Bonndorf-Wellendingen Die Straße Schimmelgaß in Wellendingen ist eng, lang und so steil, dass nur sehr geübte Radfahrer Lust haben, bergauf zu fahren. Hoch oben sind vor einigen Jahren im „Wohnpark Wellendingen“ barrierefreie Einfamilienhäuschen entstanden, ganz auf die Bedürfnisse der älteren oder gehbehinderten Menschen zugeschnitten: wie die 85-jährige Ursula Kunz etwa. Sie ist altersbedingt auf einen Pflegedienst angewiesen. Seogiu Lee (64) leidet unter den Folgen einer Kinderlähmung, ihr Mann Bernd Mertileit (72) hat ein Problem am Herzen, und Armin Treib (64) kämpft seit einer Operation mit einer Wirbelsäulenverkrümmung. Nicht wenige Wohnpark-Bewohner können einen Schwerbehinderten-Ausweis vorzeigen.

So gar nicht zur Barrierefreiheit passt die Art und Weise, wie die Bewohner ihren Müll entsorgen sollen. Sechs Mietparteien in den fünf Häuschen teilen sich je eine Restmüll-, Bio- und Altpapiertonne. „Und die sind immer voll“, sagt Ursula Kunz. Sie sitzt für das Gespräch am Terrassentisch, dabei sind auch die Nachbarn, alle sind sauer. Denn schon seit 2022 müssen die Mieter die voluminösen Mülltonnen über mehrere hundert Meter die steile Schimmelgaß hinab bis zur Ecke Grimmstraße bringen. Doch in zweien der sechs Haushalte ist niemand in der Lage, die schweren Behälter zu bewegen. Die Nachbarn springen ein, aber auch sie haben große Schwierigkeiten, müssen Tonnen zu zweit schieben, es drohen Stürze. Bei Nässe oder Schnee wird es noch schlimmer. Der feuchte Biomüll ist so schwer, dass sich auch der gar nicht so zierliche Reporter mit seinem ganzen Gewicht gegen die mehreren Zentner stemmen muss, um den Behälter auf die zwei Räder zu kippen.

„Und wir werden nicht jünger“, gibt Seogiu Lee zu bedenken. „Früher kam das Müllauto den Berg heraufgefahren“, berichtet Ursula Kunz. „Wieso geht das heute nicht mehr?“ Die Einfahrt sei eng und die Fahrbahn schmal, gibt Armin Treib zu. Doch er hat selbst einen Lastwagen-Führerschein und sagt: „Ein Lkw-Fahrer, der das will, schafft es auch hier rauf.“ Sowieso kämen alle möglichen Fahrzeuge hochgefahren, Speditionen, die Straßenreinigung, der Rettungswagen.

Keine Antwort aus dem Rathaus

„Wozu zahlen wir Steuern und Müllgebühren?“, fragen alle. Die Schimmelgaß-Bewohner haben sich ans Landratsamt gewandt, sie haben an das Entsorgungsunternehmen Kühl geschrieben, das in Bonndorf die Müllfahrzeuge betreibt, sie haben die Gemeinde aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Mit den Rückmeldungen sind die Bewohner nicht zufrieden. Die Stadt Bonndorf habe ihnen gar nicht geantwortet. Das Bonndorfer Rathaus teilt auf Nachfrage der Redaktion lediglich mit, dass die Stadt bereits versucht habe, „vermittelnd zu unterstützen“. Zuständig sei aber der Landkreis Waldshut. Auskunftsfreudiger sind Elmar Weißenberger, Leiter des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft beim Kreis, und Carsten Dobias-Stöffelmaier, Geschäftsstellenleiter der Firma Kühl in Bonndorf. Es seien mehrfach Gespräche mit der Stadt Bonndorf über das Problem geführt worden, sagen sie. Die Verärgerung der Anwohner könnten sie gut verstehen. Beide sehen auch die Stadt in der Pflicht, diese müsse für die notwendige Infrastruktur sorgen.

Dass die Müllfahrzeuge nicht in die Schimmelgaß einfahren, liege nicht am fehlenden Willen, sondern an den Vorschriften der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG), erklären Weißenberger und Dobias-Stöffelmaier. Die BG will Unfälle verhüten, sie bestimmt, welche Risiken Fahrer eingehen dürfen. Da ist die Schimmelgaß ein schwieriger Fall, kann man aus der „DGUV-Information 214-033“ herauslesen. Die Einfahrt ist demnach zu eng. Die Fahrbahn sei außerdem zu schmal, drei Meter mindestens, schreibt die BG vor. Die Sackgasse hat keinen Wendehammer. Umdrehen wäre auf einem privaten Grundstück möglich, doch Müllfahrer dürfen sich nur auf öffentlichen Straßen bewegen. Rückwärtsfahren erlaubt die BG für maximal 150 Meter, aber bis ans Ende der Schimmelgaß ist es deutlich weiter.

Ausnahmen in Einzelfällen lässt die BG zwar zu, in der Schimmelgaß seien sie aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. „Wenn da ein Unfall passiert, müssten wir mit äußerst empfindlichen Geldstrafen rechnen“, sagt Dobias-Stöffelmaier, „unter Umständen droht dem Verantwortlichen eine Gefängnisstrafe.“ Unzumutbar für das Unternehmen, resümiert auch Elmar Weißenberger.

Die Straße sei zudem nicht ausreichend befestigt, fügt Dobias-Stöffelmaier hinzu. „Das ist nur Sand mit einer dünnen Teerdecke, dafür sind unsere Fahrzeuge mit 26 Tonnen zu schwer“, kritisiert er – erstaunt, dass das niemanden interessierte, als die Häuschen oben am Berg gebaut wurden. Ein kleineres Fahrzeug einzusetzen, sei nur theoretisch denkbar – so ein Wagen würde 150.000 Euro kosten und sich niemals rechnen. „Am Ende gibt man dann den Entsorgern die Schuld“, stellt Dobias-Stöffelmaier fest.

Warum die Müllwagen bis 2022 die Schimmelgaß hinaufgefahren seien, kann er nicht erklären – er selbst leitet die Geschäftsstelle in Bonndorf erst seit 2024. Probleme wie in Wellendingen lauerten vielerorts, sagt Dobias-Stöffelmeier, oft werde man erst nach einem gefährlichen Ereignis darauf aufmerksam. Eventuell erkläre sich ja in Wellendingen jemand bereit, das Herunterrollen der Tonnen zu übernehmen? Der Geschäftsstellenleiter hofft, dass zeitnah eine Lösung gefunden wird. Das hoffen die Schimmelgaß-Bewohner ebenfalls. Sie fassen allerdings bereits eine Klage ins Auge.