Wenn ein schwerer Unfall geschieht, oder in einem Haus Feuer ausbricht, erwarten Betroffene naturgemäß, dass ihnen möglichst zeitnah von der Feuerwehr geholfen wird – egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit sich der Vorfall ereignet. Es gibt sogar einen festgelegten gesetzlichen Rahmen: Innerhalb von zehn Minuten müssen demnach Feuerwehrleute in einer dem Ereignisgeschehen angemessenen Anzahl am Ort des Notfalls eingetroffen sein.

Tagesverfügbarkeit gilt als „heißes Eisen“

Dass es tagsüber durchaus Probleme geben kann, genügend Feuerwehrleute in einen Einsatz zu schicken, daraus macht Kreisbrandmeister Dominik Rotzinger keinen Hehl: „Die meisten Feuerwehrleute sind berufstätig.“ Und die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt führe dazu, dass einzelne Kameraden bis zu 100 Kilometer zu ihrem Arbeitsort pendeln oder unter der Woche anderswo wohnen. An ihrem Wohnort sind sie somit insbesondere tagsüber für die Feuerwehr nicht verfügbar.

Wie groß die personellen Engpässe unter tags sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. In den dörflichen Gegenden des Landkreises seien diese deutlicher zu spüren, wie Rotzinger sagt: „Dort gibt es nur selten größere Arbeitgeber, folglich arbeiten viele Feuerwehrleute außerhalb.“

„Selbst wenn wir wirklich ideale Voraussetzungen hätten und personell aus dem Vollen schöpfen können, könnten wir ein richtiges ...
„Selbst wenn wir wirklich ideale Voraussetzungen hätten und personell aus dem Vollen schöpfen können, könnten wir ein richtiges Großereignis aus eigener Kraft zu bewältigen“, sagt Tobias Förster, Stadtkommandant Bad Säckingen. | Bild: Brigitte Chymo

Andreas Kaiser, Gesamtkommandant der Feuerwehr Wutach, kennt derartige Probleme nur zu gut: „Wir haben in der Gemeinde keine großen Industriebetriebe, und auch die Landwirte sind nicht mehr in der großen Zahl für die Feuerwehr verfügbar, wie früher. Das bekommen wir natürlich zu spüren.“ Denn der Großteil der Feuerwehrleute der 1200-Einwohner-Gemeinde arbeitet außerhalb – der Kommandant eingeschlossen: „Ich arbeite aber nur etwa acht Kilometer von meinem Wohnort Ewattingen entfernt. Im Notfall bin ich aber schnell vor Ort.“

Doch auch die Städte und Gemeinden entlang der Hochrheinschiene, wo es durchaus größere Firmen gibt, haben Probleme. Diese sind vor allem infrastruktureller Natur, erklärt Dominik Rotzinger: „Dort haben wir eine erhebliche Verkehrsproblematik.“ Das heißt konkret: Es gibt zwar genügend verfügbares Personal, doch das kommt gerade zu den Stoßzeiten nicht schnell genug zum Feuerwehrgerätehaus.

Wenn Feuerwehrleute während der Arbeitszeit zum Einsatz müssen

„Wir können gewährleisten, dass in kurzer Zeit mindestens ein Löschfahrzeug mit ausreichend Personal bestückt ist, um effektiv ...
„Wir können gewährleisten, dass in kurzer Zeit mindestens ein Löschfahrzeug mit ausreichend Personal bestückt ist, um effektiv etwas ausrichten zu können“, sagt Andreas Kaiser, Gesamtkommandant Wutach. | Bild: Stefan Limberger-Andris

Bad Säckingens Stadtkommandant Tobias Förster hat in seinem Zuständigkeitsbereich beide Problemlagen, wie er darstellt: „Die Ortsteile Harpolingen und Rippolingen sind praktisch reine Wohnorte, wo tagsüber wenig Feuerwehrleute verfügbar sind.“ Derweil hätten es die Kameraden schwer, in möglichst kurzer Zeit die Feuerwehrgerätehäuser in Obersäckingen und Wallbach zu erreichen, weil es insbesondere in der Feierabendzeit, aber auch morgens, zu Staus komme, die sich kaum umfahren ließen.

So reagieren die Feuerwehren auf die Herausforderungen

Die Probleme in der Tagesverfügbarkeit seien indes „nicht ganz neu“, sagen die Feuerwehr-Verantwortlichen. Und es gebe eine ganze Reihe von Maßnahmen, die getroffen werden, um die flächendeckende Einsatzfähigkeit der Feuerwehren im Landkreis zu gewährleisten.

Regelmäßig alle fünf Jahre gibt es eine groß angelegte Analyse des Ist-Zustandes, der Schutzziele und auch der Bedarfe, die erfüllt werden müssen, um diese Ziele zu erreichen. All dies findet dann in der Brandschutzbedarfsplanung der Gemeinden ihren Niederschlag.

Im Fall der Gemeinde Wutach heißt das: Abhängig von der Größe eines Schadensereignisses werden nicht nur automatisch alle drei Ortsteilwehren der Gemeinde alarmiert, sondern auch die umliegenden Feuerwehren, insbesondere der Nachbarkommune Bonndorf, so Andreas Kaiser. Zudem sei es gelungen, drei Mitarbeiter der Gemeinde für die Mitgliedschaft in der Feuerwehr zu begeistern: „Damit können wir gewährleisten, dass in kurzer Zeit ein Löschfahrzeug mit ausreichend Personal bestückt ist, um effektiv etwas ausrichten zu können“, so Kaiser.

Doppelmitgliedschaften – Ein Feuerwehrmann in zwei Abteilungen

In der Stadt Bad Säckingen wurde derweil der Gerätehausstandort in Obersäckingen gefestigt und modernisiert. Zugleich ist die Feuerwehr dabei, in Wallbach ein neues Gerätehaus zu planen, wodurch die Versorgung der Kernstadt und des westlichen Ortsteils nachhaltig gesichert werden kann: „Gerade die Kameraden, die im Bad Säckinger Gewerbegebiet Trottäcker arbeiten, sind schneller in Wallbach als am östlichen Stadtende. Dadurch entsteht gerade tagsüber eine erhebliche Erleichterung“, so Förster.

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Zudem sei es dadurch möglich, eine Art Zangentaktik von Osten und Westen her zu fahren, was weitere Zeitersparnisse bringt. Denn Zeit sei bei einem Notfall ohnehin der allerkritischste Faktor, sagt Förster.

Was die nördlichen Ortsteile Harpolingen und Rippolingen anbelangt, ist die enge Kooperation mit den Nachbarwehren in den Gemeinden Murg und Rickenbach schon jetzt von großer Bedeutung – schon allein wegen der geringeren Entfernung.

„Dass sich Menschen freiwillig und ehrenamtlich dazu bereit erklären, sich rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr für ihre Mitbürger ...
„Dass sich Menschen freiwillig und ehrenamtlich dazu bereit erklären, sich rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr für ihre Mitbürger buchstäblich in die Flammen zu stürzen, ist weltweit etwas Einmaliges, um das uns viele Länder beneiden“, sagt Dominik Rotzinger, Kreisbrandmeister. | Bild: Peter Schütz

Und generell werde die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit der Feuerwehren auch in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen, sagt Tobias Förster. Denn: „Selbst wenn wir wirklich ideale Voraussetzungen hätten und personell aus dem Vollen schöpfen können, könnten wir ein richtiges Großereignis aus eigener Kraft nicht bewältigen.“ Daher sei er auch ungemein froh, dass die Kooperationen so reibungslos funktionieren und alle Beteiligten lösungsorientiert daran mitwirkten.

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Optimierungen der Strukturen sind notwendig

Weitere Optimierungen wird es trotz allem auch in Zukunft geben. Denn dass sich die aktuelle Problematik in der Tagesverfügbarkeit wieder verändert, sei nicht zu erwarten, ist sich Kreisbrandmeister Rotzinger sicher.

Erfolgreiche Beispiele in der Region hätten gezeigt, dass sich etwa die Einführung von Ausrückebereichen statt der klassischen Feuerwehrabteilungen auszahlt: „Häufig gab es hier anfangs Widerstände, doch es zeigt sich, dass derartige Schritte wirklich Sinn machen und nicht nur die Schlagkraft erhöhen, sondern auch eine professionelle Arbeit ermöglichen“, sagt Bad Säckingens Stadtkommandant Förster.

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Schon jetzt gehe etwa bei der Brandschutzbedarfsplanung der Blick über die Orts- oder gar Gemeindegrenzen hinaus. Das wird nach Försters Einschätzung in den nächsten Jahren, wenn es wieder um die Fortschreibung von Brandschutzbedarfsplänen geht, noch viel mehr der Fall sein.

Zugleich warnt Förster davor, Veränderungen mit der Brechstange umzusetzen: „Denn gerade in kleinen Orten ist die Feuerwehr meist nicht nur eine Hilfsorganisation, sondern erfüllt eine wichtige Rolle im kulturellen und gesellschaftlichen Leben.“

Ohnehin sei das Thema Beruf längst nicht die einzige Herausforderung, mit der es die Feuerwehr immer stärker zu tun bekommt. „Auch das Freizeitverhalten und persönliche Prioritäten ändern sich.“ Wie sich all das auswirkt, lasse sich noch nicht mit Sicherheit abschätzen.

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Berufsfeuerwehren sind für den Hochrhein keine Option

Dass es am Ende einen Systemwechsel geben könnte, und die bewährten freiwilligen Feuerwehren durch Berufsfeuerwehren ersetzt werden, hält Kreisbrandmeister Rotzinger derweil für wenig realistisch. Schon allein aus Kostengründen wäre ein solcher Schritt schwer vorstellbar, rechnet er vor: „Ein Löschzug mit 16 Feuerwehrleuten, die das ganze Jahr rund um die Uhr einsatzbereit sind, würde etwa drei Millionen Euro jährlich kosten.“

Eine solche Einheit hätte allerdings nur einen Aktionsradius von gut zehn Kilometern, denn nur in diesem Bereich könnten die vorgegebenen Hilfsfristen erfüllt werden. All das wäre in einer ländlich strukturierten Region wie dem Landkreis Waldshut wohl kaum zu bewerkstelligen.

Ganz abgesehen davon: „Dass sich Menschen freiwillig und ehrenamtlich dazu bereit erklären, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr für ihre Mitbürger buchstäblich in die Flammen zu stürzen, ist weltweit etwas einmaliges“, sagt Dominik Rotzinger. Insofern beneideten viele Länder das Modell der freiwilligen Feuerwehr, wie es sie in Deutschland gebe und wie sie auch in der Gesellschaft fest verankert ist.

Insofern hat auch keiner der Kommandanten Zweifel daran, dass das Erfolgsmodell Freiwillige Feuerwehr auch in Zukunft erhalten bleibt und sich stets genügend ehrenamtliche Feuerwehrleute finden lassen, um schlagkräftige Einsatzgruppen zu stellen.

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