Theo Spitznagel, Grießener Alt-Lindenwirt, ist in seinem 101. Lebensjahr am 5. Juli gestorben. Er war ein Grießener durch und durch, hier geboren und aufgewachsen, hat er mit seiner Frau Rösel jahrzehntelang den renommierten Gasthof Linde, nebst einer Landwirtschaft, betrieben.

In seinem über 100 Jahre währenden Leben hat Theo Spitznagel viel erlebt und in seinen jungen Jahren Dramatisches am eigenen Leib erfahren. Seine Biografie würde reichlich Stoff für einen Roman oder einen Spielfilm liefern, der die Epoche der Kriegs- und Nachkriegsjahre mit all ihrer Dramaturgie erzählen würde und die Schicksale der damaligen Generation für immer prägte.

1924 in Grießen geboren, in der Marktstraße 4 aufgewachsen, wurde Theo Spitznagel mit 18 Jahren in den Krieg nach Russland geschickt. Davon erzählte er der Berichterstatterin, die ihn anlässlich seines 95. Geburtstages in der Linde besuchte und der diese Erzählung von seinen ersten Kriegserlebnissen, von denen er emotionslos und sachlich erzählte, immer in ihrer Erinnerung bleiben werden.

Als Kriegsgefangener auf dem Baumwollfeld

Mit der Landung der Alliierten wurde er an die Westfront abkommandiert, geriet in amerikanische Gefangenschaft, um dann als Kriegsgefangener in Arkansas zwei Jahre lang auf den Baumwollfeldern arbeiten zu müssen. 1946 wurden die US-Kriegsgefangenen nach England überstellt, Theo Spitznagel kam auf eine Farm, wo er zwei Jahre lang als Melker arbeitete, aber das Glück hatte, überaus gut von den dortigen Farmern behandelt zu werden. Mit ihnen hat sich sogar eine lebenslange Freundschaft entwickelt.

Endlich, mit 24 Jahren, durfte er 1948, drei Jahre nach Kriegsende, in die Heimat zurückkehren und sein Leben selbst gestalten. 1954 heiratete er die Grießener Wirtstochter Rösel, baute mit ihr ein neues, erfolgreiches Leben im Gasthof Linde auf. Wenig später bereicherten die beiden Töchter Ruth und Helga das Familienleben.

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„Viel Arbeit und wenig Schlaf“, so charakterisierte Theo Spitznagel seinerzeit das Wirte-Dasein, wobei er noch eine kleine Land- und Waldwirtschaft betrieb. Er war aktives Mitglied der Grießener Feuerwehr und, fleißig wie er war, hatte er noch Zeit für Hobbys wie die Rosenpflege, das Angeln am Rhein, die Imkerei sowie das Pilzesammeln.

Er liebte die Jassrunden am Stammtisch

Theo Spitznagel war ein beliebter Wirt, ein interessanter, belesener Gesprächspartner mit vielen Interessen. Ohnehin ein geselliger Mensch, so liebte er die Jassrunden am Stammtisch mit Freunden und pflegte seine vielen Kontakte. Die Familie Spitznagel wuchs im Laufe der Jahre um drei Enkel an, sie waren ein großes Glück und eine Bereicherung für ihre Großeltern.

Als 1994 das Schicksal zuschlug, seine Frau Rösel starb, entschied Theo Spitznagel den Gasthof zu schließen. Er fand Jahre später mit Gerda Einhart eine neue Lebensgefährtin, mit der er viele Reisen und Ausflüge unternahm. In dieser Zeit kamen zur großen Freude des Verstorbenen vier Urenkel auf die Welt. Wiederum schlug das Schicksal zu, die jüngste Tochter Helga starb 2019 und nur ein Jahr später seine Lebensgefährtin Gerda sowie seine Schwester Gisela.

2023 beschloss Theo Spitznagel die Linde zu verkaufen und zur Familie seiner Tochter Ruth in direkter Nachbarschaft zu ziehen. In seiner kleinen gemütlichen Wohnung fühlte er sich ausnehmend wohl, denn um ihn herum tobte das Familienleben mit Enkeln und Urenkeln. In deren Erinnerung wird er ein toller Opa und Uropa bleiben, vor allem deshalb, da er ihnen die Liebe zur Natur in vielerlei Hinsicht näherbrachte, sei es die Imkerei, die Pflege der Obstbäume, die Apfelernte und vieles andere mehr.

Seine Enkel profitieren vom Wissen über die Natur

Er ließ sie an seinem großen Wissen über die Natur teilhaben. Seine geliebten Enkel und Urenkel suchten gerne seine Gesellschaft und seinen Rat. Nach den Sparziergängen saß er oft auf seiner Bank im Hof und schaute mit Freude seinen Urenkeln beim Spielen zu. Jede Woche freute er sich schon im Voraus auf das Jassen in der Tagespflege.

So traurig sein Tod die Familie zurücklässt, eines tröstet sie: „Er konnte bis zum Ende seines langen Lebens ein selbstbestimmtes Leben führen.“

Theo Spitznagel wurde am Samstag, 2. August, auf dem Grießener Friedhof beigesetzt.

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