Herrliche Wanderwege, romantische Schluchten, heimelige Städte, eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch für Tourismuswerbung. Aber wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten. Der SÜDKURIER wirft einen Blick auf die Drogenproblematik im Landkreis Waldshut. Wie stellt sich die Situation aus Sicht von Polizei und Zoll dar?
Beobachtungen in Stühlingen
„Die Leute haben keine Angst und keine Skrupel mehr, sie dealen mit dem Dreckszeug am helllichten Tag auf der Straße“, macht Reinhard Schmitt aus Stühlingen seinem Ärger Luft. Die Stadt im Wutachtal sei laut Schmitt zu einem „Hotspot“ der Drogenszene im Landkreis geworden. Hinter Geschäftshäusern, im Kirchgarten, unter Brücken, auf dem Schulgelände und an anderen Ecken werde mehr oder weniger offen Drogen gehandelt und konsumiert. Die Pandemie habe nach seiner Beobachtung die Problematik noch verstärkt. An der Grenze zur Schweiz würden zudem immer wieder verdächtige Fahrzeuge beobachtet werden, erzählt der Versicherungskaufmann weiter. „Eltern machen sich Sorgen, welchen Umgang ihre Kinder haben“, sagt Schmitt. Seiner Meinung nach tue die Polizei zu wenig gegen diese Sucht-Problematik.
Was sagt die Polizei zu den Vorwürfen?
„Der Polizei liegen keinerlei Erkenntnisse über eine offene Drogenszene in Stühlingen vor“, erklärt Polizeisprecher Mathias Albicker. Beschwerden wurden in den Sommermonaten vom Gelände des Schulzentrums in Stühlingen bekannt, wo junge Leute in den Abendstunden verweilen und lärmen würden. Streifen hätten Verstöße gegen das dortige Aufenthaltsverbot geahndet und den Personen einen Platzverweis erteilt. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz seien allerdings nicht festgestellt, erklärt Albicker gegenüber dem SÜDKURIER.
Doch wie sieht es in den Kommunen aus?
Seit fünf Jahren verzeichnet die Kriminalstatistik die meisten Fallzahlen in den beiden größten Städten im Landkreis: in Waldshut-Tiengen und Bad Säckingen. Von 2015 bis ins vergangene Jahr entwickelten sich die Zahlen in Waldshut-Tiengen von 255 bis 257 Fällen. Der stärkste Anstieg war in der Großen Kreisstadt vor zwei Jahren mit 287 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu verzeichnen.
Drogenschmuggel an der Grenze
In Bad Säckingen wurde 2017 mit 141 Delikten die höchste Fallzahl registriert, im vergangenen Jahr waren es 126 Fälle. Klettgau wies im vergangen Jahr 34 Delikte aus, in Laufenburg waren es 31, in Wehr 29, in Lottstetten 26 und in Jestetten 15 Delikte. In Stühlingen gab es laut Statistik 21 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Wie aussagekräftig sind diese Zahlen?
Die Kriminalstatistik (PKS) wird von Polizei, Zoll und Bundespolizei bearbeitetet. Sie verzeichnet im Landkreis Waldshut insgesamt rückläufige Fallzahlen, heißt es aus dem Polizeirevier Waldshut-Tiengen. Wurden vor fünf Jahren noch 776 Fälle nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtM-G) registriert, waren es im vergangenen Jahr 687 Fälle. 2019 wurden 565 allgemeine BtM-G-Verstöße, 80 Handels- und Schmuggeldelikte, fünf Fälle der illegalen Einfuhr nicht geringer Mengen und 34 sonstige Verstöße verzeichnet. Straftaten einschließlich der Versuche werden nach bundeseinheitlichen Richtlinien erfasst. Dies sei allerdings kein reales Abbild der tatsächlichen Kriminalitätslage, sondern stelle eine stark angenäherte Situation dar, erklärt Mathias Albicker. Aussagen über das Dunkelfeld können natürlich nicht gemacht werden, betont er.
Wie wird die Drogenkriminalität bekämpft?
Die Aufhellung der Rauschgiftkriminalität unterliege maßgeblich den Aktivitäten der Sicherheitsbehörden. Das heißt: Wo nach Drogen gezielt gesucht wird, werden auch welche gefunden. Man spreche von sogenannter Kontroll- oder „Holkriminalität“ (im Sinne von „holen“, durch eigeninitiatives Handeln der Polizei). „Wir haben unsere Aktivitäten in diesem Bereich weiter intensiviert, so dass wir im Jahr 2020 mit steigenden Fallzahlen rechnen“, berichtet der Polizeisprecher. Die Größe des Landkreises habe bei einer sofortigen Intervention große Bedeutung, spiele aber bei der Ermittlungsarbeit keine nennenswerte Rolle.
Welche Rolle spielt Rauschgift im Straßenverkehr?
Vor zehn Jahren wurden im Landkreis Waldshut 113 Fahrten unter Drogeneinfluss nachgewiesen. Dagegen standen 301 Fahrten unter Alkoholeinfluss. Im vergangenen Jahr wurden 115 Drogenfahrten angezeigt (113 Mal Ordnungswidrigkeit, zwei Mal Straßenverkehrsgefährdung). Im Vergleich dazu wurden 263 Alkoholfahrten festgestellt. „Die Verstöße verliefen in den vergangenen Jahren etwa auf demselben, konstanten Niveau. Vor 2010 investierte die Polizei viel Aufwand in Fortbildung und Ausrüstung, als es um die Erkennung von Drogenfahrten ging“, erzählt Albicker.