Bonndorf Eine Mischung aus erwartungsvoller Spannung und heiterer Gelassenheit herrschte im Eingangsbereich von Schloss Bonndorf beim Gastspiel der Truppe um Regisseurin Kami Manns zur Wiedereröffnung des Gebäudes nach – noch nicht ganz beendeter – Sanierung und Umbau. Gegeben wurde der von Bertolt Brecht im Alter von 19 Jahren verfasste Einakter „Die Hochzeit“.
Der junge Brecht entlarvt hier die kleinbürgerliche Scheinidylle. Der Brautvater setzt immer wieder dazu an, leicht pikante Anekdoten zum Besten zu geben, wird ständig unterbrochen. Die Braut erzählt stolz von den selbst gezimmerten Möbeln, die aber dem Realitätstest ebenso wenig standhalten wie die Beziehungen zwischen den Gästen der Hochzeitsgesellschaft. Das Brautpaar tanzt auffallend oft mit anderen Partnern, die Schwangerschaft der Braut wird offenbart, die Möbel zerbrechen aufgrund der Verwendung des falschen Leims – eine geniale Metapher übrigens –, der „schönste Tag im Leben“ gerät zum Fiasko.
Angekündigt war dieser Theaterabend am Freitag als interaktive Aufführung unter Mitwirkung des Publikums. Nun ist es nicht ganz einfach, ein Stück, das aufgrund der Urheberrechte nur unverändert gespielt werden darf, interaktiv zu gestalten. Aber Regisseurin Kami Manns, die selbst auch mitspielte, hatte sich da so einige raffinierte Regieschmankerl einfallen lassen, und ein Helferteam sorgte für die entsprechende Bewirtung. Die Gäste des Abends wurden gleich beim Eintritt mit Sekt und erlesenen Häppchen begrüßt, eine kleine Band spielte leicht jazzig angehauchte Stücke.
Nach und nach mischten sich die Schauspieler im Bonndorfer Schloss unter die Wartenden, begrüßten den Einen oder Anderen, dann Glockengeläut: das Brautpaar (Désirées Leers und Patrick Schmid) kam die Treppe herunter, die Braut warf den Brautstrauß ins Publikum, wie das so üblich ist, und die Gäste gingen, nachdem sie das Brautpaar beglückwünscht hatten, die Stufen zum Saal hinauf. Dort wartete die gedeckte, einen Mittelgang frei lassende Hochzeitstafel auf sie, an der sie Platz nahmen und mit Getränken und wiederum mit diversen Häppchen versorgt wurden.
Bespielt wurde hauptsächlich der Mittelgang. Die kleine Bühne, auf der die selbstgebauten Möbel standen, sowie die diversen Türen dienten für besonders hervorgehobene Momente. Der Vater der Braut (Michael Ihnow) war, offenbar aus seiner Wohnung, auf einem großen Bildschirm zugeschaltet; beim Zuprosten wurden die Gäste ebenso ausgiebig mit einbezogen wie später beim Tanzen. Das sich immer wieder gegenseitig Sticheleien zuwerfende Ehepaar aus der Hochzeitsrunde (Kami Manns und Johannes Sandrock) saß sich an der Tafel gegenüber, mitten unter den Zuschauern.
Die Stimmung wird schlechter
Der Freund des Bräutigams (Jan Da Rin) machte der Braut pantomimisch zum Spiel von Sologeigerin Salome Kaiser Avancen, und während die beiden tanzten, ging die übrige Hochzeitsgesellschaft in den Freeze. Die deutliche Verschlechterung der Stimmung wurde mit durch Musik unterbrochenes Schweigen und einzelne eher missglückte Versuche weiteren Zuprostens untermauert. Das Ganze gipfelte im Ausbruch des Bräutigams „Nun seid doch mal lustig!“, was indes lediglich ein Gefühl von Agonie hervorrief.
Darauf folgt der endgültige Zusammenbruch der Feier, der Leim beginnt zu riechen, die Schwangerschaft der Braut kommt ans Licht, in Zeitlupe ist der Ausbruch des gepiesackten Manns aus seinem siebenjährigen Ehekrieg inszeniert, während sich Braut und Bräutigam eine Verfolgungsjagd liefern, das junge Paar, das zuvor schon einmal verschwunden war, bricht hektisch auf, die Mutter des Bräutigams wird hinausgeführt, die allein gelassenen Brautleute machen sich gegenseitig Vorwürfe. Aber am Ende und nach ein paar Schnäpsen findet das frisch gebackene Ehepaar dann doch noch zur Hochzeitsnacht, das Leben geht weiter.
Großes Hallo mit nicht enden wollendem Applaus beim Schlussbild mit allen Schauspielern, Musikern, der Technik und den Helfern. Und dann, als Zugabe quasi, die Frage ins Publikum im Schloss von Bonndorf, ob sich jemand traut, sich vor Ort trauen zu lassen, und die Überraschung. Udo Eggi, langjähriger Mitarbeiter und sozusagen die gute Seele auf Schloss Bonndorf, und seine Frau lassen sich von der Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Kadelburg, Andrea Kaiser, trauen. Alle Anwesenden singen gemeinsam das Lied „Da berühren sich Himmel und Erde“ – also doch!