Es ist 19.37 Uhr. In Unteruhldingen hebt ein Zwölf-Tonnen-Koloss aus Holz von einem Tieflader ab. Es ist ein neun Meter langer und bis zu 1,40 Meter dicker Eichenstamm aus Achern im Ortenaukreis. Neben dem Schwerlastkran steht Gunter Schöbel, der Museumsdirektor der Pfahlbauten, und sieht sichtlich zufrieden aus, denn er hat erfolgreich dafür gekämpft, dass diese Eiche ins Pfahlbaumuseum kommt. Der letzte Schritt allein war spektakulär, denn der Stamm musste mit einem Schwerlastkran auf das Museumsgelände gehievt werden.

Mit fünf Stunden Verspätung: Der Stamm kommt an Video: Jäckle, Reiner

Die Ankunft der Eiche verzögerte sich um satte fünf Stunden. Der Transport verlief nicht ganz reibungslos. Auf dem Gelände der Pfahlbauten wartete man bereits etwa eine Stunde, bis endlich der Tieflader mit der wertvollen Fracht auftauchte. Nach einigen Rangiermanövern konnte es losgehen. Zunächst wurden die mitgelieferten Baumstämme von Robinien abgeladen. Dann war die wichtigste Fracht an der Reihe: der Eichenstamm.

Baum fiel der Trockenheit 2018 zum Opfer

Die etwa 1,40 Meter Durchmesser am unteren Ende des Stammes zeugen von einer knapp 200-jährigen Geschichte, die der Eichenstamm erzählen kann. Im vergangenen Jahr stand er noch in Achern auf einem bebauten Grundstück. Allerdings fiel der Baum der Trockenheit zum Opfer und ist vollständig abgestorben. Da abgestorbene Eichen in der Regel innerhalb von wenigen Jahren umstürzen, musste der Baum aus Sicherheitsgründen gefällt werden. Schade um den alten Baum, aber ein Glücksfall für Gunter Schöbel, denn solch eine Rarität ist nur ganz schwer zu haben. Erstens ist es schwierig, einen solchen Stamm zu finden, zweitens ist das eine kostspielige Sache.

Aus der Vogelperspektive: Der Stamm schwebt von der Ladefläche Video: Jäckle, Reiner

Stamm muss noch gedreht werden

Mittlerweile ist er kurz vor 20 Uhr. Der riesige Stamm liegt bereits auf dem nicht zugänglichen Gelände der Pfahlbauten. Allerdings muss er noch gedreht werden, weil ein Astansatz an der falschen Stelle liegt. Mit Fingerspitzengefühl an der Steuerung des Schwerlastkrans, gekonnten Befestigungen der Ketten am Stamm und der passenden Sicherungen, damit die Eiche nicht wegrollt, gelingt es den Mitarbeitern, die wertvolle Fracht perfekt zu positionieren.

Der Stamm wird an seinen Platz dirigiert Video: Jäckle, Reiner

Freude im Museum über Stamm

„Wir sind sehr glücklich, dass wir nach langer Suche und durch die Vermittlung der Forstdirektion Freiburg in Achern den Baum gefunden haben“, sagt der Museumsdirektor der Pfahlbauten. „Unterstützt wurden wir hierbei durch das europäische Projekt ‚Sharing Heritage‘ im Rahmen des europäischen Kulturjahrs von der Bundesregierung.“ Ohne diese Finanzspritze hätte sich das Museum diesen altehrwürdigen Stamm wohl nicht leisten können, sagt Gunter Schöbel.

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Eichenstamm soll zum Einbaum werden

Schöbel hat ein experimentalarchäologisches Projekt mit der Eiche vor. Im kommenden Jahr soll aus dem Holzstamm ein prähistorisches Wassergefährt werden. Vorlage ist der bisher als Einbaum bekannte Fund vor Wasserburg aus dem vergangenen Jahr. Mittlerweile sind sich die Experten aber nicht mehr sicher, ob dies überhaupt ein Einbaum war, denn der Holzrumpf hat ein gefertigtes Loch im Boden. Dies könnte durchaus eine Aussparung für einen Schiffsmast sein.

Nachbau eines Funds aus Wasserburg

Der gefundene Holzrumpf wird zurzeit von Wissenschaftlern der archäologischen Staatssammlung Bayern konserviert. Ziel ist es, dass das Wasser in den Poren des Holzes durch Kunststoff ersetzt wird. Bis dieser Prozess abgeschlossen ist, wird es noch bis zu drei Jahre gehen.

Augenmaß ist gefragt, bis der Stamm richtig liegt Video: Jäckle, Reiner

Bis dahin soll im Pfahlbaumuseum die Nachbildung des Wassergefährts, das aus dem 12. Jahrhundert vor Christus und damit aus der Bronzezeit stammt, bereits fertig sein. „Einbäume sind frühe Wasserfahrzeuge, die bereits vor 10 000 Jahren für die Schifffahrt an den großen Seen und am Meer seit der Steinzeit genutzt wurden“, erklärt Gunter Schöbel. „Sie bestehen aus einem großen Baum, der von Hand mit Werkzeugen ausgehöhlt wurde.“ Diese Wassergefährte wurden in Mitteleuropa noch bis in das 20. Jahrhundert benutzt. In Afrika, Asien und Südamerika sind sie auch heute noch im Einsatz.

200 Jahre alt, 9 Meter lang, 12 Tonnen schwer Video: Jäckle, Reiner

Die Eiche aus dem Illenauer Wald bei Achern liefert das nahezu perfekte Material für eine solche Nachbildung. „Früher wurden häufig Eichen zum Bau benutzt“, erklärt Gunter Schöbel. Er bestätigt, dass der Baum aufgrund seiner Schädigung annähernd dem Vorbild von vor 3000 Jahren entspreche. „Die holzanalytischen Daten der bayrischen Denkmalpflege decken sich ziemlich genau mit dem Original“, sagt der Museumsleiter, der schon länger einen solchen Baum suchte.

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Bäume dieser Dimension sind selten geworden

Diese Suche war deshalb so schwer, weil Bäume dieser Dimension in der Region selten geworden sind. „Fast alle alten Bäume bei uns wurden Opfer der sogenannten ‚Franzosenhiebe‘ nach 1945, als die französische Armee diese großen Bäume bei uns fällte“, erklärt Gunter Schöbel. „Deswegen wandten wir uns an die Forstdirektion in Freiburg und erhielten dann nach mehreren Monaten Suche von dort Hilfe.“ Solche Bäume werden im Normalfall nicht gefällt, es sei denn sie sterben ab, wie es mit dieser Alteiche vergangenes Jahr passierte. „Wir wollten uns schon an den Forst im Spessart oder nach Frankreich wenden“, sagt der Pfahlbau-Direktor. „Doch dann kam die glückliche Nachricht.“