Herr Stoll, die Winzergenossenschaft ist Geschichte. Ist mit dem jüngsten Verkauf der Annahmestelle an der Erzinger Gartenstraße nun die Genossenschaft aufgelöst?
Noch befindet sich die Genossenschaft in der Liquidation, das Vermögen wurde aufgelöst, in diesem Fall wurde das Gebäude der Annahmestelle verkauft, jetzt haben potenzielle Gläubiger, von denen es meines Wissens keine gibt, noch bis zum Jahresende Zeit, ihre Forderungen zu stellen. Danach erst können laut Satzung die Mitglieder ausbezahlt werden.
Trauern Sie der Winzergenossenschaft Erzingen nach?
Ja sehr, vor allem aus Respekt vor der Weitsichtigkeit der Gründer, für deren Mut und die vielen Jahre dieser Erfolgsgeschichte. Und für ihren großen Einsatz zum Erhalt unserer Weinberge und somit unserer Kulturlandschaft.
Können Sie in Kürze die Ursachen der Auflösung der Genossenschaft für den Leser skizzieren?
Das ist dem großen gesellschaftlichen Wandel geschuldet. Weinbau im Nebenerwerb ist nicht mehr sehr lukrativ. Der bürokratische Aufwand ist viel zu hoch, abgesehen von der zusätzlichen Arbeit neben dem Beruf. Für die Genossenschaft waren zudem die Verwaltungskosten, die Versicherungen et cetera viel zu hoch, angesichts dessen, dass die Rebflächen der Genossenschaftswinzer stetig geringer wurden.
Wie geht es jetzt mit den „Genossenschaftswinzern“ weiter? Was verändert sich für sie?
Mit der Auflösung haben wir den Mitgliedern durch die Gründung des Winzervereins eine Alternative geboten. Sie können weiter ihre Rebflächen bewirtschaften, den Wein aber anderswo ausbauen lassen. Dazu hatten wir ein faires Angebot des Erzinger Weingutes Lorenz und Corina Keller (LCK). Dahin tendierten die meisten Genossenschaftsmitglieder, da er im Dorf bekannt ist und ein gutes Renommee genießt. Alle Mitglieder, die die Winzerei nicht aufgeben wollen, haben zu LCK gewechselt.
Das sichere Dach der Genossenschaft mit ihrem Solidaritätsprinzip ist nun auch verschwunden. Ebenso der Ausbau des Weines im Badischen Winzerkeller in Breisach. Auf was muss sich der Verbraucher einstellen?
Die Zusammenarbeit mit dem Badischen Weinkeller Breisach war immer hervorragend und unsere Weine hatten dort einen hohen Stellenwert. Nach wie vor bleibt es bei dem Namen Erzinger Kapellenberg, das Etikett wurde neu designt, die wesentlichen Merkmale wie die Bergkapelle sind nach wie vor auf dem Etikett abgebildet. Allerdings wird der Wein zukünftig in 0,75-Liter-Flaschen abgefüllt. Die Literflasche ist passé. Die Handschrift des Kellermeisters ist natürlich eine andere.
Wird es den Erzinger Kapellenberg weiterhin in gewohnter Form geben? Wird der Erzinger Kapellenberg teurer? Wie und wo wird er vermarktet?
Es wird auf jeden Fall spannend. Die Preise werden vermutlich etwas steigen. Vermarktet wird unser Wein vor Ort wie gewohnt in der Erzinger Weinhandlung Indlekofer. Zusätzlich über die Vereinsmitglieder. Aber die Vermarktung ist für uns wirklich Neuland. Der erste Auftritt ist die Erzinger Weinmesse, die genauen Vermarktungsmöglichkeiten müssen noch bis ins letzte Detail noch abgeklärt werden.
Was wird sich im Winzerdorf Erzingen verändern?
Eigentlich gar nichts. Die Rebflächen bleiben alle erhalten. Entweder werden sie von den Eigentümern noch bewirtschaftet oder sind an andere Winzerbetriebe verpachtet oder verkauft worden. Wir sind in der glücklichen Lage, dass jeder Quadratmeter Rebfläche erhalten bleibt.

Was zeichnet den Wein der einstigen Erzinger Genossenschaftswinzer aus? Was unterscheidet ihn vom Wein der Haupterwerbswinzer auf den Klettgauer Südhängen?
Der Nebenerwerbswinzer ist sein eigener Chef, der in den Weinbergen alle Arbeiten selbst erledigt. Und das mit großer Liebe zum Detail. Er verfügt über große Erfahrung und kennt jeden einzelnen Rebstock. Das liegt sicherlich auch daran, dass dessen Fläche viel geringer ist. Für die großen Weinbaubetriebe wird es immer schwieriger, erfahrene Mitarbeiter zu finden und sie müssen auf angelernte Saisonkräfte zurückgreifen. Auch das wird immer komplizierter und bürokratischer.
Wie sieht es mit dem anderen Aushängeschild, dem Winzerfest aus? Der Standort bei der Grundschule scheint nicht optimal, da zu klein und beengt. Gibt es dazu neue Ideen und Überlegungen?
Der Standort ist sicher schwieriger, aber das Fest ist endlich wieder mitten ins Dorf zurückgekehrt. Das Festgelände bei der Grundschule ist begrenzt und stellt einige Herausforderungen dar. Es gibt noch einige knifflige Dinge zu klären und zu ändern. Fragen sind die Art der Ausstattung, der Standort der Bühne, wie mehr Platz schaffen für die Zuschauer und andere mehr. Die Motivation der Festgemeinschaft ist jedoch sehr hoch, es gilt das Fest im Dorf mit innovativen Ideen weiterzuentwickeln.
Wo kann man mehr über den neuen Winzerverein erfahren?
Wir werden uns erstmals an der Weinmesse am Sonntag, 13. April, in der Erzinger Gemeindehalle mit unseren ersten Jahrgangsweinen, ausgebaut von LCK, präsentieren: ein Müller-Thurgau, ein Spätburgunder Rosé und ein Spätburgunder Rotwein. Außerdem haben wir noch ein kleines Kontingent von Weinen, die vom Badischen Winzerkeller Breisach gekeltert wurden. Und selbstverständlich stehen wir den Besuchern gerne Rede und Antwort.