Er ist 100 Tage im Amt, ohne es in voller Gänze bekleiden zu dürfen. Tilman Frank, seit 1991 Lehrer an der Bonndorfer Realschule, leitet diese kommissarisch. Anlass war das unvorhersehbare Verschwinden von Rektor Sami Wafis in die Elternzeit. Diese, für einen "Schul-Kapitän" durchaus außergewöhnliche Lebensgestaltung, bescherte der Realschule ein komplettes Führungsteam unter der Leitung von Tilman Frank. Das Kollegium selbst wählte eine so genannte Steuergruppe.
Mit ihr fühlt man sich bestens gerüstet für die Aufgaben von Gegenwart und Zukunft. Längst macht sich die nicht mehr bindende Grundschulempfehlung bemerkbar. Die Schülerschaft an der Realschule zeigt ein enorm breites schulisches Leistungsspektrum. Einst messbar durch die Empfehlung der Grundschullehrer, waren rund 40 Prozent der Bonnorfer Realschüler gymnasialtauglich. Nach wie vor besuchen diese Schüler die Realschule. Hinzu gekommen sind in den vergangenen Jahren Schüler, die noch vor der 2013 gebildeten Grün-Roten Landesregierung eine Haupt-, oder Werkrealschule besucht hätten.
Tilman Frank, der gemeinsam mit dem Kollegen Michel Wöhr aus der Steuergruppe die Schulentwicklung erklärt, will ein solches Denken gar nicht erst aufkommen lassen. "Wir haben die Schüler, die wir haben und damit gehen wir um. Das ist auch für unser Denken wichtig", so Frank. Klar wird schließlich zugegeben: "Die Politik hat forciert, dass die Realschule heterogener wird." Das sei aber eine Herausforderung, die man auch an Gymnasien spüre. "Wir lernen, damit umzugehen und das wird auch noch besser als im Moment", so Frank. Natürlich brauche man dafür im Förderbereich mehr Stunden. Diese Versorgung sei wohl befriedigend, "üppig ist sie nicht". Das sagt Frank, obschon er sich auf einige Kollegen im kommenden Jahr jetzt schon freut. "Da werden wir sehr, sehr gut besetzt."
Überhaupt liege die Stärke der hiesigen Realschule im Kollegium. 80 Prozent der Lehrer seien unter 40 Jahre alt. Die Mannschaft sei hoch motiviert. Auch für Michel Wöhr ist das genau das Pfund, mit dem die Schule hier wuchern kann: "Das Kollegium zeichnet diese Schule aus. Jeder interessiert sich für die Schüler, ob es um einen möglichen Ausbildungsplatz geht, wie in der Zeit der Berufsorientierung, oder um die Vorbereitung für ein berufliches Gymnasium." Und gegen ein Gymnasium, in dem die Schüler bereits in der 12. Klasse (G8) das Abitur machen, grenzt er ab: "Hier haben die Schüler noch Zeit, persönlich zu wachsen."
"Mindestens von der Klientel her ist die Realschule im Ergebnis eine Gesamtschule, ohne verbindliche Ganztagsschule", gibt Tilman Frank zu. Die Schulkonzepte dafür seien ständig in der Entwicklung.
Im kommenden Schuljahr wird es in der Fachschaft Mathematik beispielsweise eine Neuerung geben. Die Stundenpläne werden so gestaltet, dass alle Mathestunden schulweit gleichzeitig stattfinden. So könnten im regen Austausch der Kollegen die Schüler klassenübergreifend in den Unterricht genommen werden, der sie am ehesten auf ihrem momentanen Leistungs-Niveau abholt. Dabei geht es den Mathematiklehrern keineswegs nur um die schwächeren Schüler. "Wir können dann die Talente gezielt fördern", meint der kommissarische Schulleiter.
Bei solchen kreativen Stundenplanungen liegt auf der Hand, dass Regelunterricht auch an Nachmittagen keine Ausnahme mehr sein wird. Einerseits betont Tilman Frank, dass die Schule dennoch eine offene Ganztagsschule bleiben wird und Fünftklässler etwa höchstens einmal nachmittags in den Reggelunterricht gebeten werden sollten. Andererseits wird tatsächlich derzeit am MiB-Programm (Mittag im Bildungszentrum) getüftelt. Der Mensa soll eine größere Bedeutung zukommen. Neben dem jetzt schon gelobten Mittagstisch, von Birgit Eske geleitet, soll hier ein Treffpunkt entstehen, an dem sich Schüler auch sonst aufhalten können. Auch der Pausenverkauf werde neu überdacht.
Stolz ist man auch auf die sich rasant entwickelnde Naturparkschule (wir berichten noch.) So wie die Realschule nach wie vor durch ihre Sportkonzepte, einst vorangetrieben durch den ehemaligen Konrektor Erich Zumkeller, würde hier unter der Federführung von Jutta Schär eine Leitperspektive entwickelt, die alle stets im Hinterkopf haben würden. Natürlich gehört nach wie vor die Werkrealschule zum Bildungszentrum, allerdings bereits ohne fünfte und ohne siebte Klasse. Ungeachtet der hervorragenden Arbeit in den vielen vergangenen Jahrzehnten, in denen praktisch alle Abgänger diese Schule mit einer guten beruflichen Zukunftsperspektive verlassen haben, drängen – politisch forciert – mehr und mehr klassische Werkrealschüler in die Realschule.
"Es stellt sich wirklich die Frage, ob ein Schulverbund Zukunft hat"
Schulträger aller Bonndorfer Schulen ist, mindestens in der Theorie, der Schulzweckverband, in dem fünf Gemeinden ihre Schulen organisiert haben. Dazu befragten wir den Initiator, Bürgermeister Michael Scharf.
Herr Scharf, stellt sich jetzt nach rund fünf Jahren heraus, dass der Schulzweckverband ein tot geborenes Kind ist?
Natürlich kann dieser Eindruck entstehen. Die fünf Bürgermeister hatten die Intention, dass man gemeinsam mit den Pädagogen versucht, eine Steuerung der Schulwege, der Schulinhalte, auch der Schulstandorte zu finden. Seit dieser Zeit ist im Prinzip die Hauptschule Stühlingen Geschichte, künftig wird die Werkrealschule Bonndorf Geschichte sein, sodass sich drei Standorte ergeben haben. Im Moment scheint es so zu sein, dass der Zweckverband sogar ein Hemmschuh sein kann für die Erzielung von Schulbaumitteln. Nachdem es nicht gelungen ist, in diesen fünf Jahren die pädagogische Leitungen an einen Tisch zu bekommen, stellt sich wirklich die Frage, ob ein Schulverbund Zukunft hat.
Neben dem Ziel, so viel wie möglich Schule vor Ort zu erhalten, wollte man einen gymnasialen Abschluss in der Raumschaft ermöglichen. Ist das mit der Vereinbarung mit Wutöschingen gestorben?
Wenn es dem Schulzweckverband nicht gelingen sollte, dass wir die Schulen an einen Tisch bekommen, dann ist sicherlich die Perspektive für ein Gymnasium oder die Sekundarstufe II bei den fünf Gemeinden, die nächsten zehn Jahre nicht erzielbar. Zusammen würde Hoffnung bestehen, auch mit Wutöschingen. Ich wünsche den Wutöschingern alles Gute. Vielleicht können sie Vorreiter von uns sein.
Wäre denkbar, mit Wutöschingen gemeinsam eine Sekundarstufe II anzubieten?
Natürlich bin ich allem gegenüber sehr, sehr offen, weil ich weiß, dass extrem viele unserer Kinder aus dem Landkreis herauspendeln, weil wir nicht genügend Kapazitäten und nicht den richtigen Standort haben. Somit bleibt uns gar nichts anderes übrig, als zusätzliche Busse in den Schwarzwald-Baarkreis oder in den Breisgau Hochschwarzwald fahren zu lassen.
Würden Sie als hiesiger Schüler nach Tiengen, Neustadt, Donaueschingen oder Wutöschingen fahren?
Glücklicherweise habe ich als Vater nicht mehr die Entscheidung. Ich würde unseren Kindern empfehlen, nach den Schulkonzepten zu wählen.
Fragen: Gudrun Deinzer