Zaghaft streckt das blonde Mädchen die Hand nach dem Pferd aus. Das Tier stellt die Ohren auf, wendet ruhig den Kopf in ihre Richtung, senkt ihn etwas. Die weichen Nüstern des Pferdes berühren ihre Haut nicht, doch der warme, gleichmäßige Atem ist zu spüren. Das Mädchen unterdrückt den Impuls die Hand zurückzuziehen. Sie spürt die positive Zuwendung des Tieres. Sie lächelt. Vielleicht zum ersten Mal an diesem Tag.
Momente wie diese erlebten 25 Kinder und Jugendliche des Caritas-Projekts „Baumhaus“ in den vergangenen Wochen in Ühlingen-Birkendorf. Reittherapeutin Johanna Laurer hatte die Kinder eingeladen, im Rahmen der pferdegestützten Intervention eine positive Erfahrung zu erleben. Sie sagt: „Der Umgang mit dem Tier kann Menschen helfen, deren Seele leidet.“
Kinder mit seelischen Belastungen
Ins Baumhaus kommen Kinder und Jugendliche mit psychisch- und suchterkrankten Eltern. Sie sind oft erheblichen seelischen Belastungen ausgesetzt und sehen sich mit elterlichen Verhaltensweisen konfrontiert, die sie schwer verstehen und verarbeiten können. „Unverständnis, Angst, Schuld- und Schamgefühle belasten die Kinder. Häufig bleiben sie mit ihren Fragen und Sorgen allein“, beschreibt Marlen Matthes, die bei der Caritas das Projekt betreut und dabei war, als die Kinder, Reittherapeutin Laurer und Dunkelfuchswallach Aslan miteinander arbeiteten.

Es ist eine besondere Art und Weise, Erlebnisse therapeutisch zu bearbeiten, für die es viel Fachwissen braucht. Johanna Laurers Ausbildung ist umfangreich. 2015 hat sie die Weiterbildung am Institut für Pferdegestützte Therapie in Konstanz absolviert, arbeitet seither nebenberuflich als Reittherapeutin. Vor allem Pferde sind in der tiergestützten Therapie, neben Hunden und sogar Alpakas, gefragte Co-Therapeuten. Laurer erklärt, dass das an ihrem Wesen liegt: „Kinder lernen durch den Umgang mit Pferden Ängste abzubauen und Gefühle besser wahrzunehmen. Das Pferd vermittelt Schutz, Wertschätzung und gibt Nähe.“
Marlen Matthes ist dankbar für die Aktion mit Reittherapeutin Laurer, die den Kindern die Teilnahme an drei Terminen kostenfrei ermöglichte. „Ich finde das Projekt Baumhaus einfach toll und wollte die Kinder mit der Aktion unterstützen“, sagt Johanna Laurer.
Sie selbst hat die Termine mit den Baumhaus-Kindern als sehr schön empfunden und auch Marlen Matthes bestätigt die positive Wirkung: „Es war wirklich klasse zu sehen, wie die Kinder für diese Zeit ihre Probleme vergessen und sich auf das Pferd eingelassen haben. Sie waren glücklich, entspannt und konnten loslassen.“

Dies sei das Wesentliche an der Therapie mit Tieren, wie Laurer erklärt: „Das Pferd ist immer im Hier und Jetzt und spiegelt den Menschen mit seinen Gefühlen und blickt in die Seele.“ Ist der Mensch unsicher, kann er keine Führung übernehmen und das zeigt das Pferd deutlich. In der Reittherapie werden die gesunden Seiten des Klienten hervorgehoben und diese verstärkt, so Laurer.
Reittherapie: Fragen und Antworten
Der Unterschied der pferdegestützten zur – „dadurch nicht ersetzbaren“, wie sie betont – klassischen Gesprächstherapie sei es, dass die Erfahrungen ganz unmittelbar erfolgen: „Für das Tier spielt die Vergangenheit keine Rolle, was gesagt wurde und warum. Es ist immer ehrlich und authentisch.“ Die Begegnung mit dem Lebewesen Pferd und die körperliche Bewegung mit und auf dem Pferd helfe dem Menschen, seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Das Getragen-Werden verbessere das Gleichgewicht, reguliere die Körperspannung und schenke Kraft. Um langfristige Effekte zu erzielen, seien in der Regel zehn reittherapeutische Einheiten nötig, das richte sich aber ganz individuell nach der zugrunde liegenden Problematik.
Neben der Betreuung und Unterstützung in Gruppenstunden organisiert das Baumhaus weitere Angebote, wie Eltern-Kind-Aktionstage, Ausflüge und besondere Projekte, wie beispielsweise das therapeutische Reiten mit Johanna Laurer.