Baustelle in der Jakob-Kessenring-Straße ließ in diesem Jahr tief blicken.
Die Baustelle in der Jakob-Kessenring-Straße ließ in diesem Jahr tief blicken. | Bild: Josefine Nord

Wir arbeiten mit Hochdruck an der Fertigstellung, gerade jetzt im Winter arbeiten alle Baustellen durch. Und ein Ende ist absehbar. Insofern bleibt nur die Bitte um Verständnis für das, was momentan in Überlingen bauseitig passiert.

Können Sie nachvollziehen, dass einige Händler mangels Kundschaft verzweifelt sind?

Natürlich kann ich das nachvollziehen. Nur, wir haben auch Maßnahmen, um gegenzusteuern. Es ist sichergestellt, dass jedes Geschäft angehbar ist über Stege oder sonstige Möglichkeiten. Unser Wirtschaftsförderer ist ständig vor Ort und wir versuchen, mit den Händlerinnen und Händlern permanent im Dialog zu bleiben. Es ist eine Einschränkung, das ist aber bei jeder Baustelle so. Wenn man sich anschaut, wenn Fußgängerzonen neu gestaltet werden. Dann muss man so etwas leider in Kauf nehmen. Was entsteht dort? Der Teil, der fertig ist, lässt auf attraktive Flächen schließen. Was in der Kessenringstraße entsteht, wird diese Stadt stark verändern, weil endlich die zweite Reihe nach der Seepromenade die Aufmerksamkeit und den Fokus bekommen kann, den sie letzten Endes auch verdient.

Damit wären wir beim Thema Leerstände. Von 22 ist die Rede. Ist das für so eine schöne Stadt wie Überlingen nicht auch irgendwie ein Armutszeugnis?

Nein, weil ich sehr unglücklich bin über die Zahl 22, die hier ständig genannt wird.

Dieses Geschäft in der Christophstraße war zuletzt eins von insgesamt 22 leerstehenden Geschäften in der Überlinger Innenstadt.
Dieses Geschäft in der Christophstraße war zuletzt eins von insgesamt 22 leerstehenden Geschäften in der Überlinger Innenstadt. | Bild: Lippisch, Mona

Ist die Zahl nicht richtig?

Sie ist nicht richtig. Von den 22 Leerständen sind vier Brandruinen, das heißt, Geschäfte, die nach einem Brandereignis erst einmal wieder saniert werden müssen, damit sie überhaupt belegt werden könnten.

Dann sind wir bei 18.

Betrachten Sie die Häuser Feyel und ehemals Grabherr: Das sind beides Maßnahmen von privaten Investoren, die leider ins Stocken geraten sind, wo wir intensiv mit den Eigentümern im Austausch stehen. Wenn wir diese sechs Geschäfte abziehen, sind wir noch bei 16, darunter auch Geschäfte mit sehr kleinen Verkaufsflächen. Wobei wir leider auch das Problem haben, dass die dringend benötigten größeren Ladenflächen in der Altstadt nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Ich verstehe schon, dass es schwierig ist, auf einer kleinen Ladenfläche mit einer relativ hohen Miete auch noch einen Umsatz zu erwirtschaften, von dem es sich leben lässt. Infolgedessen bitte ich einfach darum, die Zahl ein bisschen zu relativieren. 15, 16 Leerstände ist eine Zahl, auf die wir uns verständigen können. Aber auch da gibt es einen permanenten Wechsel und immer wieder Neueröffnungen. Wir werden zum Frühjahr hin wieder eine ganz andere Situation haben, damit rechne ich ganz fest – insbesondere in der Jakob-Kessenring-Straße.

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Von wem werden Sie in dieser Sache eigentlich beraten?

Uns liegt ein Tourismus- und Stadtmarketingkonzept vor, das von einer externen Firma erstellt wurde. Wir sind mit einschlägigen Beratungsfirmen in Kontakt, und natürlich traue ich auch unserem Wirtschaftsförderer zu, dass er sich notwendiges Wissen holt und damit auch an mich bei unserer wöchentlichen Rücksprache herantritt. Um einen Ausblick zu geben, ich werde beispielsweise noch am Samstag vor Heiligabend zu einer Neueröffnung gehen, die für unsere Stadt ein Gewinn sein wird. Sprich: Es geht auch in die andere Richtung. Lassen Sie uns mal die Jakob-Kessenring-Straße fertigstellen mit derzeit vielen Leerständen, dann werden wir das, was wir noch in der Hinterhand haben, umsetzen können.

Mit Kämmerer Krause und Bürgermeister Kölschbach haben Sie ein schlagkräftiges Team. Hätte nicht auch einer von den beiden das Zeug zum Oberbürgermeister?

Eine interessante Frage. Dass beide das Potenzial zum Oberbürgermeister haben, will ich meinem hauptamtlichen Stellvertreter und unserem Stadtkämmerer nicht absprechen, da beide sehr tief in städtischen Themen involviert sind. Es ist auch eine persönliche Frage des „Wollens“. Ich schätze aktuell jedoch vielmehr das schlagkräftige Team, das Sie ja erkannt haben.

Wie würden Sie darauf reagieren, wenn jemand aus dem Rathausteam kandidiert?

Oberbürgermeisterwahlen sind offene, demokratische Wahlen. Derjenige, der glaubt, er kann dieses sehr anspruchsvolle Berufsfeld abdecken und auch arbeitsintensive acht Jahre durchhalten, kann sich natürlich bewerben. Die Fähigkeit dazu sollte man nachweisen können. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

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Kandidieren Sie überhaupt?

Das verkünde ich, wenn die Bürgerschaft in meiner Nähe ist und wird beim Bürgerempfang am 13. Januar 2024 im Kursaal der Fall sein.

Wie viele Stellen sind aktuell in der Stadtverwaltung offen?

Offen sind aktuell zehn bis zwölf Funktionsstellen, neben den Stellen, die wir aufgrund des hohen Bedarfs dauerhaft ausgeschrieben haben, für Erzieherinnen und Erzieher beispielsweise.

Wie hoch ist die Fluktuation?

Zwischen neun und zehn Prozent, damit liegen wir in der durchschnittlichen Fluktuation wie andere Stadtverwaltungen unserer Größenordnung, sogar etwas darunter.

Wie sorgen Sie dafür, dass die Angestellten bleiben, wie sorgen Sie für eine gute Arbeitsatmosphäre?

Zum einen haben wir über die Tarifgebundenheit ein klares Entgelt- und Leistungsgefüge. Zum anderen wurden nach einer Mitarbeiterbefragung, die aus meiner Sicht gut ausgefallen ist, einige Maßnahmen ergriffen. Wir haben als Führungsteam gemeinsam mit der Mitarbeiterschaft in Workshops an problematischen Themen, die genannt wurden, gearbeitet. Dann haben wir uns zu einer Führungskräfteklausur zurückgezogen und viele Lösungen, wir nennen es „Quick Wins“, schnelle Gewinne, inzwischen umgesetzt, die es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angenehmer machen, bei uns zu arbeiten. Wir haben vielfältige Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu gestalten. Bei uns arbeiten viele junge Mütter, die Teilzeit oder mobiles Arbeiten in Anspruch nehmen. Zudem sehen wir uns natürlich mit einer Situation konfrontiert, die den Arbeitsmarkt in Deutschland widerspiegelt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir nach und nach Verbesserungen vornehmen.

Wie sind Sie als Chef: Eher Team lange Leine oder Team Kontrolle?

Team „lange Leine“, weil ich weiß, dass in den Fachbereichen und Abteilungen hervorragende Arbeit geleistet wird. Wo mobiles Arbeiten funktioniert, wird es angeboten. Denn wo die Arbeit letzten Endes geleistet wird, ist die Sache der Abteilungen, sofern es die Aufgabe zulässt.