Kunstvoll geschmiedete Gitter, historisches Fachwerk, bunte Bleiglasfenster und sogar ein Türmchen: Die historische Pfeiffer-Villa am Fuß der Stockacher Kirchhalde wirkt ein wenig so, als wäre sie direkt aus dem Märchenbuch gefallen. Seit es um das Jahr 1900 herum gebaut wurde, ist das historische Gebäude in Familienbesitz, doch das soll sich nun ändern.
Seit einiger Zeit weist ein Plakat am schmiedeeisernen Eingangstor darauf hin, dass die Villa verkauft werden soll. Birgit Pfeiffer-Buchbinder ist mit ihren beiden Geschwistern in dem Haus aufgewachsen. „Unser Vater hing sehr an dem Haus. Wir sehen das etwas nüchterner“, berichtet sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Alle drei Geschwister leben inzwischen nicht mehr in Stockach und keiner von ihnen wollte das Haus für sich. Hinzu komme ein gewisser Renovierungsaufwand. „So kam für uns die Entscheidung, dass es das beste ist, es zu verkaufen“, sagt Pfeiffer-Buchbinder.

Sehnsuchtsort der Klassenkameraden
Bei einem Rundgang durch das historische Gebäude gibt sie spannende Einblicke, die in den vergangenen 125 Jahren nur wenigen Stockachern zuteil wurden. „In der Schule wurde ich früher immer gefragt, was im Turm ist, und wenn Freunde zum ersten Mal zu Besuch kamen, dann wollten sie auch immer unbedingt in den Turm“, berichtet Birgit Pfeiffer-Buchbinder mit einem verschmitzten Grinsen.
Der ein oder andere dürfte bei seinem Besuch aber enttäuscht worden sein, denn der markante Gebäudeteil beherbergt nicht etwa ein verwunschenes Dornröschenzimmer, sondern lediglich eine Wendeltreppe, die in die beiden oberen Stockwerke und nach unten in den Keller führt. Im zweiten Obergeschoss haben früher die Lehrlinge gewohnt, berichtet Pfeiffer-Buchbinder. Fließendes Wasser: Fehlanzeige. Dafür fühlt man sich mit historischen Türen, Tapeten und zum Teil bauzeitlichen Fenstern fast in eine andere Zeit zurückversetzt.
Nach dem Krieg wurde das Gebäude zur Kommandantur
Ein Stockwerk weiter unten waren früher die Wohnräume der Familie. „Hier haben meine Eltern und Großeltern gelebt“, sagt Pfeiffer-Buchbinder. Beim Gang durch die hohen und großzügig geschnittenen Räume knarzen die historischen Holzdielen unter dem Teppichboden. Doch schon der erste Blick offenbart: Hier wurde zwischendurch schon mal renoviert. „Theoretisch könnte hier eine oberflächliche Renovierung schon ausreichen, um es wieder bewohnbar zu machen“, sagt Pfeiffer-Buchbinder.
Die knarzenden Dielen, die typisch für so ein altes Gebäude sind, rufen bei Birgit Pfeiffer-Buchbinder die bewegte Geschichte des Gemäuers in Erinnerung. „Nach dem Zweiten Weltkrieg war hier die französische Kommandantur untergebracht“, sagt sie. Die französischen Streitkräfte hatten hier also einen wichtigen Stützpunkt für ihre Verwaltung eingerichtet. Ihre Großeltern hätten oft von dieser Zeit erzählt und berichtet, wie die Familie dadurch im Haus zusammenrücken musste.
Ganz früher habe es noch Raucherzimmer, Speisezimmer und Salon gegeben, heute haben die Wohnräume keine solchen extravaganten Bezeichnungen mehr.

Warum der Kaufpreis täuschen kann
Im Gewölbekeller steht noch der alte Firmentresor. Hinter einer alten Metalltür mit zwei großen Riegeln ist Raum für einen Weinkeller.
All das ist jetzt für 849.000 Euro zu haben. Für eine 125 Jahre alte Stadtvilla mit 15 Zimmern scheint der Preis nicht allzu hoch zu sein, doch wer hier ein Schnäppchen vermutet, sollte vorsichtig sein. Denn wie Achim Niss, Geschäftsführer von Blufink-Immobilien verrät. „Man muss mit Renovierungskosten in Höhe von rund 800.000 Euro bis 1,5 Millionen Euro rechnen“, sagt er.

Schnell kann der Preis für das Gebäude damit insgesamt auf rund 2,35 Millionen Euro steigen. Findet man für so ein Objekt in diesen Zeiten überhaupt noch einen Käufer? Niess zeigt sich optimistisch. „Es ist schon eine Herausforderung, aber es gibt Personen, für die der Kauf eines solchen Gebäudes steuerlich Sinn macht.“ Denn aufgrund des Denkmalschutzes können die Renovierungskosten steuerlich geltend gemacht werden, zudem seien im Rahmen der Sanierung der Oberstadt Zuschüsse im hohen fünfstelligen Bereich möglich.
Es soll etwas Gutes entstehen
Laut Niess wäre es problemlos möglich, fünf Wohnungen im Gebäude selbst sowie oberhalb der separaten Garagen unterzubringen. Auch eine Anwaltskanzlei, einen Notar oder Ähnliches könnte man sich in dem Gebäude vorstellen. „Wir wollen, dass hier etwas Ordentliches entsteht, dafür muss man sich auch Zeit lassen“, sagt Niess. Birgit Pfeiffer-Buchbinder ergänzt: „Ich freue mich natürlich, wenn es schön renoviert wird. Das wäre auch im Sinne meiner Eltern. Mein Vater hätte es schrecklich gefunden, wenn das Haus abgerissen worden wäre.“