Ein Richtfest steht an, wenn der Rohbau eines Gebäudes einschließlich seiner Dachkonstruktion steht. Diesen Meilenstein hat nun das neue Pflegezentrum erreicht. Noch lassen die kahlen Wände kaum vermuten, dass hier einmal Leben stattfinden soll. Nackter Beton und Mauersteine – grau und hart. Einzig Kabel, die zu Schnecken aufgerollt aus Decken oder den Wänden ragen, geben leichte Farbakzente.
Doch das Vokabular bei der Baustellenbegehung mit Stadtkämmerer Stefan Krause und Stiftungsverwalter Sebastian Keller klingt, als würde hier ein Organismus entstehen: „Der Baukörper“, wenn es um den Rohbau geht „die Stiftungsmutter“, wenn es um die Trägerschaft geht, „Bestand geht in der Tochter auf“, wenn es um die Zukunft der Pflegeeinrichtung Sankt Ulrich geht.

Nun steht das Skelett des Gebäudes. Und die Vorstellung von Leben in den Räumen weitet sich aus. So richtet sich auch Oberbürgermeister Jan Zeitler an die versammelten Handwerker, Ingenieure, Architekten und Würdenträger: „Es geht nicht nur um Zahlen, Beton und Ziegelsteine. Dieses Gebäude wird für viele Menschen ein Zuhause sein.“ Während er spricht, dröhnt es. Es wird weiter gearbeitet, Bohrer treiben in Beton. Die Handwerker arbeiten weiter.

700 Tonnen Stahl
Zeitler bedankt sich bei allen, die zum Bau beigetragen haben und noch beitragen. Vor allem die Handwerker seien die Stars, wie er sagt. Die haben 3000 bis 4000 Kubikmeter Beton zu Wänden aufgerichtet, sagt etwa Rohbauleiter Michael Leonhardt. Für ein Einfamilienhaus brauche man etwa ein Zehntel davon. 700 Tonnen Stahl stecken im Rohbau. Der 29-jährige Handwerker kam über beinahe ein Jahr lang aus der Nähe von Ravensburg, täglich eine Dreiviertelstunde hin, eine Dreiviertelstunde zurück zur Baustelle nach Überlingen. „Alles unter einer Stunde ist ok“, findet er. Und er ist nur einer von Vielen.
Björn Bischoff hat mit seiner Mannschaft 27 Kilometer Leerrohr verlegt und 8000 Betondosen eingezogen, sagt er. Später werden daraus Steckdosen und Schalter. Er erzählt: „Es gab Tage bei den Dacharbeiten, da haben die Leute gesagt, bei dem Wetter würden sie nicht mal Ihren Hund rausschicken.“ Es war die Grundlage, dass hier später Dachbegrünung und Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach entstehen können.
Seine Firma hat die Kabel in den Decken und Wänden verlegt. Erst kamen die Kabel, dann wurde der Beton darüber gegossen. Nun verlaufen die Kabel wie unsichtbare Venen und Adern durchs Gebäude. Seit dem Tag des Richtfests ist das Pflegezentrum ans Nahwärmenetz der Stadtwerke angeschlossen. Der Baukörper ist warm.

Weitgehend im Zeitplan
Für Elektrotechniker Björn Bischoff ist das Richtfest nun ein gelungener Abschluss. Seine Rohinstallationen sind beendet. Für ihn war es sein bisher größtes Projekt. Nicht nur für den Handwerker, auch für den Spitalfonds: 35,3 Millionen Euro kostet das Projekt, sagt Stadtkämmerer Stefan Krause. 19 Millionen kommen direkt aus der Spitalkasse, der Rest aus Krediten. „Wir sind bisher im Budget, sogar leicht darunter“, sagt er.

Ähnlich sieht es beim Zeitplan aus. Der wurde nicht ganz eingehalten, aber fast. Ursprünglich geplant war das Richtfest im Dezember 2024. Spitalverwalter Sebastian Keller wirft dabei ein: „Um Zeit zu sparen, haben wir die Elektroarbeiten vorgezogen.“ Glücklicherweise habe der Handwerker auch Zeit gehabt, sagt Spitalverwalter Sebastian Keller. Bis auf die üblichen wetterbedingten Komplikationen verlaufe der Bau nach Plan, sagt Krause.
Umzug für 2026 geplant
Er führt durch den Willkommensraum, einen Mehrzweckraum für Veranstaltungen und Schulungen. Vom Eingangsbereich soll man direkt in den begrünten Innenraum sehen können. Statt Blättern und Gräsern wehen dort noch Folien. In den Zimmern stehen schon die Bäder. Mit einem Kran wurden die Nasszellen hineingehoben. Mit ihnen haben die Pflegebedürftigen dann etwa 20 Quadratmeter Platz je Raum. Im Sommer 2026 sollen die Bewohner und das Personal der Pflegeeinrichtung Sankt Ulrich laut Stefan Krause dann ins neue Pflegezentrum umziehen können. „Und den Seeblick nehmen sie mit“, sagt er.
Noch lässt sich zwischen den Wänden nur erahnen, dass hier Pfleger in der Personal-Lounge in einer kleinen Küche zusammenkommen werden, gemeinsam Tischkicker spielen und tratschen. „Ein Rohbau ist ein wunderbarer Moment, erstmals sind die Räume zu erspüren“, sagt Architekt Christian Füllsack-Zimmermann in seiner Rede zum Richtfest. Für ihn steht im Zentrum, dass sich das Gebäude in die Umgebung einfügt: „Ausblick und Einblick sind so arrangiert, um Kontakt zur Umgebung zu schaffen.“
Mauerwerk und Innenputz
Zur Umgebung der Baustelle gehören vor allem die Handwerker. Ihnen gebührt das Fest. Und so richtet sich Rohbauleiter Michael Leonhardt an die Menge, um den Richtspruch aufzusagen. Wenn kein Zimmermann anwesend ist, sei das Aufgabe eines Rohbauers, erklärt er. Auch er haucht dem Beton Leben ein: „Das Gebäude wächst und gedeiht“, sagt er.

Dann sagt er: „Die Steine, die uns in den Weg gelegt, sind heute wie weggefegt“. In Anbetracht der Baustelle nicht ganz. Palettenweise Steine liegen in den fünf Etagen schon bereit. Nichttragendes Mauerwerk bestimme in nächster Zeit seinen Arbeitstag, sagt Leonhardt.

Außerdem folgen nun Innenputz und Trockenarbeiten. Auch die Fenster werden bald eingesetzt. Irgendwann sollen die Bäder gefliest sein, der Boden mit Linoleum ausgelegt und die Fußbodenheizung wärmen. Bis dahin beleben die Handwerker das Gebäude.