Hat er in seiner Jugend ein antisemitisches Flugblatt verteilt oder nicht? Mehr noch als die Antwort auf diese Frage irritiert seit einigen Tagen das Verhalten des erwachsenen Hubert Aiwangers, seines Zeichens stellvertretender Ministerpräsident von Bayern. Denn es hängt vieles in der Luft.

Aber was bedeutet das eigentlich für die Freien Wähler? Immerhin ist Aiwanger nicht nur Bundesvorsitzender der Freien Wähler Partei, sondern auch des Bundesverbands der Freien Wähler Vereinigungen. Wie sieht man daher die Vorwürfe gegen Aiwanger am Hochrhein? Könnte das am Ende zum Problem werden? Wir haben beim frisch gebackenen Kreisvorsitzenden der Freien Wähler, Harald Würtenberger, nachgefragt.

Kein einheitliches Stimmungsbild

Wie Würtenberger betont, gebe es kein einheitliches Stimmungsbild. Denn Wesen und Credo der Freien Wähler sei seit jeher: „Es gibt keinerlei Fraktionszwänge, wir sind in unseren Meinungen und Entscheidungen frei“, so Würtenberger. Das gelte natürlich auch für die Haltung in derart strittigen Fragen, zu denen er ausschließlich aus seiner eigenen Warte Stellung beziehen könne.

„Menschen nicht nur nach Verfehlungen in Jugendjahren beurteilen“

„Ich halte wenig davon einen Menschen danach zu beurteilen, was er im Alter von 16 Jahren eventuell gemacht haben könnte“, konstatiert Würtenberger. Damit wolle er keinesfalls ein antisemitisches Hasspamphlet entschuldigen: „Dies ist zutiefst verwerflich und abstoßend, ja ekelhaft.“ Allerdings habe die Justiz offenbar keinen Ansatzpunkt gefunden, um gegen Aiwanger vorzugehen.

Folglich könne er die anhaltende Aufregung über mögliche Verfehlungen, die dann aber auch Jahrzehnte zurück lägen, nicht recht nachvollziehen: „Wenn ich an meine Schulzeit in der 11. Klasse zurückdenke, war bestimmt auch nicht alles „hoffähig“, was wir angestellt haben“, so Würtenberger. Mit 16 Jahren sei die Persönlichkeit noch gar nicht fertig herausgebildet, viele seien auf der Suche nach dem eigenen Ich, nach Anerkennung, Zuneigung, Zugehörigkeit.

„Ich halte wenig davon einen Menschen danach zu beurteilen, was er im Alter von 16 Jahren eventuell gemacht haben ...
„Ich halte wenig davon einen Menschen danach zu beurteilen, was er im Alter von 16 Jahren eventuell gemacht haben könnte.“Harald Würtenberger, Kreisvorsitzender Freie Wähler | Bild: SK

Fast jeder habe das erlebt, „wenn man ehrlich zu sich selbst ist und sich zurückerinnert, dass man nicht als Erwachsener auf die Welt gekommen ist“, so Würtenberger.

Wichtig sei aber, die Lebensleistung eines Menschen nicht auf Jugendverfehlungen zu reduzieren, sondern das Ganze im Blick zu behalten, gerade auch seine Verdienste für die Allgemeinheit, sein soziales, ehrenamtliches oder privates Engagement für seine Mitmenschen.

Warum die Freien Wähler in Bayern gerade einen Aufschwung erleben

Trotz der Vorwürfe gegen ihren Landesvorsitzenden erleben die Freien Wähler kurz vor der Landtagswahl einen regelrechten Aufschwung in der Wählergunst, wie aktuelle Umfragen zeigen.

Für Harald Würtenberger ist das nicht besonders überraschend: „Die Menschen haben diese moralischen Vorverurteilungen und das mit dem Finger auf andere zeigen satt.“ Offenbar habe Aiwanger einen Nerv bei vielen Wählern getroffen, denn er stehe für eine „bodenständige, direkte Art und eine klar Sprache“. Damit könne er offenbar punkten. Ohnehin schätzten die Menschen die Freien Wähler als Vertreter in den Parlamenten, „in unserem Fall in den kommunalen“.

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Sind Konsequenzen für die Kommunalwahl zu erwarten

Eben deshalb rechnet der Kreisvorsitzende nicht damit, dass die Causa Aiwanger einen Einfluss auf die kommenden Kommunalwahlen im Frühjahr 2024 hat. Hier seien die örtlichen Freien Wähler selbst gefragt, die Wählergunst durch ihre „eindeutige und unmissverständliche Positionierung in zukunftsweisenden Entscheidungen“ zu gewinnen.

Keine Angst um Renommee der Freien Wähler

Alles in allem könne er sich nicht vorstellen, dass die Vorgänge in Bayern das Renommee der Freien Wähler im Kreis Waldshut belasten werde. Denn die Freien Wähler Vereinigungen stünden für „dienende kommunale Sachpolitik“, bei der in klarer Sprache argumentiert und Unrecht angesprochen werde.

Das sei eine Strategie, die für alle Seiten gewinnbringend sei, und daran wolle die Wählervereinigung folglich festhalten, betont ihr neuer Kreisvorsitzender.