Raus aus dem Verkehr, rauf auf den Verkehrsübungsplatz. So lautet das Motto ab nächstem Jahr für die Schüler, die ihre Radfahrausbildung im Landkreis Waldshut absolvieren werden. Denn das Schuljahr 2018/19 ist das letzte, auf dem die Schüler ihre Radfahrkompetenzen ausschließlich auf der Straße aufbauen dürfen. Der Landkreis und die Kreisverkehrswacht Waldshut sehen sich dadurch mit immensen Kosten konfrontiert.
Was ist die Radfahrausbildung?
Die Radfahrausbildung gehört fest zum Lehrplan der vierten Klassen der Grundschulen und soll Kinder zu einer sicheren Teilnahme im Straßenverkehr befähigen. Während die Schulen den theoretischen Teil übernehmen, übernimmt die Kreisverkehrswacht und die Polizei die praktische Ausbildung. Die Radfahrausbildung sieht vier Praxiseinheiten von mindestens 90 Minuten vor.

Was ändert sich ab dem Schuljahr 2019/2020?
Bisher wurde die Radfahrausbildung im Landkreis Waldshut unter Aufsicht der Polizei beziehungsweise der Verkehrswacht auf der Straße durchgeführt. Nach der Überarbeitung der Verwaltungsvorschrift Radfahrausbildung vom Kultus- und Innenministerium des Landes Baden-Württemberg im vergangenen Jahr dürfen die ersten beiden Übungseinheiten nur noch auf einem Verkehrsübungsplatz – im sogenannten "Schonraum" – stattfinden. Bisher hatten die Übungen nach einer Absprache des Landkreis Waldshut, der Polizei und der Kreisverkehrswacht Waldshut auf der Straße stattgefunden, erklärt die Vorsitzende der Kreisverkehrswacht, Michaela Jehle, auf Anfrage dieser Zeitung. Ab dem Schuljahr 2019/2020 ist das nicht mehr möglich. Für die kommenden Schuljahre müssen nun zwingend Verkehrsübungsplätze gebaut werden, um die Radfahrausbildung weiterhin zu gewährleisten.

Wer muss die Plätze bauen?
Wer für den Bau und die Finanzierung der benötigten Verkehrsübungsplätze zuständig ist, ist nicht ganz eindeutig. "Die Zuständigkeit wird differenziert gesehen, aus Sicht der Landkreisverwaltung ist diese nicht eindeutig gesetzlich normiert",erklärt ein Sprecher des Landratsamts auf Nachfrage dieser Zeitung. Aus diesem Hintergrund könne eine Finanzierung nur sichergestellt werden, wenn mehrere beteiligte Akteure zusammenkommen, so das Landratsamt.
Was kosten die Übungsplätze?
Ein stationärer Übungsplatz wird voraussichtlich einen siebenstelligen Betrag kosten. "Nur der Platz mit der Straße und den Verkehrsschildern liegt bei rund 550 000 Euro, das dazu benötigte Gebäude mit Toiletten und einem Schulungsraum bei rund 790 000 Euro", erklärt Michaele Jehle von der Kreisverkehrswacht. Ein mobiler Übungsplatz, also ein geeigneter Platz, der temporär in einen Verkehrsübungsplatz umgewandelt werden kann, koste nur rund 300 000 Euro. Dieser habe jedoch nicht die Qualität einer stationären Anlage. "Für die Kollegen bedeutet der mobile Platz auch mehr Aufwand", so Jehle. Außerdem könne nicht jeder Parkplatz einfach in einen Übungsplatz verwandelt werden. Auch hier braucht es zum Beispiel ein Gebäude mit Toiletten für die Kinder, erklärt die Vorsitzende. Vom Land gibt es Fördergelder in Höhe von 30 000 Euro.

Welche Standorte sind im Gespräch?
Mögliche Standorte sind Bad Säckingen für einen mobilen Übungsplatz und Wutöschingen für einen stationären Übungsplatz, sagt Jehle. Die Gemeinde Wutöschingen hat der Verkehrswacht bereits ein passendes Gelände angeboten. "Das ist ein riesiges Entgegenkommen von der Gemeinde", sagt die Vorsitzende. Zwei Übungsplätze seien wichtig, da der Landkreis zu groß für nur einen Übungsplatz ist. "Wenn die Kinder aus Todtmoos nach Wutöschingen fahren müssten, wäre das ja eine halbe Weltreise", erklärt Jehle.

Wie funktioniert es in anderen Landkreisen?
Alle anderen Landkreise nutzen bereits Verkehrsübungsplätze, so Michaela Jehle. "In Baden-Württemberg gibt es neben Waldshut keinen einzigen Landkreis mehr, der keinen Verkehrsübungsplatz hat." Außerdem gebe es keine alte Anlage, sodass man hier bei null anfangen muss, erklärt Jehle.
Stimmen zur Einrichtung der Verkehrsübungsplätze
- Sabine Hartmann-Müller, CDU-Landtagsabgeordnete: „Die bislang zugesagten Fördergelder in Höhe von 30 000 Euro sind zwar besser als nichts, sie decken jedoch nicht die Kosten für den Bau zweier möglicher Übungsplätze“. Derzeit führe sie mit der Landesregierung Gespräche über weitere finanzielle Zuschüsse. Außerdem wünsche sie sich flexiblere Regelungen. „Gerade für die ländlichen Räume wie den Hochrhein mit seiner besonderen Topographie“, so Hartmann-Müller.
- Pressetestelle des Landratsamts: „Wir brauchen eine weitere Übergangszeit. Da die Ausbildung aus unsere Sicht bisher dank dem Engagement der Polizei gut funktioniert hat, sehen wir keine zwingende Notwendigkeit vom bekannten und bewährtem Konzept zwingend abzuweichen, zumal die finanziellen Folgen erheblich und bisher nicht gelöst sind.“
- Bernhard Müller, Referent für Verkehrsprävention des Polizeipräsidiums Freiburg:„Der Schonraum hat Vorteile: Im Realverkehr können die Kinder nicht so viele Verkehrssituationen trainieren wie auf dem Platz. Dort kommt es zu den verschiedensten Möglichkeiten, solche Situationen kann man in echt kaum heraufbeschwören.“ Er ist sich sicher: „Die breitere Ausbildung bekommen die Grundschüler auf dem Übungsplatz.“