Anna Stolz sagt: „Es ist schon ein komisches Gefühl, wieder hier zu sein. Aber solange ich nicht wieder rein muss, habe ich keine Panik.“ Die Frau aus Ühlingen ist an den Rewe-Supermarkt an der Lauchringer Hauptstraße zurückgekehrt – und sie hat dabei noch immer ein mulmiges Gefühl. Sie war an jenem 6. September auch hier – der Tag, als gegen 17.30 Uhr das Dach des Supermarktes eingebrochen ist.

„Plötzlich war da dieses super laute Geräusch, so, als würde irgendwo sich ein Riesenwasserschwall ergießen“, weiß sie noch. Sie sei im Markt bei den asiatischen Lebensmitteln gestanden, eher in der Mitte des Gebäudes. „Dann kam die Decke immer näher auf uns zu, auf mich und meinen Partner“, erzählt sie. Und schiebt nach: „Es war wie ein Nebel, wie als würde man einen Film schauen, nur dass wir mittendrin sind, irgendwie surreal.“

Das Betreten des Areals des Lauchringer Rewe-Supermarkts ist verboten.
Das Betreten des Areals des Lauchringer Rewe-Supermarkts ist verboten. | Bild: Hans Christof Wagner

Und keiner habe in dem Moment ja gewusst, was die Ursache war. Ein Erdbeben? Der Gedanke kam ihr blitzschnell in den Sinn. Wäre auch naheliegend. Aber viel Zeit zum Denken blieb nicht. Rewe-Mitarbeiterinnen waren die ersten, die trotz Schock, „superschnell“, wie Stolz sich erinnert, handlungsfähig waren und Ordnung ins Chaos zu bringen versuchten. Ihre Devise: Erst einmal alle herausbringen, ins Freie, in Sicherheit. Das musste zum Hinterausgang erfolgen, denn der vordere war ja durch die herabstürzenden Dachbalken blockiert.

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Aber schon das war heikel: Niemand wusste, was passiert war und niemand kannte die Zahl der Kundinnen und Kunden, die sich im Markt aufhielten. Viele – das war klar – waren es nicht. Aber dass es 26 an der Zahl sind, wurde erst später bekannt. Das konnte zu der Zeit keiner wissen. Mitarbeitende hätten ins Gebäude hineingerufen. „Ist da noch jemand?“ Doch zum Glück waren alle heil herausgekommen.

Und soweit das Stolz beobachten konnte, war niemand so sehr verletzt, dass er oder sie nicht hätte mit den Unverletzten vor dem Gebäude herumstehen können. Niemand sei wohl von den herabstürzenden Dachbalken direkt getroffen worden. Glück auch für die Frau mit Baby, die sie noch vor Augen hat.

Dass der Markt nach mehrwöchiger Renovierung am 14. August wiedereröffnete, vermeldet dieses Plakat, das vor Ort noch immer hängt.
Dass der Markt nach mehrwöchiger Renovierung am 14. August wiedereröffnete, vermeldet dieses Plakat, das vor Ort noch immer hängt. | Bild: Hans Christof Wagner

Binnen Minuten sei auch der Rettungsdienst vor Ort gewesen, sagt sie. Und habe die Umstehenden nach Verletzungen gefragt – aber nur nach den körperlichen. „Nach den psychischen, für mich genauso schlimm, haben sie nicht gefragt. Ich fand das schade, denn für mich war das schon traumatisierend“, erzählt sie. Sicher hätte es ihr geholfen, wenn sich jemand um sie gekümmert und gefragt hätte, wie sie den Vorfall erlebt hat, wie er ihr vorgekommen ist. Zumindest hätte sie es „schön gefunden“.

Zettel im Chaos verloren gegangen?

Sie sagt, sie hat bei einer Mitarbeiterin Name und Anschrift auf einem Zettel hinterlassen. Doch Rewe habe sich nie bei ihr gemeldet. Womöglich ist der Zettel im Chaos verloren gegangen. Oder es unterblieb, dass er an höhere Stellen im Unternehmen weitergereicht worden ist. Systematisch die Daten aller Betroffenen sind ihrer Beobachtung nach nicht festgehalten worden, auch nicht von der ebenfalls präsenten Polizei. Zeit dazu hat für Stolz genug bestanden. „Manche waren zwar schon bald wieder weg, einige aber auch noch eine halbe Stunde nach dem Vorfall vor Ort“, schaut sie zurück. Und sie findet: „Man hätte ja später einen Aufruf machen können, dass sich Betroffene melden sollen.“

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Anna Stolz wohnt in Ühlingen und sagt, sie kaufe gerne bei Rewe ein und dass die Lauchringer Filiale für sie die nächstgelegene ist. Seit diese nach mehrwöchiger Renovierung am 14. August wiedereröffnete – das entsprechende Plakat hängt immer noch vor dem Markt – sei sie schon mehrfach wieder dort gewesen. Aber an jenem 6. September war vieles anders: Die beiden vier und sechs Jahre alten Kinder, sonst immer dabei, kamen nicht mit. Und sie waren mit dem Wocheneinkauf auch später dran als normal. Dass zum Zeitpunkt des Einsturzes zum Glück nur 26 Kundinnen und Kunden drin waren, sei „superwenig“ gewesen. Sonst habe sie den Markt immer viel voller erlebt.

Erst später alles den Kindern erzählt

Die Kraft, den Kindern zu erzählen, was ihr und ihrem Partner im Lauchringer Rewe widerfahren ist, hat Anna Stolz erst Tage danach gefunden – trotz des eher glimpflichen Ausgangs. Sie wollte da behutsam vorgehen und verhindern, dass die Unbekümmertheit der Kinder beim nächsten gemeinsamen Einkauf verloren geht.

Der Lauchringer Rewe-Supermarkt liegt an der Hauptstraße.
Der Lauchringer Rewe-Supermarkt liegt an der Hauptstraße. | Bild: Hans Christof Wagner

Das Areal des von der Straße aus unbeschädigt wirkenden Lauchringer Rewe-Marktes liegt wie im Dornröschenschlaf schlummernd da. Alles sieht noch so aus wie am Abend des 6. September zurückgelassen. Ein Bauzaun steht ringsherum. Ein Wachdienst hat rund um die Uhr ein Auge darauf, dass niemand das Areal betritt.

Noch ist die Zukunft des Marktes völlig offen. Wird er wiederaufgebaut? Kommt ein Neubau an seine Stelle? Keiner weiß es. Anna Stolz aber weiß: „Nach einer Wiedereröffnung werde ich wohl keine Kundin mehr sein.“ Zumindest für eine Weile nicht.

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