Wenn Lisa Engels und Sebastian Grünwald aufgrund einer mysteriösen Mordserie am Bodensee rund um eine mörderische Sagengestalt auf eigene Faust ermitteln, können ortskundige Leser live miträtseln. Die Schauplätze des Geschehens werden einheimischen Krimilesern bekannt vorkommen.

Christian Schlindwein hat seinen Kriminalroman „Nacht über dem Bodensee“ hauptsächlich in Überlingen verortet. „Überlingen ist meine Heimat, hier bin ich aufgewachsen und ich werde es immer lieben“, sagt Schlindwein. Die bewegte Stadtgeschichte, die im Stadtbild viele Spuren hinterlassen habe, hat ihn nach eigener Aussage so fasziniert, dass er sie in seine Erzählung einbauen wollte.

Stadtarchiv zieht Autor in seinen Bann

Als Treffpunkt für ein Gespräch über seine erste im Gmeiner-Verlag erschienene Kriminalgeschichte schlägt der katholische Priester nicht von ungefähr das Stadtarchiv vor. Mit dem Archiv verbindet er angenehme Erinnerungen. Als Schüler des Überlinger Gymnasiums hat er bei Stadtarchivar Walter Liehner einen Ferienjob absolviert.

Das Gebäude von 1600 und die vielen alten Bücher hätten ihn damals in den Bann gezogen. In seinem Buch laufen dort in der alten Stadtkanzlei am Münsterplatz alle Handlungsfäden zusammen. Die zentralen Personen Engels und Grünwald üben beide den Archivarberuf aus, sie als Anfängerin, er als derjenige, der in Rente geht. Eine mehrere hundert Jahre alte Schrift eines Reichenauer Mönchs bringt die Beiden schließlich auf die Spur einer mysteriösen Gestalt.

Als Treffpunkt für ein Gespräch über sein Krimidebüt hat Christian Schlindwein nicht unbeabsichtigt das Überlinger Stadtarchiv auserkoren.
Als Treffpunkt für ein Gespräch über sein Krimidebüt hat Christian Schlindwein nicht unbeabsichtigt das Überlinger Stadtarchiv auserkoren. | Bild: Martina Wolters

Über die vermeintlichen Mönchsaufschriebe lässt Schlindwein den Krimileser immer wieder kurz in die Geschichte der von den Schweden belagerten Reichsstadt im Jahr 1643 eintauchen. Der Brutalität dieses düsteren Historienkapitels geschuldet, hat sich der Autor für eine spannungsgeladene Krimivariante entschieden. Unter der Oberfläche der sonnenverwöhnten Stadt am See lauere etwas Schauriges. Es gehe um ein dunkles Geheimnis. „Wer sich beim Krimilesen ein wenig gruseln möchte, ist hier genau richtig“, sagt der Krimiautor und rät gleichzeitig dazu, das Buch nicht vor dem Einschlafen zu lesen.

Schlindwein erklärt seine Faszination für Historie mit einem Zitat von Altbundeskanzler Helmut Kohl: Wer die Vergangenheit nicht kenne, könne die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten. Das Ringen und Wissen um Geschichte hält der Geistliche für elementar. “Denn die Geschichte ist nicht tot, sie prägt unser Leben und Denken, ob uns das bewusst ist oder nicht.“ Auch Legenden und Märchen, wie sie ebenfalls in seiner Krimierzählung in Gestalt der Weißen Frau auftauchen, haben für Schlindwein ihre Berechtigung.

„Richtig aufbereitet, können sie auch heutige Menschen noch tief im Innern ansprechen“, zeigt er sich überzeugt. Die wie ein Alptraum über die Stadt hereinbrechende Frauengestalt in der „Nacht über dem Bodensee“ stellt für den Theologen nicht die Böse, sondern vielmehr das Böse dar. „Und das Böse ist immer dort, wo wir nicht gut sind, wo wir zum Beispiel weitergehen, wenn jemand Hilfe braucht“, erläutert Schlindwein.

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Ob es ihm als Gottesmann an Spannung fehlt und er sich deshalb für das Krimi-Genre entschieden hat? Sich an einem Krimi zu versuchen, sei einfach aus der Freude am Schreiben entstanden, nicht, weil es ihm an Spannung gefehlt habe, kommt es zurück. An Inspiration mangele es ihm nie. „Schlimm, schlimmer, Schlindwein“, sei es während seiner Gymnasialzeit einer Lehrkraft entschlüpft, weil er deutlich mehr Zeit in Fantasien gesteckt habe als in seine Hausaufgaben. Nach seiner Lektüre gefragt, gibt Schlindwein an, weniger Romane und mehr Sachbücher zu lesen.

Selbst hat er schon einige historische und religiöse Bücher verfasst. Wie für sein Krimidebüt steht am Anfang immer die Recherche, bei der er stapelweise Literatur lese. Das mache ihm gleich viel Freude wie das Bücherschreiben selbst. Für einen Tauchgang wie er in seiner Kriminalerzählung vorkommt, setzt er aber auf ein Gespräch mit Menschen, die Erfahrung mit der Sache haben. Seinen Erstlingskrimi unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, kam für Schlindwein nicht in Frage. Er könne als Priester zu der Geschichte um das ermittelnde Archivarenduo stehen.