Der „Vater Rhein“ ist als romantisch-historische Personifikation, die schon auf die Römer zurückgeht, vielen ein Begriff. Doch wer kennt am Bodensee die „Mutter Baar“? Allenfalls ist die Baar als kalte Hochfläche zwischen der Schwäbischen Alb und dem Schwarzwald bekannt. In Donaueschingen bräuchte man allerdings nicht lange nach „Mutter Baar“ zu fragen. Wo die Quellflüsse Brigach und Breg zusammenkommen, weisen gleich zwei künstlerische Skulpturen auf den Beginn des zweitlängsten Flusses in Europa hin.
Am offiziellen Quelltopf im Schlosspark steht eine Marmorfigur der „Mutter Baar“, die „der jungen Donau den Weg weist“. Eine zweite Skulptur aus Kalkstein, die 1875 von Franz Xaver Reich aus Hüfingen geschaffen wurde, stand in der freien Landschaft am bisherigen Zusammenfluss von Brigach und Breg. Im Zuge der naturnahen Umgestaltung des Bereichs musste für diese „Mutter Baar“ ein neuer, für Spaziergänger gut erreichbarer Standort gefunden werden. Diese Gelegenheit nutzte die Stadt, um die 2,5 Tonnen schwere Figur zu einer Kosmetikkur bei Restaurator Ricardo Itta nach Überlingen zu schicken.
Dichter Moos- und Flechtbewuchs auf Skulptur
Exakt 150 Jahre hatte „Mutter Baar“ an ihrem Platz die junge Donau symbolisch bewässert und im Verlauf dieser Zeit eine dunkle Patina entwickelt. Der feuchte Standort trug zu einem dichten Moos- und Flechtenbewuchs bei, der den ursprünglichen Glanz des Kunstwerks erheblich beeinträchtigte. „Wir mussten die Figur daher zunächst einmal intensiv reinigen“, berichtet Restaurator Ricardo Itta, der die Skulptur im Oktober vergangenen Jahres an den Bodensee geholt hat. Im Verlauf dieser Woche kehrt sie nun in ihre alte Heimat zurück und kann dann von Passanten wieder bewundert werden.
Nicht ganz neu, aber runderneuert machen sich Mutter Baar und die junge Donau auf den Heimweg. Bei der Bearbeitung war dem Restaurator zum Beispiel eine Bruchfuge am Kopf schnell ins Auge gefallen. „Der Kopf ist wohl früher schon einmal abgebrochen gewesen und dann wieder angeklebt worden“, diagnostiziert Itta. Auch an den Fingern zeigten sich Risse, die Ricardo Itta mit einem speziellen Mörtel behandelte.

Fehlstellen und ausgebrochenes Material
Die Witterungseinflüsse auf die Figur hätten sich vor dem Hintergrund der langen Standzeit zwar in Grenzen gehalten, stellt der Restaurator fest. Doch waren insbesondere an verschiedenen Ecken und Kanten vereinzelte Ausbrüche des Materials und kleinere Fehlstellen vorhanden. Der berühmte Zahn der Zeit eben.
Nach oberflächlicher Entfernung der Moose und Flechten wurden fest anhaftende Krusten mit einem Mikrosandstrahlgerät schonend beseitigt. Zur Ergänzung von Fehlstellen stellte Itta eine geeignete Mörtelmischung her, die durch geeignete Zuschläge auch farblich angepasst wurde. Offene Risse behandelte der Restaurator mit der Injektion von Spezialharzen, ehe sie mit einer feinen Schicht Steinersatzmörtel überdeckt wurden. Wie neu steht das Denkmal nun bereit zur Heimreise.
Überlinger entwarfen neues Konzept für den Donauursprung
„Revitalisierung des Donauursprungs“ war der Titel des Gesamtprojekts, das ebenfalls in Überlingen entwickelt wurde. Vom Büro „365 Grad“ entwarfen Christian Seng und Julian Franzen das landschaftsplanerische Konzept dafür. Kernstück der Maßnahme war ein neuer Mündungsbereich rund 300 Meter oberhalb des vorherigen Zusammenflusses von Brigach und Breg und damit quasi ein neuer Beginn der Donau. Dies bot den Raum für die Gestaltung einer dynamischen Flusslandschaft. Dabei wurde die Breg umgeleitet und mündet jetzt rund 300 Meter weiter im Westen in die Brigach als zuvor.
Neue Aussichtsplattform und neue Stege
Der neu gestaltete Ursprung lässt sich in vielfältiger Weise erleben. Wegebeziehungen wurden neu geordnet, mit dem Bau einer Radwegebrücke neue Verbindungen und Rundwege geschaffen. Drei blaue Stelen signalisieren die Zugehörigkeit zum Landschaftspark „Junge Donau“. Für Besucher des neuen Mündungsbereiches wurden Stege und Aussichtsplattformen erstellt. So können die Menschen den Zusammenfluss erleben, ohne Tiere und Pflanzen zu stören.
Da der bisherige Standort der „Mutter Baar“ mittlerweile auf einer von der Donau umspülten und unzugänglichen Insel liegen würde, sollte die Skulptur einen neuen Platz bekommen. Was nicht so einfach war, wie sich Christian Seng erinnert. „Im Donaueschinger Gemeinderat wurde darüber eineinhalb Stunden sehr kontrovers diskutiert“, sagt der Landschaftsarchitekt. An diesem Standort wird die von Ricardo Itta überarbeitete „Mutter Baar“ nun ihr neues Zuhause finden.