Was genau ist an diesem Samstagabend während des Promenadenfestes im Juli vorigen Jahres vor dem Ristorante „Allegretto“ passiert? Hat ein italienisches Brüderpaar, das seit vielen Jahren in Deutschland lebt, einen dort beschäftigten Kellner aus eigenem Antrieb bedroht und mit einem Messer verletzt? Oder sind sie von diesem provoziert worden und stammte seine Verletzung gar nicht vom Messer? Doch obwohl fünf Zeugen am Amtsgericht vernommen wurden, ließ sich auch nach zwei Verhandlungstagen der genaue Tathergang nicht mehr ermitteln.
Brüder haben sonst kaum noch Kontakt
Die Gebrüder waren aufgrund von Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Einer der beiden ist der 42-jährige vorbestrafte Marco (Namen von der Redaktion geändert), der wegen Depressionen und Zwangsstörungen in Behandlung ist und seit 15 Jahren eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht. Sein drei Jahre älterer Bruder Carlo verdient sein Geld als Maurer, ist finanziell besser gestellt. Die Brüder haben so gut wie keinen Kontakt mehr. An diesem Abend aber gegen 19.30 Uhr suchten beide das italienische Restaurant auf, um mit Franco „etwas zu klären“. Carlo fühlte sich von diesem beleidigt, sei von ihm schlecht bedient worden.
„Fünf bis sechs Kellner“ sollen zu Hilfe geeilt sein
Am besagten Abend sei er von Franco weggestoßen worden, dann sei ein Gerangel entstanden, er sei zu Boden gegangen mit der Folge, dass er für Wochen Schmerzen am Finger gehabt habe. „Es war nichts Großes“, sagte er. Marco wiederum, der ein Messer gezückt haben und damit Franco eine Schnittwunde am linken Oberarm zugeführt haben soll, sagte, Franco habe versucht, ihn zunächst mit einer Flasche zu schlagen. Im weiteren Verlauf seien „fünf bis sechs“ Kellner zu Hilfe geeilt. Mit seinem Bruder sei er dann in Richtung Hofstatt gelaufen, dann sei schon Polizei eingetroffen.
„Wie in einem Movie eskaliert“
Zeuge Franco sagte, die Brüder seien bekannt als Provokateure, er sei mit einem Helm beworfen worden, die Situation sei „wie in einem Movie eskaliert“. Als er dann auf dem Boden gelegen habe, habe er eine Verletzung am Oberarm festgestellt. Doch ob die Verletzung von dem Messer kam, das Marco gezückt hatte, konnte er nicht sicher sagen. Denn auch zersprungenes Glas sei am Boden gewesen. Die 60-jährige Zeugin Martina sagte, die Brüder seien sehr aggressiv gewesen und hätten auch untereinander gestritten. Ein weiterer Zeuge einer Securityfirma berichtete, verschiedenen Parteien hätten sich angeschrien und geschubst. ‚Die Zwei waren mit Bediensteten am Streiten. Da lag Spannung drin.“ Blut habe er nicht festgestellt. Der an diesem Abend diensthabende Polizeibeamter sagte, die Festnahme des Brüderpaars sei unkompliziert verlaufen, beiden habe er einen Platzverweis ausgesprochen, das Messer habe er in einer Papiertüte gesichert.
Beleidigung wohl von beiden Seiten
Auch die Vernehmung des letzten Zeugen am zweiten Verhandlungstag brachte keine wesentlich neuen Erkenntnisse mehr. Der 39-jährige Kellner habe „etwas schlichten“ wollen, ein Messer habe er zwar gesehen, aber nicht mitbekommen, ob damit jemand verletzt worden sei. Wohl aber habe er registriert, dass Franco sich gewehrt habe, ein Angriff sei nicht von ihm ausgegangen. „Beide Seiten haben Beleidigungen ausgesprochen“, sagte er. Der ganze Vorfall sei aber nicht so schlimm zu bewerten. Die beiden, die er schon seit Jahren kenne, müssten seinetwegen nicht bestraft werden, sagte er mit Blick auf die Angeklagten.
„Antiaggressionstherapie“ als Auflage
Richter von Kennel befand, die Verletzung sei überschaubar, „wenn sie überhaupt vom Messer kam“. Von einer Anklage sei man weit entfernt, eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153 a der Strafprozessordnung konnte er sich vorstellen.
Die Staatsanwaltschaft befand, schon die Vorstrafen Marcos sprächen gegen eine Einstellung, außerdem sähe sie „immer noch die Körperverletzung“. Während Angelo schließlich zu einer Zahlung von 300 Euro an einen Verein für Rechtspflege aufgefordert wurde, muss Marco aufgrund seiner finanziellen Situation nur neun Monatsraten à zehn Euro zahlen. Dazu wurde ihm aus eigenem Interesse eine unverzügliche sechsmonatige Antiaggressionstherapie auf eigene Kosten auferlegt. Wird alles von den Gebrüdern erledigt, wird das Verfahren gegen sie endgültig eingestellt.