Konzepte sind genug geschrieben, nun lasst uns endlich Taten sehen. So etwa könnte man die Stimmung des Publikums beschreiben, nachdem Baubürgermeister Thomas Kölschbach und der Experte Vivek Mehta von der Freiburger Beratungsfirma Endura Kommunal die geplanten Strategien, Handlungsfelder und Maßnahmen der Kommune erläutert hatten, um im Klimapakt mit dem Land Baden-Württemberg bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden. Zu spät erscheint dies den Vertretern der Überlinger Gruppe von Überlingen Zero, die als handzahme Gelbwesten im Dutzend erschienen waren und das Ziel schon 2035 erreichen wollen.
Warum kommt das Klimakonzept nicht in Gang?
Aus ihrer Enttäuschung machten nicht nur sie keinen Hehl. Ja, zwischen Entsetzen und Verständnis angesichts der Rahmenbedingungen changierten ansonsten die Reaktionen des Publikums, das den Pfarrsaal „fast füllte“, wie Kölschbach in seiner Begrüßung gut meinend formuliert hatte. Angesichts des dramatischen Klimawandels und des erforderlichen Umdenkens hätte der Raum allerdings aus allen Nähten platzen müssen.
„Jeder schiebt die Schuld auf den anderen“, formulierte Klaus Wörner von der Gruppe Überlingen Zero im Anschluss an die Veranstaltung. „Die Stadt sagt, es liegt am Stadtwerk. Das Stadtwerk sagt, es liegt an der Stadt.“ Dabei bezog er sich unter anderem auf das viel diskutierte Nahwärmenetz für die Altstadt, das ein Element des kommunalen Wärmekonzeptes ist, auf das die Stadt besonders stolz ist. Neben Tübingen sei Überlingen die einzige Kommune dieser Größe im Lande, die ihrer Verpflichtung hier nachgekommen sei, erklärte Thomas Kölschbach. Auch hier ist die Umsetzung allerdings erst an wenigen Stellen konkret absehbar, wie die bei der Versorgung im künftigen Baugebiet Südlich Härlen.
Beim Ist-Zustand steht Überlingen im Moment gar nicht so schlecht da, was den Treibhausgas-Ausstoß pro Einwohner angeht. Deutlich schlechter als der Durchschnitt im Land ist die Lage, wenn man sie auf die Haushalte bezieht, wie Vivek Mehta erläuterte. Ist Thomas Kölschbach schon froh, dass die Stadt dem Klimapakt Baden-Württemberg mit der Zielvorgabe 2040 für eine ausgeglichene Treibhausgas-Bilanz explizit beigetreten ist, so reicht dies vielen noch nicht, die sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Groll wegen Verzögerungen für PV-Anlagen
Dass sich bei ihm ein gewisser „Groll aufgestaut“ habe, durfte man Thomas Kölschbach an anderer Stelle abnehmen. Bereits zwei Jahre hatten sich die Gremien intensiv mit der Planung einer Freiflächen-PV-Anlage auf einer Konversionsfläche bei Bonndorf befasst, die unmittelbar vor der Genehmigung stand. Mit der nun unmittelbar bevorstehenden Rechtskraft des neuen Regionalplans ist dem Verfahren die Grundlage entzogen. Der sieht in der ehemaligen Kiesgrube den Teil einer Landschaft von außergewöhnlicher Schönheit.
Nun muss der Regionalverband mit einem neuen Teilplan Energie erst wieder der rechtlichen Voraussetzungen schaffen. „Das dauert jetzt mindestens noch einmal zwei Jahre bis zu einer Genehmigung“, prophezeite Kölschbach. So zumindest wird der erforderliche Knick nach unten bei der CO2-Kurve, noch weiter auf sich warten lassen, der im Klimaschutzkonzept, ab 2024 eingezeichnet ist. Ohne dass konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in Aussicht stünden.

Kritik an befristeter Stelle für Klima-Managerin
Roswitha Wellern vom Verein Bürger-Allianz hatte Kölschbach schon während seines Vortrags unterbrochen und ungeduldig nach den Vorschlägen der Bürger gefragt, die im Rahmen der Klimawerkstatt vorgebracht worden seien. „Das ist alles in dem Konzept enthalten“, entgegnete der Bürgermeister und hielt das Papier hoch.
Was umgesetzt werden könne, hänge auch von den personellen Kapazitäten ab, gab Kölschbach zu bedenken. Die befristete Stelle der ersten Klima-Managerin („Eine Stelle ist klipp und klar zu wenig.“) war vor kurzem ausgelaufen. Eine bestellte Nachfolgerin habe die Stelle nicht angetreten. Darüber dürfe man sich nicht wundern, wenn die Aufgaben nur befristet vergeben würden, monierte Elfie Straub. Dies scheint auch die Verwaltung verstanden zu haben. „Die aktuelle Ausschreibung läuft nun für eine unbefristete Stelle“, erklärte Thomas Kölschbach.
Es fehlt an konkreter Umsetzung
Symptomatisch für das Zaudern ist aus Sicht von Peter Riegger vom Verein Bürgerenergie, dass die Stadt bereits 2018 einen Klimaschutz-Masterplan aufgestellt habe, von dem bislang so gut wie nichts Konkretes umgesetzt worden sei. Allerdings werden manche Maßnahmen auch schlecht kommuniziert. Denn anders als von manchem Zuhörer aus dem Publikum angenommen und kritisiert, baut das Stadtwerk auf dem Dach des bald runderneuerten Parkhauses Stadtmitte zumindest eine kleine PV-Anlage, mit der künftig E-Autos aufgeladen werden können.
„Wir erleben zumindest hier im Raum heute Abend viel Bewusstsein und Betroffenheit“, resümierte Nicole Conrad am Ende der Veranstaltung und wünschte sich, dass die Stadt sich dieses Potenzial stärker zunutze mache.