Die Stadt Stühlingen könnte schon in kurzer Zeit ohne Krankenhaus dastehen, und die Menschen aus dem nordöstlichen Kreis Waldshut müssten weite Wege auf sich nehmen, um behandelt zu werden oder Angehörige in der Klinik zu besuchen. Denn der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) hat ein Papier voller Sprengkraft vorliegen: Es schlägt unmissverständlich vor, dass der Verbund auch den letzten Rest seines Engagements im Kreis Waldshut beendet. Das Ergebnis wäre womöglich ein Aus für das Krankenhaus Stühlingen. Schon jetzt läuft das Haus im Loretoweg nur noch im Notbetrieb.
Ein Gutachten voller Sprengkraft
Der GLKN, der aktuell jedes Jahr mehr als 20 Millionen Euro Miese macht und kaum eine Chance hat, wenigstens mittelfristig wieder kostendeckend zu arbeiten, hat in seiner Not das Hamburger Beratungsunternehmen Lohfert & Lohfert mit einem sogenannten Strukturgutachten beauftragt. Dieses liegt nun seit Freitagabend vor, und die Vorschläge laufen auf einen radikalen Umbau des GLKN hinaus. Zugleich es läutet das Finale einer Ära ein, in der das damals noch selbstständige Singener Klinikum am Hochrhein massiv expandierte. Das Spital Bad Säckingen, das einst zur Singener Gruppe HBH (Hegau-Bodensee-Hochrhein) gehörte, ist bekanntlich längst Geschichte.
Schon jetzt bleiben viele Betten leer
Die dunklen Wolken über dem Krankenhaus Stühlingen ziehen sich freilich nicht erst seit den jüngsten Untersuchungen zusammen. Das Haus mit nur 44 Betten gilt schon lange als zu klein zum Überleben. Der GLKN hatte es auch mehr als Außenposten und Aufnahmeeinheit für sein großes Haus in Singen betrachtet. Zuletzt hat nach Informationen dieser Zeitung auch noch ein Chefarzt altershalber das Haus verlassen*, so dass derzeit nur noch etwa 20 Betten überhaupt betrieben werden können. Wie es heißt, sei aber eine Nachfolge geregelt.
Kein Arzt will in die Karrierefalle Mini-Krankenhaus
Mit neuen Bewerbern sehe es schlecht aus, heißt es aus dem Klinikverbund, denn kleine Krankenhäuser mit ihren sehr eingeschränkten medizinischen Möglichkeiten gelten für ehrgeizige Mediziner als Karrierefalle. Und auch am Standort Stühlingen ist die Konkurrenz der Schweizer Arbeitgeber massiv. Mit all dem will sich der GLKN nicht mehr beschäftigen. In einer Pressekonferenz in Singen am Freitagabend sagte der Konstanzer Landrat Zeno Danner, der Verbund wolle den Standort Stühlingen gerne an den Kreis Waldshut abgeben.
Vom Stühlingen oder Bonndorf nach Albbruck? Die 30-Minuten-Regel ist nicht erfüllt
Tatsächlich ist der Kreis Waldshut in der Verantwortung, die stationäre Klinikversorgung seiner Bürger sicherzustellen. Laut Landkreistag gehört das Gesundheitswesen inklusive Krankenhäusern zu den Pflichtaufgaben der Kreise. Zugleich gilt, wie unter anderem das „Deutsche Ärzteblatt“ berichtet, der Schwellenwert, dass ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung innerhalb von 30 Minuten mit dem Auto erreichbar sein muss – und da wird es eng: Der Kreis Waldshut hat sich auf ein neues Zentralklinikum in Albbruck festgelegt. In einer halben Stunde ist dieser Standort von Stühlingen, Bonndorf oder Wutach aus nicht zuverlässig anzusteuern.
Auch Neustadt, Villingen und Singen sind viel zu weit weg
Auch die anderen Krankenhäuser rund um Stühlingen sind insbesondere für ältere Angehörige und Menschen ohne Auto nur sehr schwierig zu erreichen: Sollte das Krankenhaus Stühlingen schließen, wären die nächsten Akutkliniken in Singen, Villingen-Schwenningen und Neustadt. Zu jedem dieser Standorte dauert die Fahrt mit dem Auto laut gängigen Routenplanern selbst bei günstigen Verhältnissen deutlich über eine halbe Stunde.
Während in Konstanz eine gewisse Erleichterung darüber herrscht, dass das Kapitel Stühlingen für den GLKN nun bald enden könnte, beginnt die Arbeit im Kreis Waldshut erst noch. Der Konstanzer Landrat Zeno Danner hat jedenfalls schon einmal Gespräche mit seinem Waldshuter Amtskollegen Martin Kistler angekündigt. Ob es bei den Verhandlungen überhaupt so etwas wie einen Gewinner geben kann – und mehr noch, was auf Angehörige und Patienten aus dem Raum Stühlingen schon kurzfristig zukommt – galt zunächst als offen.
*Wir hatten zunächst berichtet, der Arzt habe gekündigt, das war der damalige Informationsstand der Redaktion. Inzwischen liegen dazu neue Informationen vor: Der Chefarzt ging regulär in den Ruhestand.
Auf dem Weg zum Zentralklinikum im Kreis Waldshut
- 1. Oktober 2021: Mit einem symbolischen Scheck über sechs Millionen Euro kam Landesgesundheitsminister Manfred Lucha nach Albbruck. Es ist der erste Zuschussbescheid für das geplante Zentralkrankenhaus, das im Jahr 2028 in Betrieb gehen soll.
- August 2021: Sozialminister Manfred Lucha räumt Zweifel aus: 'Natürlich kommt das Zentralklinikum in Albbruck'.
- August 2021: Der Verlust beim Klinikum Hochrhein fällt wegen der Corona-Pandemie deutlich höher aus.
- Juli 2021: Der Waldshuter Kreistag verabschiedet die Masterplanung für das geplante Zentralkrankenhaus, das im Jahr 2028 in Albbruck seinen Betrieb aufnehmen soll.
- Mai 2021: Der Landkreis sucht Unternehmen für den Bau des Klinikums.
- März 2021: Landrat Kistler spricht im Albbrucker Gemeinderat über den aktuellen Stand.
- März 2021: Das Medizinkonzept steht: Welche Behandlungen werden im Zentralklinikum möglich sein? Hier die Antwort.
- Frühjahr 2021: Bis die Gesundheitsversorgung in Albbruck funktioniert, muss das Klinikum Hochrhein in Waldshut leistungsfähiger werden: Es wird angebaut.
- Dezember 2020: Wie passt der Standort des Zentralspitals mit der Hochrheinautobahn A98 zusammen? Hier die Hintergründe.
- Dezember 2020: Einblick in den Masterplan des geplanten Zentralklinikums 'Gesundheitspark Hochrhein'.
- September 2020: Ein Ziel, aber unterschiedliche Wege zum Zentralspital. Ein Vergleich der Projekte in den Landkreisen Lörrach und Waldshut.
- März 2020: Wirbel um einen nicht-öffentlich gefassten Beschluss im Kreistag zum Medizinkonzept.
- März 2019: Nun steht es fest: Der Standort für das geplante Zentralspital im Kreis Waldshut soll in Albbruck gebaut werden.