„Alles, was früher kommunale Themen waren, kommt gefühlt in den Hintergrund“, sagt Bürgermeister Tobias Gantert aus Ühlingen-Birkendorf in seiner Funktion als Sprecher der Bürgermeister im Landkreis. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da. Seine Bürgermeister-Kollegen und Stelvertreter Marion Frei (Dettighofen) und Ulrich Krieger (Laufenburg) und voran Landrat Martin Kistler zeigen sich verärgert, denn die Leistungsfähigkeit habe ihre Grenzen erreicht.
Vor Kurzem hat der Gemeindetag Baden-Württemberg ein Positionspapier verfasst, dem sich der Landkreis Waldshut anschließt. In einem Pressegespräch in Ühlingen-Birkendorf verdeutlichten die Bürgermeister und Landrat Martin Kistler ihre Position und die Sorgen, die die Verwaltungen gerade umtreiben.
Der Landkreis, besonders aber seine 32 Städte und Gemeinden sehen in der Gesamtheit die staatlichen Leistungsversprechen nicht mehr als erfüllbar. Stattdessen seien immer mehr Ressourcen offen, als geschlossen.
„Was uns in den vergangenen sieben Jahren prägte, war die Flüchtlingspolitik“, sagt Tobias Gantert, Sprecher der Bürgermeister im Landkreis. Hinzu kamen Corona und nun die Energiekrise. „In der Summe sind diese Anforderungen nicht mehr leistbar“, bringt es Tobias Gantert auf den Punkt.
Belastung 1: Unterbringung und Integration der Flüchtlinge
Rückblick: Innerhalb weniger Monate wurden mehr 120.000 geflüchtete Menschen – meist Frauen und Kinder – aus der Ukraine in den baden-württembergischen Kommunen untergebracht, versorgt und in Kita und Schule integriert. Doch die Zugangszahlen steigen dramatisch an; nicht nur aus der Ukraine, auch die Zahl der Asylsuchenden aus anderen Staaten hätten zwischenzeitlich das Niveau von 2015 erreicht.
Belastung 2: Aktuelle Wirtschaftliche Entwicklungen und Energiekrise
Hinzu kämen neben der drohenden Wirtschaftskrise die zentralen Fragen der Energieversorgung und -sicherheit, die Klimakrise und die nach wie vor anhaltende Corona-Pandemie.
Allein bei der Verbesserung des Klimaschutzes seien zig-milliardenschwere Investitionen in Gebäude, Wärme- und Verteilnetze, in Verkehr und in viele weitere Bereiche erforderlich. Und das allein in Baden-Württemberg.
Belastung 3: Fachkräftemangel
Zugleich erhöhten Inflation und Preisentwicklung angesichts der bestehenden Rohstoffknappheit fast täglich den Investitionsbedarf. Hart treffe es die Gemeinden, mangels fehlender Fachkräfte und besonders jene im Kindergartenbereich, was Lücken aufreiße. Gantert: „Es fehlt an allen Ecken und Enden.“
Landrat Martin Kistler erinnerte an die erste Flüchtlingswelle 2015/2016, die man „bravourös“, größtenteils mit Ehrenamtlichen, gestemmt habe. „Auch Corona haben wir gemeistert. Alles zeigt, wie gut wir gearbeitet haben.“ Aber die Bürokratie hemme in der Abwicklung dieser Aufgaben. Schlicht und ergreifend zeige es sich, zu wenig Personal zu haben.
„Es braucht eine durchschlagende Reform“, brachte es der Chef der Kreisverwaltung auf den Punkt. Alleine bei der Investitionsförderung der Krankenhäuser lege man drauf. „Bürokratie bündelt Kräfte. Etwas mehr Freiheit und weniger Bürokratie würde uns entlasten“, sprach er den drei Kreisräten Marion Frei (Freie Wähler), Ulrich Krieger und Tobias Gantert (beide CDU) aus dem Herzen.
Belastung 4: Bürokratie
Laufenburgs Bürgermeister Ulrich Krieger bestätigte, dass die kommunale Selbstverwaltung in den vergangenen Jahren eingeengt wurde. Wenig Entlastung bringe das neue Haushaltsrecht, welches nicht gewinnorientierend denkbar ist. Mittlerweile brauche jede Verwaltung einen Finanzexperten.

Bürgermeisterin Marion Frei nannte dazu die Umsatzsteuerbelastung, die mehrere kommunale Haushaltstellen betreffe. Und sie prangerte das System des Landes an, vorab Büros mit der Klärung beauftragen zu müssen, um zu Zuschüssen zu gelangen. Reklamiert wurde zudem, dass die Regierung in Stuttgart grundsätzlich nicht nach der Umsetzung schaue, sondern Erfüllung sehen wolle.