Der Wald befindet sich im Stress. Schuld daran sind Sturmtief Burglind sowie extreme Trockenheit. Das wirkt sich auch auf den wirtschaftlichen Nutzen des Waldes aus. Bonndorfs Stadtförster Steffen Wolf und der stellvertretende Kreisforstamtsleiter Friedbert Zapf schildern die Situation im Gespräch. Sorgfältig ausgearbeitete Hiebspläne geraten zu Makulatur. Stattdessen müssen unter hohem Zeitdruck Sturmholz und Käfernester aufgearbeitet werden. Der Holzpreis gerät unter Druck. Riesige Holzpolder warten auf Abholung, Sägewerke können gar nicht alles aufnehmen.
- Stadtwald: „Wie hoch der finanzielle Schaden im Stadtwald ist, kann momentan nicht genau beziffert werden, da wir noch in der Käferholzaufarbeitung sind“, erläutert Steffen Wolf. Allein Burglind verursachte auf den 1900 Hektar Stadtwald zu Jahresbeginn 5000 Festmeter Sturmholz. Das entspricht beinahe einem Drittel des geplanten Jahreshiebes. Das Sturmholz wiederum war ein gefundenes Fressen für Borkenkäfer, die sich infolge extremer Trockenheit stark vermehrten. Allein bis jetzt wurden im Stadtwald 3000 Festmeter Käferholz aufbereitet, schätzt Steffen Wolf. Da Sturm- und Käferholz auf viele Stellen verteilt sind und nicht so rationell wie der geplante Hieb aufgearbeitet werden können, gerät der Arbeitsaufwand unvergleichlich höher. „Wir können nur noch auf das, was uns die Natur beschert, reagieren, anstatt geplant vorzugehen.“
- Trockenheit: Große Sorgen bereitet Steffen Wolf die Aussicht, dass es so trocken einwintern könnte. „Wenn es keine nennenswerte Niederschlagsmenge gibt, bevor es kalt wird, ist für 2019 eine Katastrophe vorprogrammiert.“ Bis in einer Tiefe von 1,80 Metern krümelt der Boden, die Nadeln rieseln von den Bäumen. Es müsste lange und intensiv regnen, bis der Wald wieder genügend Widerstandskraft gewinnt, um sich gegen Borkenkäfer wehren zu können.
- Käferbefall: Der Borkenkäfer vermehrt sich bei Trockenheit exponentiell. Statt sechs bis acht Wochen dauert eine Brut nur knapp vier Wochen. „Die Bäume sind permanent im Stress. Vor allem die Fichte hat keine Abwehrkräfte, und diese Baumart macht zwei Drittel unseres Waldes aus“, beschreibt Steffen Wolf die Lage. Ein gesunder Baum würde den Käfer, der sich unter die Rinde bohrt, mit Harz ertränken. Ein gestresster Baum hingegen kann keinen Widerstand leisten, Buchdrucker und Kupferstecher haben leichtes Spiel. Chemische Schädlingsbekämpfung ist aufgrund der ökologischen Zertifizierung der Wälder obsolet.

- Holzmarkt: Bis zu 50 Prozent mindert sich der Holzpreis infolge des Käferbefalls, das kann zu sechsstelligen Ertragsausfällen für die Stadt führen. Zwar wird die Statik des Holzes durch den Käferbefall nicht beeinträchtigt, die Optik allerdings erheblich. Manche Holzwerke haben große Nachfrage nach Holz mit sichtbarer Qualität. Bläuliche Einfärbung, die bei Käferbefall entsteht, kann für Sichtholz nicht akzeptiert werden. „Wir müssen weißes Schnittholz aus Skandinavien oder Belgien zukaufen, um unseren Bedarf zu decken“, sagt Gerd Kromer, Einkäufer der Holzwerke Dold in Buchenbach. „Von den heimischen Waldbesitzern kann man in der momentanen Situation nicht verlangen, dass sie Sturm- und Käferholz liegen lassen, weil der Markt nach Frischholz verlangt.“ Freilich benötigen nicht alle Sägewerke optisch einwandfreies Holz. Bei manchen Produkten spielt die Verfärbung keine Rolle.
- Waldzukunft: „Langfristig können die ökonomischen und ökologischen Schäden im Wald gar nicht beziffert werden. Experten befürchten, dass im Schwarzwald bis 2100 ein Klima herrscht wie augenblicklich in der Toskana. Vor dem Hintergrund, dass eine Waldgeneration aber 80 bis 120 Jahre dauert, bleibt nicht viel Zeit, um zu reagieren“, gibt Steffen Wolf zu bedenken. Man müsste den Wald konsequent umbauen, und zwar jetzt. Darin sind sich viele Forstexperten einig, doch auch das gestaltet sich infolge der Trockenheit schwierig. Die trockenresistente Douglasie beispielsweise braucht als Jungpflanze viel Feuchtigkeit. Die gesamte Kultur, die 2017 und 2018 im städtischen Wald gepflanzt wurde, ist großflächig vertrocknet. Von weiteren Pflanzungen sieht der Stadtförster also erst mal ab. Das herrschende Kontinentalklima mit Spätfrösten belastet andere trockenresistente Baumsorten außerdem mit Frost und Nassschnee. „Der Klimawandel ist im vollen Gange, es gibt kein Rezept“, sagt der besorgte Stadtförster.
- Staatswald: Im Staatswald zeichnet sich kaum ein anderes Bild. 50 000 Festmeter Holzeinschlag waren für dieses Jahr auf den 5000 Hektar Staatswald im Großraum Bonndorf geplant. Die Schäden durch Burglind machten auch den Jahresplan des Kreisforstamtes zunichte, fielen doch allein 32 000 Festmeter Sturmholz an. Das entspricht mehr als 1000 voll beladenen Langholzfahrzeugen. „Zusätzlich zum Sturmholz wurden bisher infolge des Borkenkäferbefalls 10 000 Festmeter Käferholz aufgearbeitet, weitere 10 000 werden bis Jahresende geerntet. Das wirkt sich deutlich auf den Ertrag aus“, beklagt der stellvertretende Kreisforstamtsleiter. Gutes Fichtenholz wird mit knapp 100 Euro pro Festmeter vergütet, Käferholz, je nach Beeinträchtigung mit 40 bis 60 Euro. „Die Holzkonjunktur boomt, Sägewerke sind ausgelastet. Doch solange sich Sturm- und Käferholz in den Wäldern stauen, schlägt keiner Frischholz“, gibt Friedbert Zapf zu bedenken. Und solange dieses Holz im Wald liegt, kann der Borkenkäfer sich ungehindert ausbreiten. Um die in den Wäldern liegenden Holzpolder vor Käferbefall zu schützen wären Nasslager eine Lösung. Infolge der Trockenheit darf allerdings kein Oberflächenwasser entnommen werden, also kommt das nicht in Frage. Da man auch im Kreisforstamt im kommenden Jahr mit noch stärkerem Käferbefall rechnet, wird das Team im Frühjahr 2019 zeitlich befristet mit acht Fachkräften verstärkt. Die sollen die Förster beim Monitoring unterstützen. „Es wird gezielt nach Bohrmehl unter den Bäumen gesucht, um rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen“, erläutert Friedbert Zapf deren Aufgabe.
In tieferen Lagen von Rhein- und unterem Wutachtal seien die Schäden durch Trockenheit noch eklatanter als in den Höhenlagen des Schwarzwalds. Es brauche sofort viel Regen, sagt Zapf und fordert: „Wir brauchen eine Waldbaustrategie gegen den Klimawandel. Aber wir können nicht wie die Landwirtschaft rasch mal die Fruchtfolge ändern. Der Wald kann nicht einfach ersetzt werden. Langfristig muss ein Mix aus Tanne, Fichte und Buche unser Ziel sein, das käme dem Schwarzwälder Urwald sehr nahe.“ Friedbert Zapf widerlegt die landläufige Meinung, es gebe hier in der Region Fichtenmonokulturen. Auch alte Bestände haben einen Anteil von Tanne und Buche, der Waldumbau ist bereits seit fünf Jahrzehnten in vollem Gange. Ferner gibt er zu bedenken, dass die Douglasie zwar hierzulande als schädlingsresistent gilt, in ihrer amerikanischen Heimat aber durchaus auch unter Schädlingen leidet. Würde der Anteil der Douglasie erhöht, könnte es so genannte „Umsteiger“ geben. Diese Baumart braucht außerdem viel Licht, kann also nicht in alte Bestände gepflanzt werden. „Um den Anteil der Douglasie von derzeit drei auf fünf Prozent zu erhöhen, dauert es 50 Jahre“, warnt Friedbert Zapf vor Experimenten oder davor, standortbewährte Baumsorten aufzugeben.