Das macht ihm so schnell niemand nach: Im Alter von 100 Jahren mit einem derart wachen Geist, mit großem Interesse das Zeitgeschehen verfolgen zu können und dies im Kreise der Familie, das ist nur wenigen vergönnt. Theo Spitznagel, der Grießener Alt-Lindenwirt, feierte am Montag, 18. November, seinen 100. Geburtstag.
Ein ganzes Jahrhundert Theo Spitznagel war zu feiern, deshalb machten namhafte Gäste wie der Klettgauer Bürgermeister Ozan Topcuogullari und eine Abordnung der Klettgauer Feuerwehr dem Jubilar ihre Aufwartung, verbunden mit vielen Glückwünschen und Präsenten.

Die Gäste erlebten an der gemütlichen Kaffeetafel einen Mann, von dem auch in diesem hohen Alter eine beeindruckende Ausstrahlung ausgeht, der noch viel zu sagen hat und viel zu erzählen weiß. Der Jubilar nutzte sogleich die Gelegenheit, um dem jüngst wieder gewählten Bürgermeister zu seinem „klaren und eindeutigen“ Wahlsieg zu gratulieren.
Ein Leben mit Höhen und Tiefen
Theo Spitznagel kann auf ein bewegtes Leben mit vielen Höhen und Tiefen zurückblicken. Seine Generation ist vom Krieg geprägt, dramatische und furchtbare Erlebnisse prägten den jungen Theo Spitznagel, der mit 18 Jahren 1942 in den Krieg ziehen musste. Von der russischen Ostfront wurde 1944 seine Einheit nach Frankreich abkommandiert, dort geriet der damals 20-Jährige in US-Gefangenschaft. Als Kriegsgefangener arbeitete er auf den Baumwollfeldern in Arkansas, zwei Jahre später, 1946, überstellten die Amerikaner ihre Gefangenen nach England. Dort arbeitete Theo Spitznagel auf einer Farm zwei Jahre lang als Melker, bis er endlich, 1948, nach Hause zurückkehren konnte.
Über diese „alten Kriegsgeschichten“ mag Theo Spitznagel nicht viel reden und doch „blitzt“ der Zweite Weltkrieg auch an seinem 100. Geburtstag auf.
Dennoch – Theo Spitznagel ist ein Mensch frei von jeglicher Bitterkeit, obwohl ihm die Weltgeschichte wie vielen anderen seiner Generation übel mitgespielt hat.
Mit seiner Frau Rösel, die er 1954 heiratete, betrieb er höchst erfolgreich die Grießener Dorfwirtschaft „Linde“, die beiden Töchter Helga und Ruth bereicherten im Laufe der Jahre die Familie. Aber seine Frau Rösel starb bereits 1994, ein weiterer schwerer Schicksalsschlag war der Tod seiner ältesten Tochter Helga im Alter von nur 62 Jahren. Nur ein Jahr später, 2020, verlor er seine Lebensgefährtin Gerda Einhart nach kurzer Krankheit.
Jassen, Zeitunglesen und ein Tipp fürs Älterwerden
Mit dem Verkauf der „Linde“ zog er zur Familie seiner Tochter Ruth, in deren Haus genau gegenüber seiner einstige Lebenswelt, in Sichtweite der Linde. Dort wohnt er in einer kleinen Wohnung und wird von Klaus und Ruth Fink liebevoll umsorgt. Zwei Nachmittage der Woche verbringt er voller Freude in der nahegelegenen Tagespflegestätte und frönt dort mit geübten Kartenspielern seiner Passion, dem Jassen.
An schönen Tagen sitzt er auf der Bank beim MVZ und beobachtet das Geschehen auf und entlang der Straße oder er genießt den Tag im Garten, wo er den Urenkeln beim Spielen zuschaut. Aber egal ob Sommer oder Winter das Zeitungslesen von Anfang bis Ende jeden Morgen ist für Theo Spitznagel ein Muss. Sein Rat an alle, die gesund alt werden möchten: „Nerven wie Drahtseile muss man haben.“