Die Nachricht ist für die Betroffenen eine Katastrophe: Das endgültige Aus für das Autismus-Therapiezentrum in Bad Säckingen steht wohl fest. „Wir sind davon ausgegangen, dass die Finanzierungsfrage für das Zentrum gelöst werden kann und es für unsere Kinder weitergeht. Wir wurden zuvor nicht informiert und es war für uns einfach unvorstellbar, dass dies passiert“, so Mary-Lou Gaglio von der Elterninitiative Autismus Hochrhein.

Anfang 2024 wird das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet

Die Rede ist vom Zentrum für Autismus-Kompetenz Südbaden (ZAKS), eine gemeinnützige GmbH, die in Südbaden fünf Therapiezentren unterhält. Allein 2023 entstand dort eine Deckungslücke von über 600.000 Euro.

Anfang April 2024 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet, um bei vorinsolvenzlichen Schulden von über 1,8 Millionen Euro etwaiges Vermögen des Zentrums für die Gläubiger zu erhalten. Insolvenzverwalter sind die Freiburger Rechtsanwälte Thilo Braun und Michael Schneider. Da ihre Sanierungsbemühungen gescheitert sind, wurde am 1. Juli das Insolvenzhauptverfahren eröffnet.

140 Kinder sind in Bad Säckingen in Therapie, 60 stehen auf der Warteliste

Nach Angaben von Mary-Lou Gaglio befinden sich in Bad Säckingen gegenwärtig 140 Menschen in einer Therapie, 60 stehen auf einer Warteliste. Die Initiative will nach Gaglios Auskunft nunmehr die Interessen der Betroffenen bündeln und eventuell gegen die Schließung des Zentrums klagen.

„Die Therapie im Zentrum Bad Säckingen ist für die Betroffenen sehr wichtig, da es sonst keine weiteren Anlaufstellen im Landkreis Waldshut gibt“, so Gaglio, selbst Mutter zweier unter Autismus leidenden Kinder.

Mary-Lou Gaglio ist Mutter von zwei Kindern mit Autismus und spricht für andere betroffene Eltern.
Mary-Lou Gaglio ist Mutter von zwei Kindern mit Autismus und spricht für andere betroffene Eltern. | Bild: Mary-Lou Gaglio

Die Eltern der betroffenen Kinder hätten sich daher entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen und sich gegen das Landratsamt Waldshut und den Entscheid zur Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens zu wenden. „Aus unserer Sicht darf es nicht passieren, dass die Kinder wieder zu kurz kommen“, ergänzt Gaglio.

Mutter fürchtet Nachteile für betroffene Kinder

Auch Michaela Huber, Leiterin des Therapiezentrums in Bad Säckingen, befürchtet erhebliche Nachteile für die betroffenen Kinder: „Wir haben Klienten, die bei anderen Therapeuten nicht angenommen werden. Manche Kinder haben auch keinen Platz im Kindergarten oder in der Schule. Wenn unsere Therapie hier wegfällt, werden sie kaum einen Platz erhalten können“, führt sie aus. Dennoch hoffe sie auf eine Zukunft für das Zentrum: „Ich gebe nicht auf. Vor 13 Jahren habe ich die Einrichtung hier aufgebaut und hoffe darauf, dass es weiter geht.“

„Bis Ende August, ist der gesamte Betrieb des Zentrums wohl noch möglich, wenn dann kein Wunder geschieht, ist Schluss. Dann müssen sich die Eltern einen neuen Anbieter suchen“, so Schneider. Für die Betroffenen sei dies fürchterlich und so auch in den Verhandlungen mit den zuständigen Stadt- und Landkreisen kommuniziert worden. „Weder die zuständigen Ämter noch die Eltern der Kinder haben die fachliche Qualifikation des Zentrums in Frage gestellt. Es gibt jedoch keine sauber finanzierte Zukunftsperspektive für die Einrichtung“, ergänzt der Anwalt.

Rechtsanwalt Michael Schneider aus Freiburg im Breisgau ist Insolvenzverwalter des Autismus-Therapiezentrums.
Rechtsanwalt Michael Schneider aus Freiburg im Breisgau ist Insolvenzverwalter des Autismus-Therapiezentrums. | Bild: Regula Wolf

Im Laufe der Verhandlungen habe sich sehr klar gezeigt, dass die finanzielle Unterstützung der Landratsämter für das Zentrum für Autismus-Kompetenz Südbaden nicht ausreichend sei, führt Schneider weiter aus. „Wir nannten die finanziellen Sätze, die wir für das Zentrum benötigen, das sind rund 110 Euro pro Therapiesitzung.

Der Stadtkreis Freiburg und das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald als Verhandlungsführer erklärten, es gäbe Anbieter, die 90 Euro und weniger benötigten. Wir sind uns da allerdings nicht so sicher. Für das ZAKS ermöglichen 90 Euro jedoch kein wirtschaftliches Arbeiten, denn die Zentren sind sehr breit aufgestellt und können daher auch schwere Fälle bearbeiten.“

Julia Frohmann-Gerber, Pressesprecherin des Landkreises Waldshut, verweist in einer schriftlichen Stellungnahme auf unsere Anfrage darauf, dass die letzte Verhandlungsrunde zwischen dem ZAKS und den Landkreisen am 2. August 2023 geführt worden sei: „Die dabei verhandelten Entgelte gelten derzeit (eigentlich).“

Aufgrund wirtschaftlicher Probleme habe das Zentrum zur Überraschung des Landkreises eine Erhöhung der vereinbarten Entgelte angekündigt. Nach Gesprächen hierzu habe das Zentrum jedoch kein wirtschaftlich tragfähiges Angebot vorlegen können.

Das Autismus-Therapiezentrum in Bad Säckingen ist in einem Wohn- und Geschäftsgebäude an der Alemannenstraße untergebracht. ...
Das Autismus-Therapiezentrum in Bad Säckingen ist in einem Wohn- und Geschäftsgebäude an der Alemannenstraße untergebracht. Wahrscheinlich Ende August muss die Einrichtung schließen. | Bild: Alexander Jaser

Für den 11. Juli, so die Pressesprecherin weiter, seien von den Landkreisen alle Leistungsanbieter aus dem Autismus-Spektrum zu einer Konferenz nach Freiburg eingeladen worden. „Unser Ziel ist es, das Therapieangebot fortzusetzen. Wir werden alles dafür tun, damit es schnellstmöglich eine gute Lösung gib“, erklärt Frohmann-Gerber abschließend.

Guhl: „Wir kämpfen gegen Windmühlen“

Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl sieht in der Schließung des Therapiezentrums einen schweren Schlag für die Betroffenen und die Stadt. Zwar seien hier allein die Landkreise verantwortlich, doch werde er mit dem Insolvenzverwalter Kontakt aufnehmen, um zu prüfen, ob noch eine Lösung möglich sei.

„Ich habe immer mehr den Eindruck, dass wir im Bereich der Gesundheitsvorsorge gegen Windmühlen kämpfen, die Politik muss sich des Themas endlich annehmen“, erklärt Guhl. „Was wir hier erleben, ist für die Patienten und ihre Angehörigen ein Drama. Als Stadt bringen wir uns bereits jetzt mehr als andere Kommunen in die Gesundheitsversorgung ein, doch an dieser Stelle sind die Landkreise gefordert.“

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