Bernau Wie innovative und am Tierwohl orientierte Landwirtschaft geht, erkundeten Regierungspräsident Carsten Gabbert und BLHV-Präsident Bernhard Bolkart. Zunächst ging es zum Stempfelbachhof der Familie Wasmer. Der im Hauptberuf tätige Zimmermann Johannes Wasmer hatte 2017 den Nebenerwerbshof seiner Eltern übernommen und den Stall 2018 aus dem Familienwohnsitz im Bernauer Ortsteil Hof nach Innerlehen verlegt. Er hält 40 Tiere, darunter 15 Mutterkühe der Rassen Pinzgauer und Hinterwälder.
Die Hinterwälder Rinder sind die ursprünglich im Schwarzwald gehaltene Rinderrasse. Das Fleisch der Rinder verkauft er an die Bernauer Gastronomie und an private Kunden, es wird aber auch über die Initiative Schwarzwald-Bio-Weiderind regional vermarktet. Wie Johannes Wasmer berichtete, habe ihn der Stallneubau 130.000¦Euro gekostet, etwa 30.000¦Euro davon stammen aus Fördergeldern des Landes. „Ohne die umfangreichen Eigenleistungen der ganzen Familie wäre der Bau allerdings erheblich teurer geworden“, berichtet er. Das Stallgebäude liegt im Natura-2000-Gebiet, 2018 sei es ohne Gutachten genehmigt worden. Wegen des besseren Tierwohls möchte er seinen Stall nun erweitern; dem entsprechenden Bauantrag hatte der Gemeinderat vor Kurzem zugestimmt.
Doch jetzt plagen den Landwirt Sorgen. Bei seinem Bauvorhaben geht es um eine Verlängerung des Stalls und des Mistlagers um fünf Meter. Vom Landratsamt sei er aufgefordert worden, ein Gutachten von einem Gutachterbüro erstellen zu lassen, mit dem geprüft werden soll, ob sich die Erweiterung mit dem Naturschutz vereinbaren lässt. „Wenn du das durchziehen willst, brauchst du Nerven“, sagt er. Ist das zu viel der Bürokratie für einen Berufsstand, der für den ökologisch und touristisch so wichtigen Erhalt der einst durch Beweidung entstandenen Kulturlandschaft sorgt? Vertreter der Behörden weisen darauf hin, dass es eine gewisse Prüfungspflicht brauche, wenn Fördergelder fließen. Wasmers Stall ist von Grünland umgeben, von hier aus hat man einen weiten, freien Blick aufs Tal. „Wenn der Stall nicht wäre, würde das hier alles zuwachsen“, gibt Bernhard Bolkart, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) zu bedenken.
Die Voraussetzung, dass Landwirte von ihrer Arbeit leben können, ist eine funktionierende Vermarktungskette. Die sei im Schwarzwald gegeben durch die Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind und die Vermarktung durch eine Handelskette, insbesondere durch die Schmidts-Märkte. Wie Bernhard Bolkart berichtet, hatten beide zusammen der Erzeugergemeinschaft im Jahr 2005 garantiert, jährlich 1000 Tiere abzunehmen. Inzwischen seien es jährlich gegen 2000 Rinder.
Wie Jürgen Mäder, Edeka-Vorstand Südwest im Bereich regionale Erzeugung, berichtete, habe sich die Nachfrage nach Bio-Weiderind trotz globaler Krisen gut entwickelt: „Unsere Kunden spüren die ganze Geschichte, die hinter diesem Fleisch steht“, sagte er. Laut Bernhard Bolkart bereitet aber die sinkende Zahl regionaler Schlachthöfe Probleme in der Vermarktungskette. Im Landkreis Waldshut gebe es nur einen großen Schlachthof. Dies liege an gestiegenen Auflagen, in erster Linie durch EU-Verordnungen, die immer neue Investitionen erfordern würden und den Schlachtbetrieb unrentabler machten. Die Folge seien Betriebsaufgaben. Ein weiteres Problem sei, dass es immer weniger Großtierärzte gebe, die die Schlachtungen überwachen und an den Höfen für die medizinische Versorgung der Tiere sorgen.
Markus Kaisers Goldbachhof, die zweite Station, ist einer der wenigen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe im Schwarzwald. Kaiser bewirtschaftet 300¦Hektar Grünland, die Hälfte davon im Landschaftspflegeprogramm des Landes. Als Nebenprodukt der Offenhaltung verwertet er pro Jahr rund 50.000¦Kubikmeter Holzhackschnitzel in der eigenen Fernwärmeanlage. Das Fleisch seiner 280¦Rinder vermarktet auch Kaiser über die Schwarzwald-Bio-Weiderind-Initiative, die er mitgegründet hat und deren Vorsitzender er ist.
Über seinen Besuch zieht Regierungspräsident Gabbert ein positives Fazit: „Die beiden Betriebe leisten Pionierarbeit, indem sie mit Mut und Ideenreichtum neue Wege bei der Tierhaltung und bei der Vermarktung ihrer Produkte eingeschlagen haben.“ Bernhard Bolkart betonte, dass der Besuch gezeigt habe, wie wichtig eine verlässliche Förderung und gesellschaftliche Anerkennung für die Zukunft der Landwirtschaft im Schwarzwald sei.