
Die Reben sind längst aus dem Winterschlaf erwacht, und somit ist auch die Pause für die Genossenschaftswinzer aus Erzingen vorbei. Für sie heißt es nun: Schneiden und Biegen, was das Zeug hält. Im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt deren Vorsitzender, Martin Stoll, wie ein Winzerjahr abseits der oft thematisierten Lese im Herbst aussieht.
Frühjahr: Planungszeit und Schnitt
„Der Rebstock ist eine starkwüchsige rankende Pflanze. Will man Ertrag, muss man sie absolut zurückschneiden, der Rebstock will das so“, so der Vorsitzende der Winzergenossenschaft Erzingen.

Für die Winzer bedeutet dies also, Schneiden und Rutenbiegen, um so den Grundstein für die Qualität und Menge der kommenden Lese zu legen. „Wir lassen eine Frucht- und eine Frostrute stehen, diese ist so gesehen eine biologische Versicherung, falls ein Frühjahrsfrost kommt. Aus diesen Ruten ziehen wir zehn bis 14 Triebe, an denen später die Trauben dran sind“, erklärt Stoll.

Nach dem Schnitt geht es an das Rutenbiegen. Die Rebe möchte gerne hoch hinaus, für den Winzer ist aber ein gleichmäßiger Austrieb wichtig. „Die Fruchtruten werden von senkrecht stehend in die Länge am Draht entlang gezogen. Das nennt sich Spaliererziehung, wenn sie in einer Höhe erzogen werden“, erklärt er.

Ebenso wird im Frühjahr – wenn nicht schon geschehen – ein Düngeplan aufgestellt und das Begrünungsmanagement und der Pflanzenschutz geplant.
Sommer: Die heiße Phase
Der Sommer ist die Zeit der Rebenerziehung und gleichzeitig die heiße Phase. „Die Blütenkäppchen an den Gescheinen werden abgeworfen und die Rebenblüte beginnt“, so Stoll. In dieser Zeit seien die Blätter und das Geschein, hieraus entwickelt sich später die Traube, welche die einzelnen Beeren trägt, besonders anfällig für Pilzerkrankungen.
„Das Wetter während dieser acht Tage ist sehr entscheidend für den Ablauf der Blüte. Regen oder Kälte können die Bestäubung stören und somit verkümmern die unbefruchteten Blüten“, führt der Vorsitzende der Winzergenossenschaft Erzingen aus.
Gleichzeitig werden nur die schönsten Triebe stehen gelassen, alles andere werde weggebrochen. „Wir passen uns dem Rhythmus des Rebstocks an. Wir sind die Begleiter des Wachstums, lichten das Blattwerk aus und bringen die Triebe in das gewünschte Stadium der Spaliererziehung“, erklärt er.
Herbst: Die Olympiade
Wer in einem Winzerdorf wie Klettgau-Erzingen aufwächst, bemerkt die Arbeiten vor allem im Herbst: Traktoren rollen durch das Dorf, beladen mit schweren Bottichen auf dem Hänger.
Und der ein oder andere fragt sich dennoch, was denn das für ein ständiges „Knallen“ ist, das durch das Dorf schallt. Das ist die Zeit, wenn rund um den Erzinger Kappellenberg die Trauben gelesen werden.
„Das Herbsten ist die Olympiade, sozusagen die Weltmeisterschaft, im Winzerjahr“, erklärt Stoll. Im vergangenen Jahr wurde nur zwei Tage gelesen, denn „die Ernte ist klein ausgefallen“.

Reihe um Reihe werden die Trauben mit der Rebschere vom Rebstock getrennt, was verfault ist, kommt nicht in den Eimer – hier wird bereits selektiert. Vom kleinen grünen Eimer geht es in die Butte und anschließend in den großen Bottich.
Da die Genossenschaft den Wein nicht selbst ausbaut, kommen die Trauben im Anschluss zur Annahmestation. Die Bottiche werden einzeln gewogen, ihr Mostgewicht – der Zuckergehalt der Trauben – bestimmt und ein Lieferschein erstellt. „Dieser ist die Grundlage, für welchen Weinausbau die Trauben in der Kellerei geeignet sind“, betont Martin Stoll.
Winter: Die Ruhephase
Für die Genossenschaftswinzer und den Rebstock gilt der Winter als Verschnaufpause. „Gerade nach so einem Jahr, in dem wir durch den Falschen Mehltau erhebliche Einbußen hatten, tut ein wenig Abstand zu den Reben immer gut“, resümiert der Vorsitzende.
Hier zeige sich der Vorteil einer Genossenschaft: Die Außenarbeiten ruhen, in der Kellerei hingegen reifen die Weine, die nun ihre Struktur und Aromatik entfalten, und die Winzer und Kellermeister treffen wichtige Entscheidungen darüber, in welche Richtung sich die Jungweine entwickeln sollen.

„Je größer die Betriebe, desto früher muss mit dem Rebschnitt begonnen werden. Für Großbetriebe ist tatsächlich der Winter zur neuen Arbeitsspitze geworden“, berichtet er. Doch mit ihrer kleinen Fläche von fünf Hektar in Erzingen, wird lediglich der Rebberg in den Wintermonaten beurteilt: Wie gut reift das Holz aus? Wie sieht der Boden aus? Wie steht es um die Begrünung? All diese Fragen haben Einfluss auf den kommenden Jahrgang.