Der geplante Gebetsraum des Vereins Al Rahma in einer Lagerhalle sorgt in Schmitzingen zunehmend für Unruhe. Die Sorgen der Anwohner sind groß – und auch der Unmut über den Ortschaftsrat, der das Vorhaben mehrheitlich unterstützt. Ortsvorsteher Paul Granacher sieht das Projekt kritisch. Al Rahma hat derweil beim Nutzungskonzept und der geplanten Nutzerzahl erheblich Abstriche gemacht.

Das sind die Sorgen der Gegner

Bei einem gemeinsamen Treffen mit unserer Zeitung stellen Ulrike und Enrico Seemann, Gerhard Cienciala und Bernhard Granacher, stellvertretend für viele weitere Anwohner, deren Sorgen sehr deutlich dar. Es geht um eine große Bandbreite an Themen, wie sie sagen.

„Die Gefahr, dass entlang der Fahrbahn geparkte Fahrzeuge bei einem Notfall Einsatzkräfte behindern könnten, ist nicht von der Hand zu weisen“, nennt Cienciala eines der Bedenken. Ulrike Seemann, die mit ihrer Familie unmittelbar neben der bisherigen Lagerhalle lebt, befürchtet massive Lärmbelästigungen, gerade an den Wochenenden. Dies gelte erst recht, wenn tatsächlich Gebetszeiten ab 3.30 Uhr angeboten werden, wie dies im Bauantrag dargestellt werde. „Das wäre eine Zumutung für alle umliegenden Anwohner“, betont auch ihr Ehemann Enrico Seemann.

„Al Rahma hat viel Vertrauen verspielt“

Das bisherige Vorgehen des Vereins Al Rahma habe zudem wenig dazu beigetragen, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen, wie sie darstellen: Kontakte zwischen den Vereinsmitgliedern und den Dorfbewohnern gebe es praktisch keine – auch weil kein einziger Vereinsvertreter im Ort lebe, so die Anwohner. Entgegen früherer Ankündigungen gebe es auch keine direkten Gespräche oder sonstigen Austausch.

Bei einer Versammlung im Februar, bei der Al Rahma das Projekt öffentlich präsentierte, seien die Vereinsvertreter gerade bei Detailfragen auffällig zurückhaltend gewesen oder hätten sich in Widersprüche verstrickt, so der Eindruck der Anwohner. „Statt Klarheit zu erhalten, fühlte man sich hinterher eher getäuscht“, bringt Bernhard Granacher seinen Unmut auf den Punkt.

Petition gegen Gebetsraum und Unverständnis über Ortschaftsrat

Mit ihren Sorgen wissen sich die Anwohner nicht allein. Um das Vorhaben aufzuhalten, haben sie eine Petition gestartet, die von etwa 190 Menschen unterschrieben worden sei und inzwischen beim Petitionsausschuss des Landtags eingereicht wurde, so Ulrike Seemann. Mehr als 150 davon seien Schmitzinger gewesen.

Umso ernüchternder sei laut Seemann die Haltung des Schmitzinger Ortschaftsrats gewesen, der sich in seiner Sitzung vom 12. Mai mit 4:1 Stimmen für das Vorhaben ausgesprochen hatte: „Nicht nur wurden unsere Bedenken abgetan, auch unsere Initiative wurde schlecht gemacht“, kritisiert Seemann.

Ortsvorsteher Granacher positioniert sich eindeutig

Die einzige Gegenstimme in jener Sitzung stammte von Ortsvorsteher Paul Granacher, der die Bürgergruppe zum Gespräch mit unserer Zeitung begleitet: „Ich stehe voll und ganz hinter den Bürgern. Wir sind eine kleine Gemeinschaft und wollen gut und friedlich zusammenleben. Wir sind sehr hilfsbereit und sozial. Aber alles hat Grenzen.“

Dass im Ort Sprachkurse für Migranten angeboten werden, dass die Navi-Klasse für problematische Schüler und etwa 20 Wohnungslose in Schmitzingen eine Unterkunft haben, sei deutliches Zeichen für die Offenheit des Dorfes und seiner Bürger, so Granacher. Wenn aber ein Verein jede Woche mit etwa 200 Mitgliedern Treffen abhalte, sei das für einen Ort mit etwa 380 Einwohnern nicht mehr verhältnismäßig: „Es kann einfach nicht alles nach Schmitzingen verlagert werden.“

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Da die Mitglieder von Al Rahma Beobachtungen zufolge ohnehin aus dem weiten Umkreis zu den Gebetstreffen anreisten, die bislang im Feuerwehrhaus stattgefunden haben, stimmen Ortsvorsteher und Anwohner darin überein, dass ein zentralerer Versammlungsort für die Mitglieder wesentlich wünschenswerter wäre.

So beurteilt der Verein Al Rahma die Dinge

Die Befürchtungen kann der Verein Al Rahma derweil nicht so recht nachvollziehen, und sieht darin auch eher „subjektives Empfinden“ als fundierte Kritik, wie es Vereinssprecher Moataz Khaddam-Aljameh auf Nachfrage darstellt. Dass es Aktionen gegen das Vorhaben gebe, insbesondere die Petition, respektiere der Verein: „Bedauerlich ist jedoch, dass nie der direkte Kontakt zu uns gesucht wurde, obwohl wir bei Sitzungen anwesend waren und unsere Kontaktdaten mehrfach öffentlich gemacht haben.“

Unterdessen habe der Verein seine Planung deutlich reduziert: „Was wir planen, kommt funktional einer kleinen Kapelle gleich: ein einziges Gebet pro Woche am Nachmittag, ohne Veranstaltungen, Lärm oder Verkehr.“ Konkret suche der Verein demnach lediglich einen Ort für das Freitagsgebet sowie ein wöchentliches Samstagstreffen. Alle anderen geplanten Gebete, darunter auch die beiden Festgebete anlässlich des Opfer- oder des Zuckerfestes, seien „aus Rücksicht auf die Gemeinde“ inzwischen aus der Planung gestrichen worden.

Dieses Entgegenkommen werde nicht nur von der Mehrheit des Ortschaftsrats geschätzt, so Khaddam-Aljameh: „Unsere bisherigen Erfahrungen mit den Menschen in Schmitzingen waren durchweg positiv.“ Das bestärke den Verein in seiner Planung. Bisher sei Al Rahma in Lauchringen in einem Untergeschoss untergebracht. Hierbei handle es sich aber um eine temporäre Angelegenheit, so Khaddam-Aljameh: „Schmitzingen ist ideal gelegen und in mehrfacher Hinsicht die passende Lösung.“ Mit einer Erteilung des Bauantrags rechnet der Verein in den nächsten Wochen.

Das sagt die Stadtverwaltung

Ob diese Erwartung erfüllt werden kann, ist noch offen. Wegen des sogenannten Stillhalteabkommens sei die Entscheidung über den Bauantrag auszusetzen, bis der Petitionsausschuss des Landtages über die dort eingereichte Petition entschieden habe, schildert Tanja Schmid von der Stadtverwaltung Waldshut-Tiengen. Das Baurechtsamt erwäge allerdings, eine Ausnahme zu beantragen, sobald der Bauantrag entscheidungsreif sei. Das sei unter anderem dann möglich, wenn überwiegende Interessen eines Dritten betroffen seien, so Schmid weiter.

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Dass Al Rahma inzwischen den Bauantrag betreffend des Nutzungskonzepts geändert habe, bestätigt die Stadtverwaltung: „Für das Freitagsgebet ist derzeit eine maximale Teilnehmerzahl von 100 Personen vorgesehen. An anderen Tagen variiert die Nutzung.“ Zu Schulungen, die samstags stattfinden sollen, werden bis zu 80 Personen erwartet, sonntags etwa 12 bis 15 Personen zu Vorstandssitzungen.

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Was den Standort anbelangt, habe die Stadtverwaltung keine Handhabe, etwas anderes vorzuschlagen, so Schmid. Allerdings werden die in einer Baugenehmigung festgelegten Bedingungen vom Baurechtsamt überwacht – stichprobenartig oder auch aufgrund von Hinweisen auf Verstöße. Können Abweichungen nachgewiesen werden, habe dies Konsequenzen, verdeutlicht Schmid: „Dazu zählen unter anderem Auflagen, Bußgelder oder im Einzelfall auch die Untersagung einer Nutzung.“