Kommunen und Energieversorger rüsten sich für die Zukunft. Doch von einem echten Durchbruch ist die Elektromobilität noch weit entfernt. Die Zahl der Elektrofahrzeuge am Hochrhein nimmt zwar stetig zu – allerdings noch auf einem niedrigen Niveau.
Die nackten Zahlen sind ernüchternd: Gerade einmal 58 rein elektrische Personenwagen wurden 2017 im Landkreis Waldshut neu zugelassen. Dies sind nur 1,14 Prozent aller Neuzulassungen. Insgesamt fahren im Landkreis Waldshut mittlerweile 166 Autofahrer mit Strom, angesichts von insgesamt 105 000 zugelassenen Fahrzeugen eine verschwindend geringe Minderheit.
Im Nachbarkreis Lörrach sieht es auf den ersten Blick etwas besser aus: Hier liegt der Anteil der im vergangenen Jahr neuzugelassenen Elektrofahrzeuge bei immerhin 3,4 Prozent – und damit mehr als doppelt so hoch wie im Nachbarkreis. Insgesamt sind im Landkreis Lörrach derzeit 368 Autos rein elektrisch unterwegs. Warum die Zahl der E-Autos in Lörrach höher ist als in Waldshut, zeigt ein zweiter Blick: Eine stattliche Anzahl E-Autos geht nämlich auf das Konto des Rheinfelder Energiedienstes, der nicht nur selbst einige E-Autos in seinem Fuhrpark hat, sondern auch eine ganze Flotte Renault Zoe für den Carsharing-Anbieter My-E-Car unterhält. Hybridfahrzeuge, also Autos, die herkömmliche Verbrenner mit Elektromotoren kombinieren, sind deutlich weiter verbreitet. Die Statistik der Zulassungsstelle Lörrach weist 1194 zugelassene Hybridfahrzeuge aus – mehr als dreimal so viele wie reine Stromfahrzeuge.
Einer der Vorreiter für die Elektromobilität am Hochrhein ist die Stadt Bad Säckingen. „Als Kurstadt sollten wir das Ziel verfolgen, dass der Verkehr in unserer Stadt emissionsfrei wird“, so Bürgermeister Alexander Guhl. Schon seit einigen Jahren gibt es Bestrebungen, den öffentlichen Fuhrpark soweit wie möglich auf Elektrofahrzeuge umzurüsten. Im vergangenen Jahr startete Guhl öffentlichkeitswirksam das Projekt „Bad Säckingen fährt emissionsfrei“. Damit sollen möglichst viele Mitstreiter und Nachahmer für die E-Mobilität gewonnen werden.
Knackpunkt für den Durchbruch der E-Mobilität ist die Ladeinfrastruktur. Das baden-württembergische Verkehrsministerium hat im vergangenen Jahr ein Förderprogramm aufgelegt, um ein flächendeckendes Netz an Lademöglichkeiten zu schaffen. Ziel ist es, von jeder Stelle in Baden-Württemberg in rund 10 Kilometer Entfernung einen Ladepunkt erreichen zu können. „Die reine Zahl der Ladestationen ist nicht das entscheidende Kriterium“, sieht Christian Klaiber das Förderprogramm des Landes eher kritisch. „Wichtiger als die Netzdichte und die Zahl der Ladestationen ist, dass wir ein intelligentes Netz aufbauen. Wir wollen die richtige Technik am richtigen Standort.“ Nicht überall müssten teure 50-kW-Schnellladestationen wie am Bad Säckinger Festplatz stehen, wo sich beispielsweise ein Renault Zoe in etwa 30 Minuten auf 80 Prozent aufladen lässt. Solch eine leistungssstarke Ladestation ist vor allem für Besucher Bad Säckingens attraktiv, die nur kurz zu einem Abstecher zum Einkaufen in die Stadt kommen. Wer aber in der Stadt arbeitet und sein Auto entsprechend lange parkt, kann auch mit niedriger Leistung laden. Dafür müssten aber mehr Ladepunkte geschaffen werden als die bislang bestehenden drei Ladesäulen. Im Parkhaus Lohgerbe sollen deshalb schon bald zehn Parkplätze mit Ladebox ausgestattet werden, ebenso im Parkhaus bei der Post. Ein Quantensprung für die Stadt und bislang einmalig in Südbaden.
Aber das Engagement der Stadt Bad Säckingen beschränkt sich nicht auf die Verbesserung der Ladeinfrastruktur. Im Fuhrpark von Stadt und Stadtwerken gibt es bereits mehrere Strom-Fahrzeuge, als neueste Anschaffung ist ein elektrisches Müllauto geplant. Gut nachgefragt wird auch das elektrische Bürgerauto, das von Vereinen und Bürgern günstig angemietet werden kann und als städtisches Carsharing-Fahrzeug dient. Als Pilotprojekt gilt auch der Citybus, der 2016 auf Naturstrom umgestellt wurde und seitdem emissionsfrei durch die Stadt fährt.
Auch mit einigen ortsansässigen Unternehmen ist der Mobiltätsberater Christian Klaiber im Gespräch. Mit Fuhrparkanalysen soll geprüft werden, ob und welche Teile der Firmenfahrzeuge durch elektrische Modelle ersetzt werden können. Auch Lademöglichkeiten für Mitarbeiter auf Firmenparkplätzen sollen geschaffen werden. „Da reichen 3,7 kW Leistung“, sieht hier Klaiber die Möglichkeit, mit kleinem finanziellen Aufwand einen großen Nutzen zu erreichen. Das Hotel Rheinsberg in Obersäckingen hält nicht nur ein Stromfahrzeug für Gäste bereit, sondern auch einen „Tesla Destination Charger“ – eine Ladestation exklusiv für Tesla-Fahrer.
Zusammen mit lokalen Autohäusern hat der Stadtmarketing-Verein Pro Bad Säckingen und den Stadtwerken ein „Rundum-Sorglos-Paket“ geschnürt, um Bürgern, Händlern und Gewerbetreibenden den Umstieg auf die Elektromobilität zu erleichtern. Das Auto, die Versicherung und die passende Lade-Einheit für zuhause können nun gemeinsam bestellt werden. Das Ziel von Bürgermeister Guhl: Bis Herbst sollen mindestens 50 Autos mit E-Kennzeichen in Bad Säckingen zugelassen sein.
Fünf Vorurteile über Elektromobilität im Faktencheck
Noch immer ranken sich um die Elektromobilität zahlreiche Vorurteile. Nicht alle entsprechen der Realität.
- .„Die Reichweite der E-Autos ist viel zu gering, um alltagstauglich zu sein. Insbesondere in der schwierigen Topographie zwischen Hochrhein und Hotzenwald sind Stromfahrzeuge nicht praktikabel.“
Stimmt nicht, ganz im Gegenteil: Natürlich verbraucht ein E-Auto bergauf mehr Strom als auf flacher Strecke. Bergab füllt sich der Akku aber wieder, weil E-Autos die Rollenergie rückgewinnen können („Rekuperation“). Herkömmliche Autos verbrauchen dagegen auch bergab Sprit. Befürchtungen, auf dem Hotzenwald mit leerem Akku liegen zu bleiben oder lange Zeit zum Zwischenladen einplanen zu müssen, sind unbegründet. Die Reichweite einiger aktueller Stromfahrzeuge bewegt sich schon im Bereich von über 250 Kilometer. Laut Statistischem Bundesamt fahren aber weniger als fünf Prozent der Pendler mehr als 50 Kilometer zur Arbeit.
- .„Das Laden ist kompliziert, weil es keine einheitlichen Standards gibt.“
Falsch. Das anfängliche Stecker-Wirrwarr ist seit 2014 überwunden. Sehr komplex ist aber noch das Angebot an Ladekarten verschiedener Anbieter. Aber auch hier gibt es mittlerweile Roaming-Angebote, so dass einige wenige Karten reichen, um deutschland- und europaweit laden zu können. Unterschiedliche Abrechnungsmodelle sorgen allerdings noch für Intransparenz.
- .„Die Akkus der E-Autos sind gar nicht umweltfreundlich.“
Stimmt. Bei der Herstellung der Akkus werden seltene Rohstoffe und eine große Menge an Energie benötigt. Die Klimabilanz der Batterieproduktion je nach Elektroauto-Modell entspricht einer Fahrtstrecke eines Benziners zwischen 30 000 und 100 000 Kilometern. In der Gesamtbetrachtung der Ökobilanzen schneidet das E-Auto dennoch besser ab. Inbesondere bei der Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen.
- .„E-Autos sind teurer als herkömmliche Fahrzeuge.“
Zugegeben: Billigmodelle unter 15 000 Euro sucht man – vor allem wegen der teuren Batterie – vergebens. Dies schreckt vor allem potenzielle Käufer, die ein Elektrofahrzeug als Zweitwagen anschaffen wollen, ab. In der Regel bieten Elektromodelle einige Extras mehr als solche Billigmodelle. Die laufenden Kosten sind aber nicht höher als bei Benzinern: Laut einer Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) liegen die Wartungskosten eines Elektroautos um etwa 35 Prozent unter denen eines Verbrenners.
- .„Es gibt noch viel zu wenige Lademöglichkeiten im Land.“
Elektro-Fahrer laden ihr Auto nicht erst, wenn der Akku leer ist, sondern wenn sie die Gelegenheit haben, sprich: beim Parken, in der Regel zu Hause oder auf der Arbeit. Die Zahl von Ladestationen ist deshalb für die meisten E-Fahrer in der Praxis völlig unerheblich. (job)