Wie alle Tafelläden in Deutschland steht auch die Überlinger Einrichtung der Caritas Linzgau gerade mächtig unter Druck. Die Zahl der Menschen, die auf Unterstützung angewiesen ist, wächst. Gleichzeitig nimmt die Menge an gespendeten Lebensmitteln ab. Das hat mehrere Gründe.
„Früher hatten wir hier ungefähr 35 Kunden am Tag. Heute sind es 62“, sagt Norbert Sieveking. Er ist einer der wenigen hauptamtlichen Tafelladen-Helfer und schon seit Jahren dabei. Dass nun beinahe doppelt so viele Menschen zu ihnen kämen, hänge vor allem mit der wachsenden Zahl an Flüchtlingen aus der Ukraine zusammen. Dazu gebe es neue Kunden, deren finanzielle Situation sich wegen der gestiegenen Preise und Lebenshaltungskosten verschlechtert habe.
Der Überlinger Tafelladen hat immer mittwochnachmittags und donnerstagvormittags geöffnet. Die Inhaber eines Berechtigungsscheins können dort einmal in der Woche einkaufen. Je nach Haushaltsgröße entrichten sie pro Besuch einen Obolus, der sich für eine Einzelperson auf vier Euro und eine vierköpfige Familie auf sieben Euro beläuft. Es gebe zwei Gründe, warum sie die gespendeten Waren nicht kostenfrei abgeben, erläutert Leonie Zehrer. Sie ist bei der Caritas für die Koordination des Tafelladens zuständig. Erstens kämen die Kunden so nicht in die Rolle des Beschenkten und schätzten den Wert der Waren höher. Der zweite Grund hängt mit den Kosten des Tafelladens zusammen. „Wir brauchen das Geld zum Beispiel für Miete und Strom“, fügt Leonie Zehrer an.

Weniger Spenden, da Händler gezielter disponieren
Die Waren im Tafelladen sind ausschließlich Spenden und stammen von lokalen Einzelhändlern, Discountern, Erzeugern und Gastronomiebetrieben. Wie viel dabei jeweils zusammenkommt, ist unterschiedlich. „In den letzten Wochen, vor allem um Ostern, war das Kühlregal halb leer“, sagt Norbert Sieveking. Über die Gründe für die unterschiedlichen Mengen kann er nur spekulieren. „Wahrscheinlich disponieren die Händler zurzeit gezielter“, vermutet Sieveking. Das würde erklären, warum sie zurzeit weniger Obst und Gemüse bekommen. Bei den stark gestiegenen Preisen liegt die Vermutung nahe, dass die Händler weniger ordern, um Überschuss zu vermeiden.

Dazu sei ihnen ein wichtiger Spender von Fleisch und Wurstwaren weggebrochen, berichtet Leonie Zehrer. Ein Überlinger Traditionsbetrieb wurde vor Kurzem von einem auswärtigen Unternehmen übernommen, an dessen Hauptsitz nun die Tafelspenden gehen. Zehrer und das Leitungsteam suchen gerade dringend einen Ersatz. Dazu wollen sie lokale Höfe und Erzeuger ansprechen und als Spender gewinnen, um wieder mehr Obst und Gemüse anbieten zu können.
Helfer und Kunden arrangieren sich mit Angebot
Die Waren werden von einem Fahrer bei den Spendern abgeholt. Eine Gruppe von ehrenamtlichen Helfern sortiert und sichtet dann den Inhalt der Kisten. Eine Hälfte geht in den Kühlraum, für den Verkauf am zweiten Tag, die andere wird in die Regale des Ladens eingeräumt. Die Ausgabe der Lebensmittel übernehmen ebenfalls Ehrenamtliche. „Jeder muss die Waren an seinem Platz so einteilen, dass es für alle reicht“, erläutert Sieveking. „Heute ist viel da“, freut er sich, aber grundsätzlich müssten sie sich mit der jeweiligen Situation arrangieren, „auch die Kunden“, fügt er hinzu.
Auch Corona sei noch ein wichtiges Thema, erinnert Sieveking. Zum Schutz der ehrenamtlichen Helfer, von denen die meisten im Rentenalter seien, hätten sie die Anzahl der Kunden, die sich gleichzeitig und nur mit Maske im Laden aufhalten dürfen, begrenzt. Dadurch entstünden zwar Wartezeiten, aber das ließe sich nicht vermeiden. Auch das Café bietet zurzeit Kaffee und Kuchen nur zum Mitnehmen an.
Situation in der Tafel erinnert an die Jahre 2015/16
Trotz der schwierigen Situation sei die Stimmung unter den Kunden aber recht gut und die Hilfsbereitschaft bei Verständigungsschwierigkeiten groß, betonen Zehrer und Sieveking. Die Sprachproblematik erinnere ein bisschen an die Jahre 2015/16. Auch damals mussten kurzfristig mehr Menschen versorgt und die Regeln mithilfe von ehrenamtlichen Dolmetschern vermittelt werden.

Die wöchentlich steigende Zahl der Berechtigten, macht Norbert Sieveking Sorgen. Er setzt sich seit Jahren mit viel Engagement dafür ein, dass Menschen in Not an gute und günstige Lebensmittel kommen. „Das ist eine außergewöhnliche Situation“, sagt er. „Ich weiß nicht, wie sich das entwickelt, wenn noch viel mehr dazu kommen. Wir haben begrenzte Kapazitäten.“