Sie kamen nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland, aus Ostpreußen oder Schlesien und suchten als Heimatvertriebene und Flüchtlinge aus ehemaligen Gebieten des Deutschen Reiches ein neues Zuhause. Und so wie heute mussten die Städte und Gemeinden jeweils eine bestimmte Anzahl an Flüchtlingen unterbringen. Deutsche zwar, aber eben auch Fremde.

Der damalige Reichenauer Bürgermeister Karl Beck hatte 1949 die Idee, für den erforderlichen Häuslebau ein kleines Waldstück auf dem Festland roden zu lassen. So entstand die Reichenauer Waldsiedlung. Im Herbst 1951 wurden die ersten Siedler-Häuser bezogen, „in der ersten Reihe“, dem heutigen Buchbrünnleweg.

Das waren im Jahr 1951 die ersten beiden Häuser in der Waldsiedlung im heutigen Buchbrünnleweg, die Aufnahme wurde aber von der heutigen ...
Das waren im Jahr 1951 die ersten beiden Häuser in der Waldsiedlung im heutigen Buchbrünnleweg, die Aufnahme wurde aber von der heutigen Karl-Beck-Straße aus gemacht. Im rechten Haus ist Hans-Jürgen Penkert aufgewachsen und lebt dort bis heute. | Bild: Archiv/Sammlung Werner Runge

Die Siedlung wuchs in den folgenden Jahrzehnten. Und es entwickelte sich schon bald ein recht reges Dorfleben mit einigen Vereinen. So ist es kein Zufall, dass auch das 2026 anstehende 75-Jahr-Jubiläum vor allem von den vier Waldsiedler Vereinen organisiert wird. Wobei Projektleiterin Britta Sauer-Böhm betont, die Festlichkeiten seien nicht auf die Vereine beschränkt.

Noch steht die Planung ganz am Anfang

Alle Interessierten seien willkommen, sich mit Ideen und Engagement einzubringen. Es gebe bisher ein Organisationsteam mit Vertretern der Vereine, der Grundschule und des Kindergartens, das sich zweimal getroffen habe. Wini Maubach, Vorsitzender des Siedlervereins, betont: „Wir sind noch ganz am Anfang.“

Hans-Jürgen Penkert, Vorsitzender des Fußballvereins Reichenau-Waldsiedlung, erklärt, es sei bisher nur der grobe Rahmen festgelegt. Und sein Sohn Robin Penkert, Schriftführer beim FSV, fügt an: „Grundsätzlich ist der Plan, dass wir für alle Generationen etwas machen.“ Und: „Es soll nicht nur ein Fest werden, bei dem wir Waldsiedler arbeiten.“

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Der grobe Rahmen sehe so aus, dass es vom 25. September bis 4. Oktober 2026 einige Aktionen geben solle, so Britta Sauer-Böhm. Zur Eröffnung der Festlichkeiten sei ein Jubiläumsabend in der Pfaffenmooshalle geplant – mit Ansprachen, aber auch mit Unterhaltungsprogramm wie Musik oder humorvollen Beiträgen. Danach soll es einen Festsonntag geben, mit Gottesdienst zu Beginn, Bürgermusik Reichenau und Mittagessen.

Parallel dazu sei eine Ausstellung zur Geschichte der Waldsiedlung geplant. „In welcher Form, ist noch in der Diskussion“, so die Projektleiterin. Das hänge letztlich auch davon ab, wer die Ausstellung organisiert und was es alles an Zeitzeugnissen gebe. Zum Abschluss sei am zweiten Jubiläumswochenende ein Partyabend geplant. „Ein Fest, wo wir Veranstalter selbst feiern – mit freiwilligen Helfern, die nicht aus unseren Reihen kommen“, so Britta Sauer-Böhm.

Livebands oder ein DJ? Alle Ideen sind willkommen

Aber auch hier sei noch vieles offen, etwa ob Livebands spielen oder ein DJ auflegt. Schule und Kindergarten sollen sich zudem mit eigenen Festen zum Thema beteiligen, wobei das nicht unbedingt innerhalb der Jubiläumswoche sein müsse. Weitere Aktionen in der Festwoche, in der die Pfaffenmooshalle ohnehin entsprechend hergerichtet und bestuhlt sei, seien denkbar.

Außerdem sind laut Sauer-Böhm Führungen zur Geschichte der Waldsiedlung geplant – am ersten Festwochenende oder auch unter der Woche. Da gehe es vermutlich um die ersten Häuser, die weiteren Bauabschnitte, die erste Schule, die heute Kindergarten ist, und anderes mehr. Wini Maubach weiß: „Es gibt viele lustige Geschichten aus früheren Zeiten.“ Hans-Jürgen Penkert nennt als Beispiel aus der Historie die ersten Feste in der Waldsiedlung.

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Das Waldfest in den 1960er-Jahren sei damals eines der größten in der Region gewesen. „Da war richtig was los.“ Und in etlichen Wohnhäusern hätten die Familien früher im Erdgeschoss nebenbei einen Bierverkauf oder kleinen Laden betrieben. Britta Sauer-Böhm fügt an, dass es mit der Gardinenfabrik Dema damals auch einen wichtigen Arbeitgeber in der Waldsiedlung gab. Eins der Fabrikgebäude wurde in den 1990er-Jahren zur Pfaffenmooshalle umgebaut, die nun zum Zentrum der Festlichkeiten wird.

Zum 75-Jährigen solle es auch wieder eine gedruckte Festschrift geben, so Sauer-Böhm. Dazu wolle man die Festschrift zum 50-Jahr-Jubiläum entsprechend aktualisieren. Früher hatten die Waldsiedler auch einen eigenen Badeplatz am See, das Görigloch, das dann wegen der Erweiterung des Naturschutzgebiets Wollmatinger Ried aufgegeben werden musste, und bis 1982 sogar einen eigenen Bahnhaltepunkt.

Die Ur-Waldsiedler werden immer weniger

Die Gemeinde Reichenau solle sich natürlich am Jubiläum beteiligen, so die Projektleiterin. Bürgermeister Wolfgang Zoll habe zugesagt, sich darum zu kümmern. Doch dieser verabschiedet sich bekanntlich Anfang 2026 von der Gemeinde. Da müsse man erst mal abwarten, bis sich Nachfolger oder Nachfolgerin ein bisschen eingelebt haben, um dann das Gespräch zu suchen, so Britta Sauer-Böhm. Informiert habe man aber schon mal die neue Geschäftsleitung des Eigenbetriebs Kultur, Marketing, Tourismus.

Von den Ur-Waldsiedlern, die Anfang der 1950er-Jahre ihr Häuschen bezogen, leben nur noch wenige – vor allem Leute, die damals Kinder waren. Dazu gehört Werner Runge, der lange Präsident des Narrenvereins Pfaffenmooser war und bis 2001 einen kleinen Supermarkt in der Waldsiedlung betrieb. Die ursprünglichen Siedler, vor allem aber deren Nachkommen machen heute vielleicht noch circa 20 Prozent aus, schätzen die Vereinsvertreter.

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So wie der 63-jährige Hans-Jürgen Penkert, der noch im früheren Elternhaus wohnt, das eines der ersten war, die bezogen wurden. Interessant ist auch, dass die Waldsiedlung in den ersten Jahrzehnten praktisch stetig wuchs. Beim 50-Jahr-Jubiläum lag die Einwohnerzahl bei 768. Aktuell sind es laut Reichenauer Ordnungsamt nur noch 637. Britta Sauer-Böhm erklärt dies damit, dass es in den vergangenen 25 Jahren kein Neubaugebiet mehr gegeben habe. Zugleich seien viele mittlerweile erwachsene Kinder weggezogen.