Wir treffen uns auf dem Kramer-Areal, einer Industriebrache, für das sich eine neue Entwicklung abzeichnet. Was entsteht hier?

Zunächst ist festzustellen, dass es sich hier um das Gelände eines börsennotierten Unternehmens handelt. In bester Überlinger Lage. Es ergibt sich die große Chance, an dieser Stelle etwas entstehen zu lassen, was es an anderer Stelle in der Bodenseeregion so nicht geben wird. Insofern bin ich dankbar dafür, dass der Eigentümer auf uns zukam und vermittelte, dass er hier Wohnbebauung entstehen lassen möchte. Wir haben den Ball aufgenommen und sind in guten Gesprächen mit der Konzernspitze. Es gibt grobe Vorstellungen, auch von Seiten des Gemeinderates, hier einen neuen Stadtteil zu entwickeln.

Ist jetzt endlich die Zeit gekomme, aus der Industriebrache Kramer-Werke einen neuen Stadtteil mit Wohnbebauung zu entwickeln?
Ist jetzt endlich die Zeit gekomme, aus der Industriebrache Kramer-Werke einen neuen Stadtteil mit Wohnbebauung zu entwickeln? | Bild: Hilser, Stefan

Sie sagen es, der Eigentümer kam auf die Stadt Überlingen zu, seit 2019 ist das Firmengelände stillgelegt, die Überlegungen sind schon älter. Warum dauert das so lange und hat sich noch nichts bewegt?

Es gilt, unterschiedliche Interessenlagen unter einen Hut zu bringen. Wir reden über eine Fläche von sechs Hektar, einem Areal, auf dem bis zu 500 Wohnungen entstehen könnten. Das bedarf genauer Abwägungen. Die Stadt hat die Planungshoheit und trifft die Feststellung, was hier städtebaulich entstehen kann. Das ist mit dem Eigentümer abzustimmen. Und es gibt ein berechtigtes Interesse der Bürgerschaft zu erfahren, was hier entstehen soll. Das muss alles zusammengebracht werden.

Was meinen Sie mit unterschiedlichen Interessenlagen?

Es gab bereits Initiativen, die sich dieses und jenes vorstellen können. Es gibt aber auch ein Interesse der Stadt, Stichwort Überlinger Wohnbaulandmodell. Weiterhin gibt es das Interesse des Eigentümers in Bezug auf seine Vermögenswerte. Und es gibt eine politische Diskussion im Gemeinderat um die Bebauungsdichte und die Höhe der Bebauung. Das alles muss unter einen Hut gebracht werden, bevor es einen tragfähigen Kompromiss geben kann. So etwas nimmt Zeit in Anspruch, jetzt stehen wir kurz vor einem städtebaulichen Vertrag, der Grundlegendes regelt. Anfang nächsten Jahres wird das Thema öffentlich präsentiert, voraussichtlich im März. In einer Bestandsaufnahme wird dann genauer erläutert, was bislang als Rahmen festgelegt wurde und was wir uns gemeinsam vorstellen können. Wir werden die Beteiligungsmöglichkeiten erläutern, anhand derer die Bürgerschaft sich mit eigenen Ideen einbringen kann.

OB Zeitler in der ehemaligen Fertigungshalle der Kramer-Werke in Überlingen.
OB Zeitler in der ehemaligen Fertigungshalle der Kramer-Werke in Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Wieso gibt es bislang keinen Einblick in die Planung?

Es gibt noch keine konkrete Planung. Wir können erst dann in eine öffentliche Bestandsaufnahme und Entwicklung eintreten, wenn wir mit dem Eigentümer eine Übereinkunft erzielt haben, was grundsätzlich erforderlich ist, wenn wir wissen, wie sich die Infrastruktur entwickeln kann. Diese Einigung haben wir nun als Grundlage für einen noch abzuschließenden städtebaulichen Vertrag erreicht. Wir haben nun Eckpfeiler, die wir öffentlich spiegeln können und wollen mit dem Vorhabenträger gemeinsam im Rahmen einer Mehrfachbeauftragung ein diskursives Wettbewerbsverfahren für das Areal anstoßen.

Was heißt das?

Die Einbringung bürgerschaftlicher Ideen. Mit Vorschlag und Gegenrede. Und mit einer Offenheit, hier die Ideen aus der Bürgerschaft aufzunehmen. Dafür bin ich dem Vorhabenträger dankbar.

Bleiben wir beim Thema Baupolitik. Es gab eine Protestbewegung rund um die Vorhaben Seehaldenstraße und Rauensteinpark. Betrachten Sie solchen Protest als das Anliegen gesättigter Bürger, die selbst schon Wohnraum haben, oder als ein echtes und ehrliches Anliegen von Leuten, die das Landschafts- und Stadtbild schützen wollen?

Hier muss man unterscheiden. Bei der Seehaldenstraße haben wir einen rechtskräftigen Bebauungsplan. Wer sich innerhalb dieser rechtsgültigen Satzung bewegt, hat einen Anspruch auf eine Baugenehmigung. Der Stadt Überlingen als Baurechtsbehörde sind dann die Hände gebunden. Wir halten uns an das, was der Bebauungsplan ermöglicht. Anders verhält es sich, wenn wir einen Bebauungsplan aufstellen und ein Bebauungsplanverfahren durchführen. Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerschaft sind klar geregelt, es erfolgen interessante Anregungen, die wir abwägen und professionell bearbeiten, und, wie im Fall Kibler-Rauenstein, auch Teil eines Kompromisses werden können. Hier hat man sich auf die Parkplatzbebauung und ein weiteres Gebäude beschränkt.

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Ich bin neu in Überlingen. Als Familie sind wir derzeit auf der Suche nach einer Wohnung. Was können Sie als Oberbürgermeister auf kommunaler Ebene dafür tun, dass sich auch Normalverdiener die Stadt noch leisten können? Oder ist Überlingen eine Stadt von Wohlhabenden geworden?

Überlingen darf nicht zu einer Stadt von ausschließlich wohlhabenden Menschen werden. Es muss das Interesse der Stadtgesellschaft sein, dass alle Spektren des gesellschaftlichen Lebens abgebildet werden. Ihre Fragen, Herr Hartung, zeigen das Dilemma auf, in dem wir uns bewegen. Wenn wir Wohngebiete ausweisen wollen, dann heißt es, bitte nicht an dieser Stelle. Wir brauchen aber Flächen, um Wohnraum entstehen zu lassen. Auf der anderen Seite gibt es eine Vorverurteilung, dass nur hochpreisiger Wohnraum entstehen würde. Wir müssen uns als Stadt erst in die Lage versetzen, bezahlbaren Mietwohnraum anzubieten. Genau das machen wir momentan. Ich sage Ihnen als Familie, im Gebiet Südlich Härlen wird es tolle Wohnungsangebote geben.

Schafft man den Spagat, einerseits Wohnraum zu schaffen, andererseits Parkflächen zu erhalten?

Uneingeschränkt: Ja. Wir schaffen den Spagat. Schauen Sie, im Bereich Rauenstein Ost haben wir eine erschlossene Straße, eine Verkehrsanbindung und bereits eine Bebauung auf der anderen Straßenseite. Was spricht dagegen, auch auf der anderen Seite zu bauen? Es liegt doch nahe, entlang der Straße Mehrfamilienhäuser zu bauen, so dass die Straße einschließlich Kanal beidseitig genutzt wird. Ich sehe den Konflikt nicht. Wir halten uns an das, was der Regionalverband von uns verlangt. Überlingen ist einer von zwölf Wohnbauschwerpunkten in der Region Bodensee-Oberschwaben. Gleiches gilt für die Überbauung eines Parkplatzes am äußersten Rand des Rauensteinparkes.