David Rutschmann

Die Gesundheitsversorgung in Ühlingen ist seit Monaten geprägt von einem Streit zwischen zwei ortsansässigen Ärzten. Hintergrund ist eine gescheiterte Praxisübernahme, bei der der Allgemeinmediziner Mohamed Jafar im Oktober 2020 die Praxis im Alten Rathaus des ortsansässigen Arztes Ralf Berg übernehmen wollte.

Aufgrund diverser Unstimmigkeiten kam die Übernahme nicht zustande, mittlerweile praktizieren beide Ärzte unweit voneinander im Ort – und erheben beide Anspruch auf die Praxisräumlichkeiten im Alten Rathaus. Dort arbeitet noch immer Berg – seit Januar 2021 ohne gültigen Mietvertrag, gegen ihn wurde im Juni 2021 eine Räumungsklage eingereicht. Wie es zu der Fehde zwischen den beiden Medizinern kam, lesen Sie hier:

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Inzwischen wirkt der seit nunmehr fast einem Jahr andauernde Streit auf die Versorgung der Patienten im Ort aus. Denn viele Patienten sind von Berg zu Jafar gewechselt. Mohamed Jafar behauptet gegenüber dieser Zeitung, Ralf Berg würde Patientenakten zurückhalten: „Er verhindert meine Arbeit. Ich muss Medikamente ausstellen, ohne dass ich die Akten meiner neuen Patienten kenne.“

In 30 oder mehr Fällen soll Berg Patientenakten nicht an Jafar weitergeleitet haben – Jafar hat alle dieser Fälle an die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) gemeldet. „Ich habe der KVBW auch von sechs chronisch kranken Patienten berichtet, bei denen das Zurückhalten der Daten schon medizinische Konsequenzen hatte. Dr. Berg gefährdet diese Menschen durch seine Art“, sagt er. Aus Datenschutzbedenken will er die Namen der Patienten nicht mitteilen, der SÜDKURIER konnte seine Vorwürfe also nicht überprüfen.

Der 53-jährige Mohamed Jafar empfängt seine Patienten in einer Praxis wenige Hausnummern neben dem Alten Rathaus.
Der 53-jährige Mohamed Jafar empfängt seine Patienten in einer Praxis wenige Hausnummern neben dem Alten Rathaus. | Bild: Ursula Ortlieb

Ralf Berg hingegen beteuert, dass der jedem Patienten, der zu Jafar wechseln wolle, seine Patientenakte auch aushändige. „Viele Patienten wollen allerdings gar nicht zu Jafar wechseln. Sie sind in Vertretung bei ihm, wenn ich im Urlaub bin und er lässt sie Überweisungsscheine unterzeichnen, ohne dass sie wissen, was sie da unterschreiben“, sagt Berg.

Zum Beweis zeigt er dem SÜDKURIER Überweisungsscheine von Jafar, mit der dieser die „unverzügliche Aktenweiterleitung“ einfordert. Berg ließ die entsprechenden Patienten seinerseits Zettel unterschreiben, mit welchen sie den Hausarztwechsel widerrufen. „Ich bin weiterhin bei Dr. Berg in Behandlung. Mit einer Weitergabe meiner Befunde an Mohamed Jafar bin ich nicht einverstanden“, steht darauf zu lesen.

„Ich hatte nie vor, den Arzt zu wechseln“, bestätigt ein Patient gegenüber dem SÜDKURIER. Der 87-Jährige war im Mai 2021 zu einer Untersuchung zu Jafar gegangen, da sich Berg im Urlaub befand. Er habe nicht gewusst, dass seine Unterschrift zu einem Hausarztwechsel führt, sagt er – er ist seit 18 Jahren bei Berg in Behandlung und habe nicht vor, zu wechseln.

Ralf Berg in seinen Praxisräumlichkeiten. Der 60-Jährige praktiziert seit 2000 im Alten Rathaus.
Ralf Berg in seinen Praxisräumlichkeiten. Der 60-Jährige praktiziert seit 2000 im Alten Rathaus. | Bild: David Rutschmann

Der Überweisungsschein, der der Redaktion vorliegt, zeigt, dass Jafar noch am Tag des Arztbesuchs des 87 Jahre alten Mannes dessen Patientenakten von Berg eingefordert hat. Auf dem Überweisungsschein steht: „Patient ist seit 1. Oktober 2020 nicht mehr bei Ihnen; Sie sind verpflichtet, dem Patient die Wahrheit zu sagen.“ Weiterhin ließ Jafar den Patienten eine Schweigepflicht-Erklärung unterschreiben, die sich wie bei einem Arbeitsvertrag liest – auch diese konnte der SÜDKURIER einsehen. Patienten unterliegen in der Regel nicht der ärztlichen Schweigepflicht.

Jafar weist diese Vorwürfe strikt von sich. „Die Patienten wussten immer, was sie unterschreiben. Ich habe auch keine Patientenakten ohne Unterschriften angefordert. Damit hätte ich moralische Skrupel und darüber hinaus ist es illegal. Wenn es entsprechende Vorwürfe von Dr. Berg gibt, ist die Landesärztekammer verpflichtet, etwas zu unternehmen, das ist bisher allerdings nicht geschehen“, sagt er.

Seine Versuche, sich durch Beschwerden an die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) Zugang zu den Patientenakten zu verschaffen, blieben erfolglos. Berg hatte eine Stellungnahme eingereicht, dass einige Patienten nur im Vertretungsfall bei Jafar zur Behandlung gewesen seien und nicht wirklich wechseln wollten. Die KVBW teilte Jafar in einer dem SÜDKURIER vorliegenden Mail mit, dass der Vorgang vor dem Hintergrund dieser Rückmeldung abgeschlossen und eine weitere Aufklärung nicht möglich sei. Der Streit um die Patientenakten zeigt letztlich, mit welch harten Bandagen beide Ärzte ihre Auseinandersetzung austragen.

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