Grenzach-Wyhlen Im Sommer vorigen Jahres begann der Bau der zweiten Wasserstoffproduktion auf dem Gelände des Wasserkraftwerkes Wyhlen. Nun steht das neue Gebäude im Rohbau. Polier Erik Seidel sprach beim Richtfest auf dem Dach den Richtspruch nach alter Tradition.
Für Bürgermeister Tobias Benz war dies Anlass, auf den Anfang der Wasserstoffproduktion in Wyhlen zurückzublicken. 2016 habe noch niemand die Bedeutung und den Umfang des damals angedachten Projektes überblicken können. Heute sei Wyhlen zu einem wichtigen Forschungsgasstandort für Wasserstoff geworden. Bald werde auch die Produktion eine bedeutsame Rolle spielen. Es habe sich als richtig erwiesen, den Mut zur Erweiterung aufzubringen – trotz etlicher Bedenken und Zweifel.
Benz sagte, er freue sich, dass Naturenergie Hochrhein insgesamt den Ausbau zum Energiecampus weiter betreiben werde und damit Zukunft des historisch bedeutsamen Wasserkraftwerks sichere. Mittlerweile finde dieses Vorhaben auch hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Er habe immer noch die Vision, Wasserstoff unmittelbar in der Gemeinde zu nutzen, eventuell im Linienbusbetrieb.
Michael Schwery, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Naturenergie Hochrhein, verwies darauf, dass – beginnend mit den Kraftübertragungswerken Rheinfelden über Energiedienst bis hin zur heutigen Naturenergie Hochrhein – die Unternehmen stets Pioniere bei der Weiterentwicklung von Energieerzeugung waren. Auch die neue Wyhlener Anlage werde dazu beitragen, wertvolle Erkenntnisse über die Wasserstoffgewinnung zu erlangen.
Wolfram Münch, Leiter Forschung und Entwicklung bei der EnBW, bezeichnete die gesamte Unternehmensgruppe als innovativ. Angesichts des vorgesehenen Baus neuer Gaskraftwerke werde auch die Wasserstoffgewinnung an Bedeutung zunehmen. Es sei erstrebenswert, künftig Wasserstoff aus Erdgas zu gewinnen. Deutschland sei angesichts des hohen Energieaufwandes bei der Wasserstoffproduktion nicht in der Lage, diesen Brennstoff selbst in ausreichender Menge herzustellen.
Im kommenden Jahr wird die neue Anlage funktionstüchtig sein, sodass die Wasserstofferzeugung beginnen kann. Der Elektrolyseur ist bereits ins Gebäude eingestellt. Er arbeitet nicht wie die alte Anlage auf Alkalibasis, sondern nach dem neueren PAM-Verfahren. Diese Anlage wird eine höhere Leistung als die bisherige erreichen, dennoch ist sie im Verhältnis zur Produktionskapazität kleiner. Möglich wurde dies, weil für diesen Bau Erfahrungen aus dem Betrieb der ersten Anlage umgesetzt wurden. Inzwischen ist klar, dass die Geräte insgesamt mehr komprimiert werden können.
Die im Jahr 2018 errichtete Power-to-Gas-Anlage lief nicht durchweg störungsfrei. Aber dank einiger Ergänzungen und Veränderungen vermittelte sie dennoch wertvolle Erfahrungen für die noch junge großindustrielle Herstellung von Wasserstoff. Die Anlage bringt es nun auf eine Leistung von einem Megawatt, dies reicht für etwa 150 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Wurde beim ersten Reallabor noch auf räumliche Großzügigkeit geachtet, so ist inzwischen eine höhere Dichte der Rohre, Reaktoren und Traggestellen möglich, ohne den Betrieb dadurch zu benachteiligen. Die Wyhlener Wasserstoffanlage gehört zu einem vom Land Baden-Württemberg geförderten Forschungsprojekt für die künftige Energieabsicherung.
Das Land strebt den Aufbau einer umfangreichen Wasserstofferzeugung an, um vor allem Ballungsgebiete und energieintensive Industriezweige damit zu versorgen. Die neue Produktionsanlage entsteht im Rahmen des staatlich geförderten Energiewende-Projekts „Reallabor H2-Wyhlen“. Der Bund unterstützt diesen Neubau mit 7,5 Millionen Euro.
Mit einer Leistung von fünf Megawatt kann die neue Produktionsanlage pro Jahr etwa 700 Tonnen Wasserstoff herstellen. Doch auch die Nachfrage muss sich erst entwickeln. So kaufen momentan diverse Kunden relativ kleine Mengen. Sowohl ein stabiles Vertriebsnetz als auch konstante Abnahmen sind noch aufzubauen. Es ist erst der Beginn einer derzeit noch jungen Energienutzung in der Industrie.