Es ist tatsächlich erst knapp neun Monate her, seit wir gemeinsam mit meiner Freundin Frederike Magjar und ihrer Familie beschlossen haben, als Versuch für sechs Wochen bei unseren Einkäufen auf unnötige Plastikverpackungen zu verzichten. Wir, das sind mein Mann, meine zwei Kinder und ich. Unser Einkaufsverhalten hat sich schon lange nicht mehr wirklich gut angefühlt.
Zu viel Müll, zu viel Plastik um unser Essen herum und immer mal wieder Schlagzeilen, wie eben dieses unser alltägliches Leben im Griff hat. Die Bilder von den verdreckten Meeren kennen wir ja alle mittlerweile. Aber irgendwie denkt unsereins ja immer „wenn ich das allein mache, bringt das ja nicht viel“ oder „ich achte ja schon soweit ich kann darauf“.
Erster Einkauf war sehr ernüchternd
Trotzdem wollten wir es einfach mal „antesten“. Der erste Einkauf in einem eigentlich gut sortierten Lebensmittelgeschäft war sehr ernüchternd. Milch und Joghurt gibt es im Glas. Obst und Gemüse klappt auch gut ohne Verpackung. Spätestens aber bei den Nudeln kommt man zum ersten Mal in die Bedrängnis. Produkte wie Schokolade, Chips und Co. gibt es so gut wie gar nicht in plastikfreier Verpackung.

Und selbst die Besuche in Bio- und Naturkostläden waren eher enttäuschend. Um die Wursttheken sind wir sicher drei- bis viermal herumgeschlichen, bevor wir uns getraut haben, nachzufragen, ob wir unsere Waren in die mitgebrachten Tupperbehälter bekommen. Die viel gelobten Unverpacktläden gibt es hier leider nicht.
Also war Umdenken gefragt. Tatsächlich waren trotzdem die Erfolge schnell sichtbar. Wohl auch, da sich in dieser doch eher kurzen Zeit relativ viel in den Einkaufsläden in der Region getan hat. Immer mehr Produkte werden in alternativen Verpackungen angeboten. Die Geschäfte mit Frischetheken sind mittlerweile fast alle offen für mitgebrachte Behälter. Unsere Anzahl der gelben Säcke schrumpfte von vormals gut vier bis sechs Stück pro Monat immer weiter. Jedes Mal, wenn wir wieder eine verpackungsfreie Variante oder Alternative gefunden hatten, haben wir uns unglaublich gefreut.

Aus einem Versuch wurde eine Einstellung. Schon nach gut vier Wochen Testphase war klar, wir machen weiter. Es war nicht nur der Verzicht auf Plastik, der uns überzeugt hat. Unser Einkaufsverhalten wurde bewusster und stressfreier. Impulskäufe und Lockangebote waren kein Thema mehr und so blieb auch die Haushaltskasse im Gleichgewicht.
Man muss ehrlich sagen, dass einige Produkte nicht unbedingt günstiger sind, nur weil der Hersteller an der Verpackung sparen konnte. Aber es gibt mittlerweile in fast allen Discountern zu vielen Lebensmitteln eine Alternative zur Plastik-Verpackung. Auch Wochenmärkte sind vom Preis-Leistungs-Verhältnis sehr zu empfehlen. Und man geht tatsächlich viel bewusster mit Lebensmitteln um.
Konsumverhalten steht im Fokus
Selbst unsere Kinder sind überzeugt von der neuen Lebensart, auch wenn sie im Sommer immer mal wieder mit einem in Plastik verpackten Eis entdeckt wurden und wir darauf angesprochen wurden. Gerade im Hinblick auf unser Konsumverhalten stehen wir jetzt wohl etwas mehr im Fokus, aber das ist in Ordnung.
Ziemlich zeitgleich mit Beginn unseres Selbstversuchs wurde die Berichterstattung zu dem Thema in den Medien mehr und die Redakteurin Kerstin Mommsen aus Friedrichshafen startete mit ihrer „Plastikfrei“-Serie im SÜDKURIER über ihre Erfahrungen mit dem Verzicht auf Plastik. Ich glaube, das war auch mit ein Grund, warum wir oft angesprochen wurden, wie man denn hier – im ländlichen Raum- umstellen kann.
Thema ist vielen Menschen wichtig
Es gibt doch mehr Menschen als man zunächst denkt, denen das Thema genauso wichtig ist. Mit Susanne Böger und Jürgen Fesser hatten wir schnell zwei weitere „Motoren“ gefunden, die gemeinsam mit uns etwas auf die Beine stellen wollten. Die Grundidee der Initiative „Plastikfrei in Küssaberg“ entstand.
Ziel war zunächst, eine Informationsveranstaltung zu organisieren, für alle, die das Thema genauso umtreibt. Oft fehlt es einfach an Impulsen, um erste Versuche zu starten. Diese wollten wir dort geben. Viel Unterstützung haben wir hier von Kerstin Mommsen bekommen, die sich nach unserer Kontaktaufnahme sofort bereit erklärt hat, zu der Informationsveranstaltung zu kommen und von ihren Erfahrungen zu berichten.

Der Abend war dann tatsächlich ein voller Erfolg. Mit mehr als Besuchern und vielen interessanten Gesprächen wurden unsere Erwartungen absolut übertroffen. Der Startschuss für unsere Initiative „Plastikfrei in Küssaberg war hiermit offiziell gegeben und wir haben schon einiges erreicht.
Der Hintergrund
Plastikfrei ist ein sehr dehnbarer Begriff. Oft wird bei den Mitgliedern der Initiative Plastikfrei in Küssaberg nachgefragt „was meint Ihr damit genau?“ Es sei hier ganz klar gesagt, dass Plastikprodukte wohl heutzutage aus unserem Alltag nicht mehr wegzureden sind. In unseren Autos sind viele Teile aus dem Material verbaut, Lego und Playmobil sind schwer aus dem Kinderzimmer zu verbannen und solche Beispiele gibt es in unserem Umfeld zuhauf. In den verschmutzten Meeren, am Straßenrand oder den Flussufern finden sich diese Produkte auch eher selten. Aber die Einwegprodukte, die Verpackungen von Obst und Gemüse, Café to go-Becher, Zigarettenkippen und vieles mehr machen der Natur und uns mittlerweile das Leben schwerer. Und genau da kommt die Initiative Plastikfrei in Küssaberg ins Spiel, die auch Impulse geben will.
Die Erfolge und Pläne der Initiative
Die Initiative Plastikfrei in Küssaberg will in ihrer Gemeinde auf die Problematik aufmerksam machen, inspirieren und informieren. Seit dem Start durch die Organisation der Informationsveranstaltung im Juni hat sich schon einiges getan.
- Newsletter: Gleich zu Beginn startete das Team mit einem Newsletter. Alle ein bis zwei Monate informiert dieser interessierteBürger über Küssabergs Grenzen hinaus über Neues im Landkreis zu dem Thema, Tipps inklusive.
- Saubermachen: Die Initiative „Plastikfrei in Küssaberg“ hat mit einer kleinen Gruppe am ersten Rhine Clean Up Day teilgenommen. Alle Städte und Gemeinden entlang des Rheins – von der Quelle bis zur Mündung- wurden aufgerufen, am 15. September das Ufer zu reinigen. Küssaberg war neben 59 weiteren Städten und Gemeinden dabei.
- Vereine machen mit: Im November stellte sich die Initiative im Rahmen der jährlichen Sitzung des Sport- und Kulturausschuss den örtlichen Vereinen vor. Die großen Veranstaltungen der Gemeinde sind zu diesem Thema schon lange gut aufgestellt und verwenden weitgehend Leihgeschirr. Allerdings findet sich bei kleineren Veranstaltungen oft noch das langlebige Einwegplastik in Form von Milchdöschen, Strohhalmen oder Trinkbechern. Die Initiative will sich dafür einsetzen, dass auch diese Plastikverpackungen bald der Vergangenheit angehören. Erste Vereine haben sich bereits gemeldet und spontan angefangen, umzustellen. Statt Pet-Flaschen gibt es nur noch Glasflaschen oder das Knabbergebäck aus der Plastikschale wurde beispielsweise abgeschafft.
- Gemeinde lobt Engagement: Küssabergs Bürgermeister Manfred Weber ist froh über die Arbeit der Initiative: „Jede Plastikverpackung, die wir vermeiden können, hilft unserer Umwelt. Die Küssaberger Initiative setzt mit großem Engagement auf Überzeugungsarbeit, ohne belehrend zu wirken. Das kommt in der Bevölkerung und bei unseren Vereinen gut an und wird auch von der Gemeinde gerne unterstützt.“
- Auszeichnung: Erfolg hatte die Initiative bei der Aktion „Helfer mit Herz“ des Drogeriemarkts DM. Hier überzeugte die Initiative mit dem Aufruf zum Verzicht auf Plastiktüten und gewann so 600 Euro zugunsten des Waldkindergartens, der von der evangelischen Kirchengemeinde Küssaberg betrieben wird. Der nach den „kleinen Forscher“ zertifizierte Kindergarten legt viel Wert auf einen nachhaltigen Umgang mit Resourcen und prägt so den Nachwuchs für einen bewussten Umgang mit der Natur. „Sie sind die Konsumenten von morgen“, sagen die Mitglieder.
- Weitere Ideen für die Zukunft: Ein Mitglied der Initiative prüft, ob die Plastikbeutel für das Aufsammeln von Hundekot durch eine umweltschonende Alternative ersetzt werden kann. Dies wäre ein großer Schritt, jährlich werden in Küssaberg 13 500 Hundekotbeutel verteilt und in 4000 Plastiksäcken zur Entsorgung gesammelt. Inspirationen sammelt ein Mitglied in ganz Deutschland.
Wer mehr über die Initiative wissen möchte, kann sich gerne per E-Mail an die Gruppe wenden (plastikfreiinküssaberg@gmx.de) oder an einem der Stammtisch-Termine vorbei kommen.