Vom Haspel aus reicht der Blick bis weit über die Rheinschleife hinaus, außerdem befindet sich dort „ruhigste Straße“ Waldshuts. „Von der Altstadt bis in die Maria-Theresia-Straße sind es rund 80 bis 90 Höhenmeter“, erklärt Günter Hermle, dessen Elternhaus noch heute auf dem Haspel steht. Ein Einfamilienhaus in der Maria-Theresia-Straße, welches vom Gehweg aus nur den Blick auf das Ober- und Dachgeschoss zulässt.

Ein großzügiges Gebäude, wie er es beschreibt, das noch weitere zwei Stockwerke nach unten ragt. Dieses Haus steht wohl sinnbildlich für die Gebäudetypen im Quartier: Einfamilienhäuser am Hang gelegen, die auf der einen oder anderen Seite durch Treppchen erreichbar sind.
Quartiersserie
Doch unser Spaziergang beginnt an einem anderen Ort: Vom Viehmarktplatz aus, verschaffen wir uns einen ersten Überblick über das Gebiet. Vom Wald umschlungen, so scheint es von hier unten. Den Blick in Richtung Bundesstraße gerichtet, fährt Günter Hermles Hand von West nach Ost. „Von hier aus gesehen befindet sich im westlichen Teil der Großteil des Haspels – die Obere und Untere Haspelstraße, die Maria-Theresia-Straße und die Albert-Rudolf-Straße“, erklärt Hermle. In östlicher Richtung gelegen, lassen sich einzelne Häuser am Lindenbuck und in der Waldtorstraße erahnen.

Die Geschichte des Haspels reicht weit zurück – jedoch wurde es nicht als Wohngebiet bekannt, sondern als das Weinanbaugebiet Waldshuts. Mit dieser Zeile wird der Haspel im alten Waldshuter Heimatlied „Alte Waldstadt-Herrlichkeit“ besungen: „Vom Spittelwald zu Hab‘rers Trott, da wuchsen unsre Reben“, zitiert Hermle. Bis zum 14. Jahrhundert lässt sich der Weinanbau in dieser Gegend zurückverfolgen, sein Ende fand er in der Mitte des 19. Jahrhunderts. „Der Wein soll nicht besonders gut gewesen sein“, bemerkt Hermle lachend. Doch dies sei nicht der Grund für den Rückgang gewesen, sondern die Möglichkeit, durch den Ausbau der Eisenbahnstrecke billigere Weine zu importieren.
„Zwischen dem 1870er-Krieg und dem Ersten Weltkrieg wurden hier oben die ersten Häuser gebaut“, erklärt der Zimmermeister, der sich viel mit der Heimatgeschichte auseinandersetzte. „Man hat dort oben angefangen zu bauen, weil man sich ruhige Ecken gesucht hat. Die Abgeschiedenheit vom Trubel in der Stadt, von der Eisenbahn, später von der Bundesstraße – davon wollte man sich erholen und außerdem war unter in der Stadt vieles vergeben, so hat sich Waldshut in Richtung der Hänge ausgedehnt“, weiß Hermle.

Der erste Anstieg beginnt und führt uns am evangelischen Kindergarten vorbei in die Untere Haspelstraße. Zu unserer Rechten erstreckt sich ein längliches Gebäude. Damals wurden hier die Beamten einquartiert, „denn Waldshut war schon immer eine Verwaltungsstadt“. Weiter nach oben geht es auf dem „Schlangenweg“, der seinen Namen durch seine serpentinenartige Form erhalten hat. Ein offizieller Weg, auf dem die Menschen bereits seit langer Zeit rauf und runtergehen.

Das Leben auf dem Haspel bedeutet für die Kinder nicht nur in der Natur zu leben, sondern auch einen längeren Schulweg vor sich zu haben. Als Günter Hermle die heutige Wirtschaftsschule besuchte, lagen zweieinhalb Kilometer vom Haspel herunter auf seiner Strecke. Am Lindenbuck angekommen, stoßen wir bereits auf das zweite Wasserreservoir.

Die Doppelstadt ist nicht nur reich an Flüssen, sondern auch an unterirdischen Quellen, erklärt Hermle. „Hier oben hat man eine Quelle nach der anderen. Das Wasser wird aus dem Berg gedrückt, gefasst und in das Reservoir geleitet“, so Hermle, der viele Jahre in der Erwachsenenbildung tätig war und Projekte rund um den Wald und Biotope geleitet hat.
Am Rande des Lindenbucks stoßen wir auf einen Sportplatz, der früher zur „Sipo-Kaserne“ gehörte. Eine ehemalige Polizeikaserne in der Waldtorstraße, die heute das Jobcenter beheimatet.

„In meiner Kindheit war das hier der Treffpunkt. Von hier aus konnten wir sogar mit den Schlitten in Richtung Stadt fahren. Die Bebauung fing am Lindenbuck erst in den 1950er Jahren an“, erinnert sich Günter Hermle. Ein großer Bogen durch den Haspelwald bringt uns in Richtung des Schmitzinger Tals, bis der Boden lehmig wird und wir am „Forellenbächle“ ankommen. Dieses schlängelt sich entlang des Seltenbachs, der gleichzeitig die Grenze des Haspelwalds bildet.

In der Waldtorstraße haben wir endlichen wieder festen Boden unter den Füßen und wir laufen entlang der „Sipo-Kaserne“ in Richtung des Panoramawegs. Dieser führt oberhalb am ganzen Areal entlang und zeigt, wie wenige Häuser am Waldrand stehen. „Vom Wald aus gesehen, ist der Lindenbuck nicht mit dem Oberen Haspel verbunden. Das liegt daran, dass das Gebiet dazwischen in Privatbesitz ist“, berichtet der gelernte Zimmermeister. Seit seiner Kindheit habe sich hier oben nicht mehr viel getan.
Unterhalb des Panoramawegs sei noch Bebauung gewesen, doch der Haspelwald liege da, unberührt, seit eh und je. Neue Baugebiete hier oben – dies könne er sich nicht vorstellen.
Nach einem langen Fußmarsch und Matsch an den Schuhen kommen wir am Haspelhäuschen an. „Die Waldshuter kennen das Haspelhäuschen. Früher wurde es öfters genutzt, da sind die Familien am Sonntag mit ihren Kindern laufen gegangen. Heute trifft man vereinzelt Fußgänger hier oben und auch Bekannte“, berichtet der Zimmermeister.

Denn auch wenn er heute nicht mehr auf dem Haspel wohne, komme er gerne zum Spazierengehen hier her. Ob es auch viele Wanderer in den Haspelwald verschlägt? „Nein, dieser Wald wird hauptsächlich von den Waldshutern als Freizeitgelände genutzt. Hier oben kennt man sich“, antwortet er. Nach den dritten Neujahrswünschen, die an Günter Hermle gerichtet wurden, verwundert das nicht. Und so gilt auch heute auf dem Haspel noch das Motto: „Einfach raus, eine Runde drehen.“
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