Die Corona-Krise und die damit verbundenen Einschränkungen und behördlichen Anordnungen wirbelt momentan die Wirtschaft in ganz Deutschland gehörig durcheinander und bringt viele Unternehmen in erhebliche Bedrängnis. Die ansonsten stabilen Landkreise Waldshut und Lörrach stellen in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Auch hier hat eine Vielzahl von Firmen zwischenzeitlich bereits Kurzarbeit angemeldet. Was das für Betroffene bedeutet – und welche Möglichkeiten für einen Zuverdienst es gibt, darüber sprachen wir mit der Arbeitsagentur Lörrach.

1. Wie viele Firmen haben Kurzarbeit angemeldet?

Mit Stand 31. März lagen der Arbeitsagentur bereits 1300 Anzeigen auf Kurzarbeit vor. Für den April scheint sich diese enorme Anzeigen-Welle nicht zu wiederholen, schildert Agentur-Sprecherin Melanie Payer. Parallel kämen aber bereits die ersten monatlichen Abrechnungslisten vom März, die zeitnah abgerechnet und ausgezahlt werden müssten.

Um den zu erwartenden Ansturm zu bewältigen, habe sich auch die Behörde intern umstrukturiert. Mitarbeiter aus anderen Bereichen seien innerhalb kürzester Zeit für die Beratung, Anzeigenbearbeitung und Abrechnung rund ums Thema Kurzarbeit geschult worden und werden nun in diesem Bereich eingesetzt.

Die Anforderungen seien enorm hoch: „Uns ist klar, dass wir einen großen Beitrag für den sozialen Frieden leisten und wir sicherstellen müssen, dass jedem Arbeitgeber, der Kurzarbeit anzeigt, schnell und unkompliziert geholfen wird.“ sagt Payer.

2. Wie viele Menschen in der Region sind momentan von Kurzarbeit betroffen?

Das lässt sich derzeit noch nicht beziffern. Dies liegt vor allem an den Verfahrensabläufen, so Payer: „Im ersten Schritt zeigen die Betriebe einen erheblichen Arbeitsausfall und damit Kurzarbeit an.“ Betroffen sind aber möglicherweise tausende Menschen.

Eine Firma könne nachträglich bis zu drei Monate, die tatsächlich in Anspruch genommene Kurzarbeit mit der Arbeitsagentur abrechnen. Erst dann können auch verlässliche Aussagen über die Zahl der Betroffenen getätigt werden.

3. Wie läuft das mit dem Kurzarbeitergeld genau?

Kurzarbeitergeld soll Arbeits- und Lohnausfall von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgleichen, der durch wirtschaftliche, unabwendbare und unvermeidbare Ereignisse eintritt. Die betroffenen Arbeitnehmer erhalten dann rund 60 Prozent des entfallenen Nettolohns, mit mindestens einem Kind seien es 67 Prozent, so Payer.

Ziel sei es, dass Beschäftigte nicht ihre Jobs verlieren, wenn ein Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage gerät. Arbeitgebern werden außerdem neuerdings die Sozialbeiträge für die Ausfallzeiten komplett erstattet – ein zusätzliches Mittel zur Entlastung.

Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn mindestens ein Zehntel der Beschäftigten in einem Betrieb einen Arbeits- und Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent haben, schildert Payer. Im Übrigen haben geringfügig Beschäftigte oder Selbstständige keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Unternehmen müssen Kurzarbeit vorher bei uns anzeigen. Die Abrechnung von Kurzarbeit erfolgt dann monatlich nachträglich.

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4. Muss mit einer drastischen Zunahme der Arbeitslosenzahlen gerechnet werden?

„An der sehr hohen Nachfrage nach Kurzarbeit, kann man das hohe Interesse unserer Unternehmen erkennen, das eigene Personal an Bord zu halten und nicht zu entlassen“, analysiert Melanie Payer. Dennoch werden die Arbeitslosenzahlen in der nächsten Zeit möglicherweise steigen, da nicht für jedes Unternehmen die Regelungen zu Kurzarbeit oder die Liquiditätsregeln greifen.

5. Welche Branchen trifft die aktuelle Krisensituation besonders hart?

Anders als bei der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 sind jetzt nahezu alle Wirtschaftszweige gleichermaßen betroffen, vor allem aber natürlich diejenigen, die per Verordnung geschlossen bleiben müssen, also etwa das Hotel- und Gaststättengewerbe, Friseure oder Einzelhändler, die keine systemrelevanten Produkte anbieten.

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Inwiefern daraus existenzbedrohende Situationen oder gar eine Insolvenzwelle entwickelt, lasse sich aktuell noch nicht genau sagen. Zumindest bisher habe es noch keine Corona-bedingten Entlassungswellen gegeben, so Melanie Payer.

Wie hart es am Ende komme, werde auch davon abhängen, „wie lange die Einschränkungen durch Corona noch andauern werden und wie schnell wir danach wieder zum Alltag übergehen können“, so die Arbeitsagentur-Sprecherin. Außerdem hoffen alle Beteiligten, dass die Hilfsprogramme von Bund und Land dazu beitragen, finanzielle Engpässe der Unternehmen zumindest zu überbrücken.

6. In welchem Umfang, darf ich als Arbeitnehmer in Kurzarbeit anderweitig Geld hinzuverdienen?

Die Zuverdienstmöglichkeiten während Kurzarbeit wurden zum 1. April befristet bis 31. Oktober gelockert. Wird während der Kurzarbeit eine geringfügige Nebentätigkeit in einem systemrelevanten Bereich aufgenommen, wird das dabei verdiente Geld nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet und die Nebentätigkeit ist versicherungsfrei, so Payer.

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Wer mehr als eine geringfügige Beschäftigung in einem systemrelevanten Bereichen aufnehme, darf nicht mehr als seinen bisherigen Bruttolohn hinzuverdienen, um im anrechnungsfreien Bereich zu bleiben.

Zu den systemrelevanten Unternehmen gehören Branchen und Berufe, die in der Krise für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens, die Sicherheit und die Versorgung der Menschen unabdingbar sind, etwa Lebensmitteleinzelhandel, der Landwirtschaft oder Gesundheitswesen, die zugleich den größten Bedarf an Arbeitskräften haben, so Payer weiter.

7. Wann wäre die Schmerzgrenze für die Wirtschaft erreicht?

Die Wirtschaft in der Region habe eine jahrelange Phase des Aufschwungs erlebt, auch wenn sich bereits in den Monaten vor Corona eine leichte konjunkturelle Eintrübung am Arbeitsmarkt bemerkbar gemacht habe. Dennoch: „Unser Arbeitsmarkt ist noch stabil und robust, Unternehmen suchen nach wie vor auch in solchen Zeiten noch Fachkräfte.“ Und es gebe auch noch genügend Branchen, in denen weitgehend im Normalmodus gearbeitet werde.

„Allerdings ist sicherlich auch klar, dass die Lage mit jeder Woche für die betroffenen Unternehmen ernster wird, Rücklagen aufgebraucht sind und die Soforthilfen nicht alles abfangen können“, gibt Payer zu bedenken. Dann müsse auch mit Insolvenzen und Entlassungen gerechnet werden. Payer dazu: „Aber noch ist es nicht soweit. Jeder Arbeitsplatz, jeder Betrieb und jeder Solo-Selbständige ist es wert, dass um ihn gekämpft wird.“

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