Dachsberg Mit dem „Improfieber“ begann Schauspieler David Leubner sein kleines Theaterfestival im Café zum Alten Engel in Urberg. Bei dem Stück lässt er sich größtenteils auf die Zurufe der Zuschauer ein und improvisiert daraus Szenen. Es folgte einen Tag später sein neues Stück „Horatio – die wahre Geschichte Hamlets“. Am Sonntag dann konnten sich die Zuschauer ein weiteres Mal vom „Improfieber“ anstecken lassen. Und am Montag spielte er seinen beliebten Dauerbrenner, Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“.

Als Doktor Stein Frank bringt David Leubner im Improfieber seine Zuschauer nicht nur zum herzlichen Lachen, sondern lässt sie so manche nachdenklichen Gedanken mit nach Hause nehmen. Dabei entwickelt er in der direkten Ansprache einzelner Personen aus dem Publikum spontane Witze, die sich durch den Abend ziehen. Vor allem aber lässt er sich durch Zuruf auf Vorgaben ein – seien es sich abwechselnde Gefühle oder Berufe, die er in fortlaufende Szenen verwandelt, oder auch Textlesungen aus einem beliebigen Buch, die er simultan in Gebärden umsetzt. Aus der Vorgabe eines Themas sowie eines Musikgenres fertigt er spontan ein Lied oder verwandelt eine Erzählsituation auf Klatschen des Publikums hin wechselweise immer wieder von glücklich in unglücklich.

Er sei immer auf der Suche nach dem Verständnis menschlicher Beziehungen, Gefühle, Handlungen, sagt Leubner im anschließenden Gespräch mit dieser Zeitung. Es fasziniere ihn, durch das Erleben verschiedener Personen, Situationen und Handlungsweisen in der Aneignung von Charakteren, Krümelchen für Krümelchen immer ein weiteres Stück der Welt verstehen zu lernen. Zudem möchte er erkennen, weshalb Menschen sind, wie sie sind. Und er möchte eine Ahnung vom Warum ihrer Handlungen bekommen, ihrer Gefühlsanwandlungen, auch ihrer offensichtlichen Fehler, die sie selbst nicht zu erkennen imstande sind. Deshalb sind auch immer wieder prekäre Charaktere wie Hamlet und Situationen wie das gegensätzliche Zusammentreffen eines abgestürzten Piloten und eines kleinen außerirdischen Prinzen mitten in der Wüste die bevorzugten Themen für seine Stücke. Leubner ist Absolvent der Theaterakademie Sachsens und Mitwirkender in verschiedenen Theaterprojekten Leipzigs. Sein besonderes Augenmerk liegt darauf, auch sozialen Randgruppen Theaterbesuche zu ermöglichen. Zusammen mit seinem Regisseur Bernd Guhr entwickelt er seit 2015 seine Ein-Mann-Stücke, neben „Horatio“, der „Kleine Prinz“ und seinem „Improfieber“ hat er auch den „Werther“ sowie die irische Tragikomödie „Kleingeld“ im Repertoire. In seiner Version des Hamlet entwirft er anhand des einzigen Überlebenden der Geschichte, Horatio, den Traum von einer friedlichen Revolution. Wie aktuell dieses Thema ist, wird deutlich, indem er immer wieder die Zeitebenen vermischt. Das schafft er etwa, indem er Horatio als Erfinder von Fake News charakterisiert, der mithilfe seiner Schauspieltruppe versucht, das Volk zu beeinflussen und zugleich den zögernden Hamlet zum Handeln zu bewegen.

Doch Hamlets Herz schlägt nicht für die Macht, sondern für das Theater und für Ophelia – private Interessen und Bindungen kollidieren mit denen der Politik. Als dann aber tatsächlich der Dänenkönig zum Protestantismus konvertiert und in einer neuen Verfassung in Dänemark die Republik proklamiert, ist es weder Horatio noch Hamlet, der dies bewerkstelligt hat, sondern Ophelias Bruder Laertes.

Mit einer riesigen Bandbreite an Gefühlen setzt David Leubner das Drama des revolutionären Denkers Horatio in Szene. Dessen im emphatischen Überschwang für die gute Sache eingesetzte fragliche Mittel werden immer wieder durch die Realität konterkariert. Das Drama besteht auch im treuen Begleiter Horatio und der Treue zu seinem Freund Hamlet. Der treibt ihn mit seiner Untätigkeit immer wieder zur schieren Verzweiflung und fordert Horatio auf, für ihn Liebesbriefe an seine angebetete Ophelia zu formulieren. So verliebt sich Horatio schließlich selbst unsterblich in sie. Hin- und hergerissen zwischen Freudentaumel und Verzweiflung nimmt Horatio Hamlet immer wieder das Versprechen ab, sich um seine Thronfolge zu kümmern.

Am Ende bleibt Horatio auch in dieser Version der Geschichte als Einziger übrig – im Ungewissen, ob er oder Hamlet der Vater von Ophelias Sohn ist. Und es bleibt die bittere Erkenntnis, dass er überlebt, weil er in Wahrheit der Sohn des norwegischen Tyrannen ist, der die friedliche Revolution Dänemarks mit dem Schwert im Keim erstickt hat.