Schon bei seiner Podiumsdiskussion im Welterbesaal in Uhldingen-Mühlhofen stellte der SÜDKURIER stellvertretend für die Bürger Fragen an die fünf Kandidaten zur Bürgermeisterwahl in Uhldingen-Mühlhofen. Nun gibt es schriftliche Antworten der Frauen und Männer auf weitere drängende Fragen der Wähler. Sortiert sind sie nach ihrem Eingang in der Redaktion.
Herbert März, Vorsitzender GUM : Unserem Verein wurde 2016 anlässlich einer öffentlichen Gemeinderatssitzung ein Mitspracherecht, aktiv bei der Tourismusentwicklung in unserer Gemeinde mitzuwirken, zugesagt. Leider entpuppte sich diese Zusage bis zum heutigen Tag als reines Lippenbekenntnis. Wie stellen Sie sich eine Zusammenarbeit mit unserem Verein vor?
Das sagen die Kandidaten Roland Martin Der Begriff „Mitspracherecht“ ist schwer einzuschätzen. Zu von mir getroffenen Aussagen stehe ich zu 100 Prozent – andere kann ich nicht verantworten. Zum Thema Tourismus lade ich den Sprecher des GUM zur Entwicklung gemeinsamer Ideen gerne in einen Arbeitskreis ein. Jean-Christophe Thieke Die GUM-Mitglieder sollten einen Vertreter für die Lenkungsgruppe der TI wählen können. Für den Tourismusausschuss sollte die Gruppe je einen Wahlvorschlag aus gewerblichen und privaten Zimmervermietern nennen. Somit würden Gastgeber des GUM gleichberechtigt in Tourismus-Gremien berücksichtigt. Nadine Bohn Mir ist es wichtig, dass wir gemeinsam einen Nenner finden. Dazu gehört für mich eine offene Gesprächskultur. Bedeutet im Klartext: Erst einmal mit Ihnen allen in Ruhe sprechen, mit dem „Alten“ abschließen und wirklich beenden! Im nächsten Schritt mit dem Gemeinderat sprechen und ebenfalls das „Alte“ abschließen – dann Ihre Wünsche und Ziele definieren und gemeinsam mit dem Gemeinderat beraten, damit wir eine gute Lösung und wertvolle Zusammenarbeit entwickeln. Dominik Männle Im Falle meiner Wahl würde ich alle Beteiligten (GUM, Tourismusbetriebe, Tourist-Information und Gemeinde) an einen Tisch bitten, um eine aktive Kommunikation wieder aufzubauen und bei Entscheidungen alle Aspekte miteinbeziehen zu können. Jasmina Brancazio Mir ist es sehr wichtig, die Bürgerschaft von Anfang an mit in die Ideen- und Entscheidungsfindung einzubinden. Wir brauchen Bürgerforen, die sich aus Experten aus der Bürgerschaft zusammensetzen. In diesem Fall wären die GUM eingeladen, sich im Forum Tourismus einzubringen und somit Handlungsempfehlungen direkt an den Gemeinderat zu geben.
Manfred Maier, Campingplatz Seeperle: Durch die zwangsweise Einführung der elektronischen Meldung der Gästedaten an die Gemeinde zum Zwecke der Kurtaxeabrechnung wurde u.a. mein Kleinbetrieb so ausgebremst, dass eine komplette Umstellung von Kurzzeit- auf Dauercamper notwendig wurde. Würden Sie als Bürgermeister/Bürgermeisterin weiter an diesem restriktiven Kurs festhalten oder darf mit einer Lockerung, d.h. Freiwilligkeit zur elektronischen Meldung gerechnet werden?
Das sagen die Kandidaten Roland Martin Generell werden wir an einer Digitalisierung in vielen Lebensbereichen nicht vorbei kommen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Ich kann mir aber vorstellen, dass in begründeten Ausnahmefällen wie Ihrem eine Befreiung von der allgemeinen Pflicht möglich sein wird. Jean-Christophe Thieke Solche Auswirkungen sollten vermieden werden. Hier eine Rolle rückwärts zu machen, wird schwierig. Allerdings könnten innovative, digitale Lösungen das Verfahren vereinfachen, auch für diejenigen, die Gästedaten nur manuell erheben können. Das kann z.B. eine App mit Texterkennung sein. Generell möchte ich gemeinsam innovative Lösungen voranbringen, die Abläufe für Bürger, Gastgeber und Gäste vereinfachen. Nadine Bohn Ich möchte mich gern in das Thema reinknien und schauen, ob das alles so sein muss – wir werden eine Lösung finden, mit der Ihr Betrieb leben kann. Wenn es rechtlich machbar ist, bin ich dafür, dass wir das Ganze entzerren, um allen die Arbeit leichter zu machen. Dominik Männle Die elektronische Meldung wurde 2019 vom Gemeinderat eingeführt. Ich würde den Gastgeberinnen und Gastgebern, die z. B. die Technik nicht vorhalten können aber gerne anbieten, die Erfassung in der Tourist-Info zu erledigen oder in begründeten Ausnahmefällen (Härtefallregelung) auch die Erfassung durch die Verwaltung vornehmen zu lassen. Jasmina Brancazio Wir müssen die neuen technologischen Möglichkeiten nutzen, wo es sinnvoll ist. Wenn dies mit mehr Aufwand verbunden ist, muss überprüft werden, wie wir die Strukturen so gestalten können, dass sie sinnvoll bleiben. Als Bürgermeisterin möchte ich mit Ihnen gemeinsam tragfähige Lösungen finden und die Gemeinde voranbringen, ohne Einzelne abzuhängen.
Andreas Röhrig und Gerda Peuling stellten ähnliche Fragen: Der Flächenfraß geht auch in Uhldingen-Mühlhofen durch die Ausweisung von Gewerbegebieten und Baugebieten ungebremst weiter. Haben Sie Konzepte, dem entgegen zu wirken und wieder mehr ökologisch wertvolle Flächen zu gestalten?
Das sagen die Kandidaten Roland Martin Zählt auch ein „Solarfeld“ als ökologisch wertvoll? Ich treibe einen verbindlichen Entwicklungsplan zur Regelung von Flächen-/ Energieverbrauch und das Erreichen der Umweltziele voran. Profitable, arbeitsplatzintensive Gewerbe sind per Vorgabe flächenfressenden wie Stellplätzen mit minimaler Gewerbesteuer klar vorzuziehen. Jean-Christophe Thieke Für mich sind Ökologie sowie Natur- und Landschaftsschutz elementar wichtig. Bei der Gewerbepolitik müssen wir verstärkt auch andere Faktoren in den Blick nehmen: Fachkräfte, Breitband, „kurze Wege“ und Nutzung bestehender Flächen. Für Wohnungen werden wir gute Wege zur Innenentwicklung finden müssen. Nadine Bohn Mir ist wichtig, erst einmal zu schauen, was überhaupt machbar ist. Erfassen der Flächen, wo wir uns einfach mehr „Grün“ leisten sollten: Bäume pflanzen, bienenfreundliche Samen säen z. Bsp. an Wegrändern und Straßen usw. Dominik Männle Die Ausweisung von Neubaugebieten nur für Einfamilienhäuser sollte in Zukunft die Ausnahme sein. Ich möchte hier einen Fokus auf Mehrfamilienhäuser bzw. bezahlbaren Wohnraum legen und auch die Nachverdichtung in den Ortsteilen angehen. Bebauungspläne können u. a. Festsetzungen zu Heizart, energieeffizientem Bauen, Wasserwirtschaft, E-Ladestationen oder Begrünung enthalten und so gleichzeitig einen Beitrag zur Klimaanpassung leisten. Gewerbegebiete sollten sich mehr in die Höhe, als in die Breite erweitern und mit ausreichend Grünflächen ausgestattet werden. Jasmina Brancazio Für jeden Quadratmeter Wohnfläche müssen wir die Infrastruktur verantwortungsbewusst mit einplanen. Unsere Natur ist unser wertvollster Schatz. Wir müssen nachhaltige Konzepte entwickeln. Das Vorhandene optimal nutzen – also Leerstand und Zweckentfremdung vermeiden, auf neue Wohnkonzepte setzen, wo Neubau entsteht. Wir brauchen nachhaltige Bebauungspläne und müssen Dach- und Fassadenbegrünung fördern.
Stephanie (per Mail), trotz Rückfrage teilte sie ihren Nachnamen nicht mit: Wie stehen Sie zum Thema Integration? Wo sehen Sie hier als BM Ihre Aufgabe und Funktion? Wie stehen Sie zur aktuellen Flüchtlingskrise und was würden Sie diesbezüglich veranlassen?
Das sagen die Kandidaten Roland Martin Ich selbst habe die Unterbringung einer irakischen Flüchtlingsfamilie bei mir ermöglicht, meine Frau war als Pate für einen afghanischen Jugendlichen tätig. Wir können nicht alle aufnehmen! Aber dass wenn sich Hamburg zur Aufnahme von 5000 Frauen/Kindern bereit erklärt, dies dann verhindert wird, ist ein Skandal. Ausländische Touristen mit Geld schon, aber diejenigen in Not dann ausgrenzen? Klares Nein. Wenn wir sie menschlich integrieren, werden auch sie zur Bereicherung für unser Gemeindeleben. Jean-Christophe Thieke Die Menschen in unserer Gemeinde haben seit 2015 ein vorbildliches Engagement bewiesen. Bislang nahmen wir überdurchschnittlich viele Flüchtlinge in Mühlhofen auf. Bei einer erneuten Welle an Flüchtlingen muss darauf geachtet werden, dass diese kreisweit besser verteilt werden. Allerdings liegt hier die Zuständigkeit beim Landratsamt. Nadine Bohn Integration ist wichtig. Vor allem: Sinnvolles Integrieren: Dass die Menschen leichter unsere Kultur und Sprache kennen lernen. Meine Idee: Minijobs bei unseren Betrieben im Ort – jeden Tag regelmäßiges Arbeiten. So wird unsere Sprache leichter erlernt und auch unsere Umgangsformen – einfach am Leben teilhaben lassen, um nicht nur sprachlich, sondern „gesamtmenschlich“ zu fördern! Dominik Männle Ich finde es gut, dass Uhldingen-Mühlhofen so verantwortungsvoll und engagiert mit der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge umgegangen ist. Ich halte es als Bürgermeister für wichtig, in Zukunft auf eine maßvolle Aufnahme der Flüchtlinge in unsere Gemeinde zu achten und die Integrationsarbeit zu fördern. Jasmina Brancazio Die Funktion einer Bürgermeisterin ist, die Interessen der Bürgerschaft nach Innen und Außen zu vertreten. Integration und Inklusion bedeuten, den Dialog untereinander zu fördern und auch zu fordern. Wir benötigen einen offenen Diskurs, Objektivität und Menschlichkeit. Die Flüchtlingssituation kann nur international und europäisch gelöst werden.
Walter Wietbrock : Wie sieht Ihr Konzept/Ihre Strategie aus, um die Jugend mehr in die Gemeindebelange einzubinden, um Verantwortung für die Gemeinde mit zu übernehmen?
Das sagen die Kandidaten Roland Martin Jugendliche sind „Gemeindebelange“! Genauso wie Ehrenamt und soziales Engagement fördere ich junge Familien, damit wir wieder Nachwuchs haben. Überalterung droht. Alle Vereine müssen mit ihrer Jugendarbeit unter Führung der Gemeinde an einen Tisch und kooperieren, nicht konkurrieren. Besonders bei Räumlichkeiten und Verkehrsanbindung sehe ich mich in der Pflicht zur aktiven Unterstützung. Jean-Christophe Thieke Ich könnte mir vorstellen, dem Gemeinderat die Etablierung eines Jugendgemeinderats vorzuschlagen. So erhalten Jugendliche ein eigenes Gremium und vor allem einen Weg, sich auch an den Themen des Gemeinderates wirksam zu beteiligen. Nadine Bohn Mein Wunsch: einen Jugendgemeinderat zu gründen; in dem aus jedem Ortsteil ein Jugendlicher am Ratstisch dabei sitzen kann und auch mitarbeiten darf. So motivieren wir die Jugendlichen, dass sie Freude an Gemeindearbeit haben. Zudem wäre es wichtig, Programme anzubieten, die Jugendliche ansprechen – entsprechende Angebote bieten; ein Fest für die Jugend u.a. Dominik Männle Ich würde der Jugend gerne anbieten, sich bei regelmäßigen Treffen mit mir auszutauschen. Mir ist wichtig, die Interessen der Jugendlichen wirklich ernst zu nehmen. Deshalb würde ich gerne auch im Gemeinderat immer wieder Berichte der Jugendlichen mit einfließen lassen und sie bei ihren Aktivitäten unterstützen. Jasmina Brancazio Verantwortung muss man lernen – nicht aufzwingen. Es ist wichtig, die Jugend dort abzuholen, wo Sie steht, und gemeinsam ein interessantes Angebot zu schaffen. Wir brauchen ein Jugendforum. Auch die Jugend muss die Möglichkeit bekommen, Einfluss zu nehmen und in Ihrer Meinung ernst genommen werden.
Erwin Zimmermann: Wie sehen Ihre Planungen mit dem alten Schul- und Rathaus in Unteruhldingen aus?
Das sagen die Kandidaten Roland Martin Schwieriges Thema, da mir zur abschließenden Beurteilung Detailinfos fehlen. Ob die Gemeinde das Haus wirklich braucht, ist für mich deshalb ungeklärt, evtl. zur Vereins-/Jugendarbeit? Sollte sich vorher ein privater Investor finden, der es dem Wunschzweck zuführt – bitte, liebend gerne! Jean-Christophe Thieke Der Gemeinderat hat der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben, bis zum Herbst 2020 eine Genossenschaft zu gründen und ein Konzept zu erstellen, wie das Gebäude weiter genutzt und saniert werden soll. Die Gemeinde sollte diesen Prozess aktiv unterstützen. Das Konzept soll einen nachhaltigen Nutzen für die Bevölkerung und/oder Gäste ergeben. Außerdem muss eine nachhaltige Finanzierung dabei sein. Nadine Bohn Ich möchte das Haus gern in Gemeindebesitz belassen; altes Schulhaus restaurieren, Wohnungen einbauen, mit den Mieteinnahmen den Anbau sanieren; einen kleinen Tante Emma Laden, Café und einen Raum, den man als Verein mieten kann oder Ähnliches. Einfach unsere Infrastruktur stärken! Dominik Männle Ich werde die Bildung einer Bürgergenossenschaft gerne unterstützen. Falls diese nicht zustande kommt, halte ich es jedoch für notwendig, mit dem Gemeinderat nochmals über die Zukunftsperspektive dieses Gebäudes zu sprechen. Jasmina Brancazio Ein Verkauf ist zu kurzfristig gedacht. Es gibt viele Ideen, die nachhaltiger sind. Die Bürgerschaft muss entscheiden, was zu unserer Gemeinde passt und dabei weiter denken. Dazu möchte ich einen breiten Diskussionsprozess initiieren.
Gewählt wird der Nachfolger von Bürgermeister Edgar Lamm am Sonntag, 22. März. Termin für eine eventuell notwendig werdende Neuwahl ist am 5. April.