Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im Oktober des vergangenen Jahres mit seinem Auto ein auf einem Parkplatz vor einer Gaststätte stehendes Fahrzeug touchiert und dadurch beschädigt zu haben. Aufgrund der Aussagen der Zeugen, die den Vorfall detailliert beschrieben hatten, ergab sich der Verdacht, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholisiert gewesen sein könnte. Dazu wurden im Fortsetzungstermin zwei weitere Zeugen gehört.
Angeklagter greift zum Telefon
Die Wirtin konnte zum Alkoholkonsum des Angeklagten aus eigener Wahrnehmung nichts sagen, sie erinnerte sich aber an die Rechnung, die sechs oder sieben Bier zu je 0,5 Liter enthalten hatte. In der ersten Verhandlung hatte der Angeklagte behauptet, zwei Bier zu je 0,4 Liter getrunken zu haben. 0,4-Liter-Gläser habe man in der Gaststätte aber nicht, sagte die Zeugin dazu.
Sie berichtete ferner von einem anonymen Anruf am Tag nach dem Vorfall, bei dem der Anrufer habe wisse wollen, ob die Polizei am Vorabend vor Ort gewesen sei. Der Anrufer sei der Angeklagte gewesen, sie habe ihn an der Stimme erkannt, da war sich die Zeugin sicher.
Wer hat mitgetrunken?
Ein weiterer Zeuge, der am Tattag in der Gaststätte bedient hatte, konnte sich zwar nun nicht mehr an die Zahl der konsumierten Biere erinnern, er war sich aber sicher, dass die auf der Rechnung angegeben Zahl richtig sei. Eines der Getränke habe der Angeklagte einem mit ihm am Stammtisch sitzenden Mann ausgegeben, so der Zeuge. Er sei sich hundertprozentig sicher, dass der Angeklagte sechs der Biere selbst getrunken habe, fuhr er fort.
Dessen Behauptung, er habe dem Stammtisch eine Runde Bier ausgegeben, wies er zurück. Am Stammtisch habe nur ein Biertrinker gesessen und dem habe der Angeklagte nur ein Bier spendiert. Dem Angeklagten fiel daraufhin ein, dass er, wie er sagte, am Nebentisch sitzenden Wanderern das Bier ausgegeben habe, was der Zeuge aber ausschließen konnte.
„Hier ist keine Märchenstunde“, hielt Richterin Susanne Lämmlin-Daun dem Angeklagten entgegen. Sie müsse sich im Gerichtssaal viel anhören, aber irgendwann sei Schluss. Ihre vorläufige Einschätzung: Die Zahl der Biere, die der Angeklagte nach den Zeugenaussagen getrunken habe, lasse auf Alkohol als Unfallursache schließen.
Das fordert die Staatsanwältin
Die Angaben des Angeklagten wertete die Vertreterin der Staatsanwaltschaft als reine Schutzbehauptungen. Sie hatte aufgrund der konsumierten Biermenge eine Blutalkoholkonzentration von mindestens zwei Promille errechnet. „Sie hätten wissen müssen, dass Sie sich mit dieser Alkoholisierung nicht ins Auto setzen durften“, sagte sie dem Angeklagten und beantragte eine Gesamtstrafe von 70 Tagessätzen zu je 100 Euro und einen Führerscheinentzug von zehn Monaten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs. Aufgrund seiner Alkoholisierung sei er nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug sicher zu führen. Zu Lasten der Angeklagten hatte sie unter anderem dessen „absolut fehlende Einsicht“ ins Feld geführt.
Verteidiger Wolf Riedl zog die Alkoholisierung seines Mandanten in Zweifel. Es sei nicht widerlegt, dass der geschilderte unsichere Gang auf einen Meniskusschaden seines Mandanten zurückzuführen sei. Aber das unerlaubte Entfernen vom Unfallort sah auch er als gegeben an und beantragte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100 Euro, im übrigen Freispruch.
So fällt das Urteil aus
Richterin Lämmlin-Daun verurteilte des Angeklagten nicht nur wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, sondern auch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Richterin erklärte dem Angeklagten, dass sie ihm am Beginn des ersten Verhandlungstages auf den vergleichsweise milden Strafbefehl – sechs Monate Führerscheinentzug und 30 Tagessätze à 60 Euro – hingewiesen und somit eine goldene Brücke gebaut habe, den Einspruch zurückzuziehen.
Nun verurteilte sie ihn zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 100 Euro, auf seinen Führerschein muss er acht Monate verzichten.