Die große Erleichterung sowie die Freude über die Nachricht, dass zum 1. April 2025 ein Frauenarzt im MVZ Klettgau praktizieren wird, fand ein jähes Ende. Die Absage des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung für den langersehnten Gynäkologen in Klettgau löste nicht nur bei der weiblichen Bevölkerung Frustration und Enttäuschung aus. Besonders in dem Wissen, dass sich an den langen Wartezeiten und den mitunter weiten, umständlichen Wegen im ländlichen Raum für Frauen nichts ändern wird.

Dabei hat die Gemeinde alle Bemühungen unternommen und mit Glück und Anstrengungen einen Facharzt gefunden, die Räumlichkeiten für den Bedarf einer Frauenarztpraxis umgebaut sowie für die notwendige Ausstattung gesorgt.

Bürgermeister kann Entscheidung nicht nachvollziehen

Darüber findet der Klettgauer Bürgermeister Ozan Topcuogullari klare Worte: „Es ist bedauerlich, dass die Zulassung durch die Kassenärztliche Vereinigung nicht erteilt wird und dadurch eine Verbesserung der medizinischen Versorgung im Ländlichen Raum mit einem Facharzt für Frauenheilkunde verhindert wird.“

Ozan Topcuogullari, Bürgermeister Klettgau.
Ozan Topcuogullari, Bürgermeister Klettgau. | Bild: Völk, Melanie

Er spricht von unzumutbaren Wartezeiten von mehreren Monaten für Vorsorgeuntersuchungen oder Behandlungen. Schwangeren würden lange Wartezeiten aufgedrückt. ‚Wir haben unter größten Anstrengungen eine Einigung mit einem Frauenarzt erzielt, der bereit ist, aus der Schweiz zurück nach Deutschland in unser MVZ zu kommen‘, berichtet der Bürgermeister und fügt hinzu: „Eigentlich müsste uns die Kassenärztliche Vereinigung dafür loben.“ Diese Absage sei für ihn absolut unverständlich. An der „realitätsfernen Zulassungspraxis“ müsse unbedingt etwas geändert werden, betont der Bürgermeister.

Warum gibt es keine Zulassung für den Gynäkologen?

Auf Nachfrage des SÜDKURIER bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) teilt deren Sprecher Kai Sonntag mit: „Zuständig für die Zulassungen und damit auch die Vergabe von Arztsitzen ist nicht die KV. Zuständig ist der Zulassungsausschuss. Dieser ist ein rechtlich selbstständiges Gremium, das zu gleichen Teilen aus Vertretern der Ärzteschaft und der Krankenkassen besteht.“ Nicht die KV lege fest, wie viele Ärzte sich niederlassen dürfen, sondern das sei bundesweit festgelegt.

Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart.
Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart. | Bild: Juergen Altmann

Der Gesetzgeber habe vor Jahren festgelegt, dass die Zahl der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte begrenzt werden soll, führt der KV-Sprecher aus. Daraus sei eine bundesweit gültige Systematik entstanden, die festlege, wie viele Ärzte einer Fachgruppe in einem bestimmten Bereich tätig sein dürfen. Die Systematik ergibt sich aus einem Arzt-Einwohnerschlüssel. Bei den Frauenärzten wird nur die weibliche Bevölkerung gezählt.

Ein Frauenarzt auf 6580 Patientinnen

„Diese Verhältniszahl liegt im Landkreis Waldshut bei 6580“, so Kai Sonntag. Demnach sei ein Versorgungsgrad von 100 Prozent erreicht, wenn auf 6580 weibliche Einwohner ein Frauenarzt in Vollzeit käme. Ein Versorgungsgrad sei bis zu 110 Prozent möglich, das ergäbe einen Saldo von zwei Frauenärzten in Vollzeit.

Wie viele Frauenärzte gibt es derzeit?

Nach der jüngsten Berechnung im Februar lag der Versorgungsgrad im Landkreis Waldshut bei 95,3 Prozent. Aktuell seien 20 Frauenärztinnen und -ärzte im Landkreis tätig. Hinzu kommen noch zwei ermächtigte Ärzte. Die KV betont explizit, dass es sich um eine Kopfzahl handelt. „Damit wird noch nicht ausgedrückt, in welchem Umfang sie tätig sind. Das können auch Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit sein.“

Ist noch ein Arztsitz im jeweiligen Landkreis frei, könne sich laut Kai Sonntag jeder darauf bewerben. Das gehe dann im Wesentlichen nach der Reihenfolge. In welchen Teil des Landkreises die verbliebene Frauenarzt-Stelle vor Kurzem vergeben wurde, wollte der KV-Sprecher auf Anfrage mit Verweis auf die nicht-öffentliche Sitzung des Zulassungsausschusses nicht mitteilen.

Wie geht es jetzt im MVZ weiter?

Die Gemeinde Klettgau wolle laut Bürgermeister Ozan Topcuogullari nicht aufgeben und werde alle Hebel in Bewegung setzen, um einen Sitz für einen Frauenarzt in Klettgau zu bekommen.

Das Medizinische Versorgungszentrum Klettgau im einstigen Rathaus in Grießen.
Das Medizinische Versorgungszentrum Klettgau im einstigen Rathaus in Grießen. | Bild: Nico Talenta

So lange ändert sich für Klettgauerinnen und viele Frauen in der Umgebung nichts zum Besseren. Stellvertretend für sie alle konstatiert Marie-Christine Spitznagel aus Klettgau-Bühl: „Die Absage ist eine absolute Katastrophe für uns. Wo sollen wir uns denn hinwenden?“