Sonja Frick: Projekte und Aktivität helfen
„Ein leerer Kopf ist das Spielzimmer des Teufels“, zitiert Sonja Frick ein englisches Sprichwort. Damit kommt sie gleich zu der von ihr gewählten Strategie gegen die alljährliche Winterdepression. Der Überlingerin, vielen bekannt durch ihren Landgarten an der Schreibersbildkapelle, helfen Projekte und Aktivität, wenn der November-Blues kommt. Die Kommunikationsdesignerin und Dozentin an einer Hochschule in Sankt Gallen betont: „Mir helfen meine selbstkreierten Projekte durch den Schnupfen der Seele.“
Christian Kuhn: Gewisse Leere im Kopf und Hingabe zur Stille nötig
Was für ein schlimmer Spruch, hält Psychotherapeut Christian Kuhn dagegen. Gerade das nicht Aushalten einer gewissen Leere im Kopf und der Mangel an Hingabe zur Stille sind für ihn ein wesentlicher Faktor für Depressionen. Die Konditionierung auf „andauerndes Tun“, also das typisch schwäbische „fleißig und schaffig“ zu sein, sieht Christian Kuhn als Hauptursache für Stress, was nachweislich zu einer verminderten Leistung des Immunsystems führe. Die momentane Corona-Lage sei ein Übungsfeld für Akzeptanz und Mut, sich seinen Ängsten zu stellen, erklärt der langjährige ärztliche Leiter der Klinik Buchinger in Überlingen.
Sonja Frick: Ihr fehlen Licht und Helligkeit – aber sie will Gleichbetroffenen Mut machen
Die Sonne fehle und damit Licht und Helligkeit, sieht Sonja Frick die Hauptursache ihrer Depression, die immer im November beginne. In den vergangenen Jahren habe sie die vier schlimmsten Monate des Jahres, November bis Ende Februar, mit einem mehrwöchigen Auslandsaufenthalt im Süden gemildert. „Allein schon mit dem Gedanken an den Urlaub habe ich mich aufrecht gehalten, aber das fällt ja corona-bedingt vermutlich jetzt auch weg. Ich habe schon Angst, wenn wieder der Nebel kommt“, gibt sie zu. Es gehöre Mut dazu, sich als depressiv zu outen. Denn obwohl sich vieles gebessert habe, kennt Sonja Frick Sprüche wie: „Jetzt reiß dich mal zusammen.“ Die Designerin möchte offen mit ihre Depression umgehen und anderen Betroffenen helfen. „Es ist so wichtig, darüber zu reden, ohne falsche Scham.“ Viele Menschen, die sie aus ihrer Arbeit im Landgarten kennen, vermuteten nicht, dass ein so aktiver Mensch wie sie an einer Winterdepression leide.
Christian Kuhn: Keine biologische Disposition für mehr oder weniger Lichtbedarf
Ja, die schwindende Helligkeit sei ein Faktor, auch nähmen die Depressionen jedes Jahr im November zu, weiß Christian Kuhn. Dem Therapeuten ist es jedoch wichtig zu erklären, dass dies nicht bei allen Menschen verfängt. „Wir haben hier als Überlinger alle das gleiche Licht beziehungsweise den gleichen Nebel. Dennoch haben nicht alle über 20 000 Einwohner eine Winterdepression.“ Wenn man einmal schwere psychische Erkrankungen ausdrücklich außen vorlasse, so gebe es keinerlei biologische Disposition, das heißt keine Drüse oder ein Organ, welches für einen vermehrten oder verminderten Lichtbedarf beim einzelnen Menschen verantwortlich sei. „Ein Mensch braucht also nicht mehr Licht als ein anderer, er geht nur anders mit der dunkleren Jahreszeit um. Bei Menschen ohne Winterdepression nenne ich es einmal ihre Resilienz gegen die Unbill der Dunkelheit“, erklärt Kuhn.
Sonja Frick: Therapien haben nicht geholfen, aber Johanniskraut, Licht und Freunde
„Eines Morgens wache ich auf und da ist sie, die Depression. Ich kann das Gefühl nur als ein Verlierer-Gefühl beschreiben, nichts macht mehr Spaß, selbst die sonst so geliebte Musik ist eine sensorische Überforderung“, beschreibt Sonja Frick einen Zustand, der über Monate andauert. Die Landgärtnerin hat schon vieles ausprobiert, unter anderem Therapien, Tageslichtlampen und Medikamente, allerdings ohne großen Erfolg. Als Tipp gegen das Stimmungstief empfiehlt sie Johanniskraut, denn dies werde geerntet, wenn die Sonne am höchsten Scheitelpunkt stehe, und kollektiviere damit Licht. Selbstgemachte Smoothies mit Wildkräutern, viel Bewegung und die Begegnung mit Freunden, dies alles helfe ihr, sagt Frick. „Wenn Freunde dranbleiben und mich auch mehrfach zu einem Ausflug in die Berge auffordern, das hilft mir. Die Sonne, der Schnee, wenn ich mich dazu aufraffen kann obwohl ich mich so schlapp fühle, dann geht es mir tagelang besser.“
Christian Kuhn: Coachingstunden helfen, auch Johanniskraut und „mehr kuscheln“
Ein paar Coachingstunden empfiehlt Psychotherapeut Christian Kuhn, wenn man es ohne Hilfe nicht schafft, aus dem Tal herauszutreten. „Nennen wir es einmal nicht Therapie, denn jeder Sportler oder Manager braucht ab und an ein Coaching, warum also nicht wir.“ Hoch wirksame Antidepressiva seien Johanniskraut, das stimmungsaufhellend wirke, Vitamin D ab 1000 Einheiten am Tag und ein zügiger Spaziergang, um den Kreislauf anzuregen. Das Oxytocin sei neben Serotonin, Dopamin und den Endorphinen jedoch das wichtigste Hormon für Glück. „Das ist das Hormon der Schwangerschaft, oder beim Sex, es wird auch Liebeshormon genannt“, sagt Kuhn. Auf die Frage, ob wir dann in der Dunkelheit am besten einfach mehr kuscheln sollten, lacht der Experte: „Ja, ganz genau, und das wussten auch schon unsere Vorfahren.“