Ohne den Konsum von Cannabis verharmlosen zu wollen, der bei Dauerkonsum und vor allem bei jüngeren Menschen erhebliche Gesundheitsgefahren birgt: Alkohol macht in aller Regel aggressiver als der Zug an einer Tüte. Ein bisschen mehr Gelassenheit, wie auch immer erwirkt, wäre dem Gemeinderat gut zu Gesicht gestanden, als das Kiff-Verbot zum wiederholten Mal aufgerufen wurde.
Aufgeschreckt vom neuen Cannabisgesetz der Berliner Ampelkoalition, versuchte im Juni eine Überlinger Vorsicht-Fraktion, die Lunte auszutreten, schon bevor sie brannte: Ein flächendeckendes Verbot des Kiffens wurde ausgesprochen. Es war ein, vorsichtig ausgedrückt, übereilter Versuch, ein missliebiges Bundesgesetz auszuhebeln. Abwarten, wie die Kiffer mit der neuen Freiheit umzugehen wissen, lautet die nüchterne Beurteilung eines von der Stadt im Nachgang befragten Fachanwalts, dem der Gemeinderat nun folgt.
Was in Paragraf 22 sonst noch alles steht
Der Rat stimmte, bei zwei Enthaltungen des Ehepaars Biniossek, einer Korrektur der städtischen Polizeiverordnung zu und verbietet in Paragraf 22 fortan zwar den Konsum von Betäubungsmitteln, aber nur den, der vom Betäubungsmittel-Gesetz erfasst ist. Mit anderen Worten: Die Verordnung verbietet, verbotene Dinge zu tun. Ja, alles braucht seine gute Ordnung. In Paragraf 22 der Verordnung steht auch, dass auf öffentlichen Flächen und Parks das Spucken und Speien verboten ist, und das Nächtigen, und das nicht bestimmungsgemäße Benutzen von Bänken.
Oberbürgermeister Jan Zeitler schien in der Sitzung ein bisschen überrascht darüber, dass der Rat über die eigentliche Sache hinaus noch Redebedarf verspürte. Sonja Straub (CDU) heizte die Emotionen auf, als sie Benedikt Kitt (LBU/Grüne), dem Jüngsten in der Runde, vorhielt, „von sich auf andere zu schließen“, als der nur aufzeigte, dass Alkohol aus seiner Sicht das größere Problem darstellt. Ulf Janicke (LBU/Grüne) bezeichnete Straubs Kommentar als „das Allerletzte“ und bat den OB als Sitzungsleiter darum, künftig strenger auf den guten Ton im Gremium zu achten. Worauf Zeitler einräumte, dass dieser Wunsch „angekommen“ sei, er Straub aber „nicht festbinden“ könne.
Schlagabtausch im Rat
Ingo Wörner wiederum giftete, dass die Verwaltung künftig „vorher einen Rechtsanwalt fragen soll, bevor sie mit so einer tollen Idee“ (dem flächendeckenden Verbot) um die Ecke kommt. Zeitler: „Ich fand‘s unpassend, dass Sie diesen Satz gesagt haben.“
Kurz zusammengefasst: Hielte sich der Rat an Paragraf 22, hörte er auf zu spucken, würde sich gelassen auf eine Bank setzen, nicht auf ihr schlafen. Würde beim nächsten Mal aber einmal tief durchatmen, oder vielleicht sogar eine Nacht darüber schlafen. Und dann, ganz entspannt, die Lage nüchtern betrachten.