„Ist es nicht eine Pracht?!“ Strahlend vor Glück zeigt Silvia Hammelmann auf ihren Garten. Wie ein kleiner Park öffnet er sich hinter dem Haus in Urberg, mit schmalen gepflasterten Wegen, die sich den sanften Hang entlang winden, und kleinen Stufen, die von ihrem Eingang oben zum Reich ihrer fleißigen Gärtner in der Ferienwohnung unten führen. Seit März letzten Jahres sorgt ein Ehepaar aus der Ukraine liebevoll für die bunte Blütenpracht.

Damals wurde die 78-Jährige von ihrem Nachbarn angesprochen, ob sie nicht auch Flüchtlinge aufnehmen könnte. Der hatte eine Aktion gestartet, um eine 18-köpfige Gruppe, allesamt Angehörige und Freunde eines befreundeten Ukrainers, aus dem Kampfgebiet zu holen. So kam das Ehepaar Lukiancev, die 68-jährige Mariya und ihr 72-jähriger Ehemann Mikola, zu ihr ins Haus. „Ich habe die beiden ausgewählt, weil sie so tieftraurig wirkten, dass es mir geradewegs ans Herz ging“, erinnert sich Silvia Hammelmann.

Heute sagt sie überzeugt, dass es ihr am liebsten wäre, die beiden würden bleiben, auch wenn diese selbst davon träumen, irgendwann in die Heimat zurückzukehren. „Wenn die beiden wieder gehen, dann sehe ich alt aus“, erklärt Silvia Hammelmann, nicht allein deshalb, weil Mikola sich unermüdlich um das kleine Paradies rund um ihr Haus kümmert. Sie genießt auch, dass Mariya so leckere Gerichte aus ihrer Heimat kocht und sie nach dem Tod ihres Mannes vor sieben Jahren nun wieder Gesellschaft hat im Haus.

Anfangs sei es ihr gar nicht recht gewesen, meint sie, dass das Ehepaar ihr so viel half und sich dabei standhaft geweigert hatte, Geld anzunehmen. Aber ihr Nachbar und der 14-jährige Enkel des Paares, der auch in der Flüchtlingsgruppe gewesen sei und schon recht gut deutsch spreche, hätten ihr klar gemacht, dass den beiden die Arbeit dabei helfe, den Kopf freizubekommen, also versuche sie mittlerweile, ihnen wenigstens durch das ein oder andere Geschenk eine kleine Freude zu machen.

„Der Schrecken sitzt immer noch tief“, weiß sie zu berichten, das Paar reagiere sehr empfindlich, etwa auf Flugzeuglärm, und als das Patrozinium der Urberger Kirche mit morgendlichen Böllerschüssen eingeläutet wurde, seien sie ganz entsetzt aus dem Haus gerannt. „Am Anfang sind sie auch kaum aus dem Haus gegangen“, erzählt Silvia Hammelmann, aber inzwischen würden sie auch schon mal einen Spaziergang machen oder eine Einkaufstour mit ihr. Vor allem aber sei Mikola schon frühmorgens unterwegs, sammle Beeren und kümmere sich um ihr kleines Paradies, das doch recht viel Arbeit macht. Das Mähen sei da nur ein winziger Teil. All die Buchshecken habe er inzwischen ausgegraben, die Rabatten sorgsam mit Kieselsteinen eingefasst und etliche Büsche umgepflanzt. Zu Hause erzählt Mariya mit Hilfe des Übersetzungsprogramms auf dem Handy, das immer mit dabei ist, hatten sie keinen Garten gehabt.

Eine geradezu unglaubliche Vielfalt prägt diesen Garten. Knallig orangerote Lilien, eine Gruppe von Hortensien in weiß, blau und zartem Violett, dazwischen Beerensträucher, eine riesenhafte Tomatenpflanze, bunt gemischt langjährige Hecken und Sträucher, aber auch einjährige Sommerblüher beherbergt er. Und mitten drin sitzen drei Menschen, die offenkundig gut miteinander können. „Jeder spricht auf seine eigene Art, und wir verstehen uns“, übersetzt das Handy, was Mariya in ihrer Sprache formuliert hat. Und dann spricht sie nochmals lächelnd in ihr Handy, das dank der Technik in astreinem Deutsch erklärt: „Wir sind sehr dankbar, dass wir bei Silvia sein dürfen, und wir hoffen, dass eines Tages wieder Frieden herrscht und sie uns in der Ukraine besuchen kann.“