Selbst Kritiker müssen heute erkennen, dass die Wutöschinger Alemannenschule mit ihrem pädagogischen Konzept als Gemeinschaftsschule ein Leuchtturm in der deutschen Schullandschaft ist. Bundesweite Auszeichnungen sind ein Beleg dafür. Vor 25 Jahren sah die Schulwelt in der Wutachtalgemeinde allerdings noch ganz anders aus. Bürgermeister Eble und der Gemeinderat standen vor der Aufgabe, den Neubau der Grundschule zu planen und das in die Jahre gekommene Hauptschulgebäude zu sanieren. Damals war die Dorfschule zweizügig, an die spätere revolutionäre Entwicklung war nicht zu denken.
Der erste Schritt 2009: Ausbau zur Werkrealschule
Als sich die Schullandschaft wieder einmal veränderte, wagten Schulleitung und die Gemeinde 2009 den Schritt hin zur Werkrealschule. Da war Stefan Ruppaner bereits seit vier Jahren Rektor. Dies bedeutete, dass die mittlere Reife am Standort Wutöschingen erlangt werden konnte – ein großer Fortschritt, davon waren alle Beteiligten damals überzeugt.
Dieser Zustand hielt allerdings nur wenige Jahre an, immer weniger Schüler wollten auf die Werkrealschule. Als in Stuttgart die Grünen und die SPD eine Koalition bildeten, tat sich unerwartet die Tür für eine Gemeinschaftsschule auf. Durch diese Tür wollte Stefan Ruppaner gehen, dabei ruckelte es zunächst gewaltig. Mit Beharrlichkeit und Überzeugungskraft konnte der Schulleiter die Ratskollegen und Bürgermeister Eble schließlich davon überzeugen, dass dies der einzige Weg ist, um den Schulstandort Wutöschingen zu erhalten. 2012 stellte die Schulleitung beim Regierungspräsidium Freiburg den Antrag für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule.
Auch eine Gemeinschaftsschule genügte dem Rektor nicht
Ruppaner hatte aber viel mehr als eine Gemeinschaftsschule im Sinn, er wollte die Schule zu einem innovativen Lernort machen. Ohne Zuschüsse von Land oder Bund beschloss die Kommune, das alte Schulgebäude für 1,1 Millionen Euro zum „grünen Lernhaus“ umzubauen. Klassenzimmer im herkömmlichen Sinn gab es nicht mehr, allein für die EDV-Ausstattung wurde eine Viertelmillion ausgegeben.
Bald wurde es zu eng, drei Jahre später wurde das „weiße Lernhaus“ fertiggestellt. Allein das Design der innovativ gestalteten Räume glich einer Revolution: Ein offener Lernraum mit einem sogenannten „Marktplatz“. Platz für soziale und kreative Aktivitäten. Im Obergeschoss wurde ein „Lernatelier“ für stilles Lernen eingerichtet.
Das Kultusministerium genehmigt die gymnasiale Oberstufe
Schulleitung, Verwaltung und Gemeinderat kämpften beharrlich gegen viele Widerstände um die Genehmigung, auf dem Dorf die Sekundarstufe II einzuführen. Für alle Beteiligten ein logischer Schritt. Im Oktober 2018 war es so weit: Die Alemannenschule erhielt vom Kultusministerium Baden-Württemberg die Genehmigung für ihre gymnasiale Oberstufe. Die Gemeinschaftsschule konnte ab dem Schuljahr 2019/20 um die Sekundarstufe II erweitert werden.
Die Anmeldezahlen steigen Jahr für Jahr
Die Anmeldungen für die ASW stiegen von Jahr zu Jahr. Zunächst wurde das blaue Lernhaus 2020 saniert, gleichzeitig wurden die Pläne für den Neubau für die Schüler der Oberstufe vorangetrieben. Der 2022 fertiggestellte zweistöckige Neubau ist das bisher größte Schulgebäude der Gemeinde, das für rund 7,6 Millionen Euro realisiert wurde. Vier Millionen erhielt die Kommune als Zuschuss.
Ruppaner schaffte den Unterricht an der Alemannenschule ab, führte digitales Lernen in Tablets für jeden Schüler ein, die an dieser Schule Lernpartner heißen. An der ASW sind alle Schulabschlüsse möglich: Hauptschulabschluss, Realschulabschluss oder Abitur. Kinder und Jugendliche werden nach der sogenannten Schmetterlingspädagogik, die auf den Prinzipien des selbstorganisierten Lernens und Lernen durch Erleben basiert. Die ASW wurde für den Deutschen Schulpreis 2019 und den Deutschen Schulpreis Spezial 2020/21 nominiert. Der inzwischen im Ruhestand befindliche Schulleiter Stefan Ruppaner wurde mit dem „Award für den mutigsten Schulleiter Deutschlands“ ausgezeichnet. Inzwischen übernahm Thomas Mühl die Leitung. Er ist vom Konzept des selbstorganisierten Lernens überzeugt.