Erstmals wieder seit fast 70 Jahren gab es auf der Wutachtalbahn durchgehenden Güterzugverkehr. Seit Ende August befuhren mehrere Transporte der Murger Spedition Bäumle die komplette fast 62 Kilometer lange Schienenstreckstrecke zwischen Lauchringen und Hintschingen. Mit Ausnahme eines mit Holz beladenen Probezugs 2020 war es der erste Gütertransport auf der Sauschwänzlebahn seit 1955. Anlass dafür war die dreiwöchige Sperrung der Rheintalstrecke.
Die Wutachtalbahn könnte Blaupause für andere Projekte sein
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg begrüßte die Gütertransporte als Meilenstein für den regionalen Schienenverkehr. „Güterverkehr auf der Schiene funktioniert – wenn die Politik es zulässt“, zitiert die IHK ihren Vizepräsidenten Steffen Würth in einer Pressemitteilung. Die Wutachtalbahn könne als Blaupause für weitere Projekte dienen.

Zuletzt 1955 hatte es auf der 1890 aus militärstrategischen Gründen eröffneten Strecke durchgehenden Güterverkehr gegeben, berichtet das auf Bahnthemen spezialisierte Online-Portal lok-report.de. Der kurven- und tunnelreiche Mittelabschnitt Weizen-Zollhaus – im Volksmund Sauschwänzlebahn genannt – wurde seit 1977 ausschließlich für den Betrieb der Museumsbahn genutzt. Im Nordabschnitt Hintschingen-Zollhaus gab es noch bis 1995 und im Südabschnitt Lauchringen-Weizen bis 2001 Gütertransporte auf der Schiene.
Seit 2004 gibt es auf der Wutachtalbahn wieder Personenverkehr
Schon seit mehr als 20 Jahren gibt es Bemühungen zur Reaktivierung der kompletten fast 62 Kilometer langen Strecke. 2004 wurde auf dem Nordabschnitt wieder regulärer Personenbetrieb aufgenommen, 2024 auch auf dem Südabschnitt bis Stühlingen, auf dem es bereits ab 2003 Zubringerfahrten für die Museumsbahn und ab 2017 Schülerverkehr gegeben hatte.

Die Initiative, die komplette Wutachtal für Güterverkehr zu nutzen, ging aus von Christian Brinkmann, Geschäftsführer und Eisenbahnbetriebsleiter der Bahnbetriebe Blumberg, die für die Schieneninfrastruktur auf der Wutachtalbahn zuständig sind. Brinkmann machte Anfang Januar dem baden-württembergischen Verkehrsministerium den Vorschlag, auch den Mittelabschnitt Weizen-Zollhaus für Güterverkehr zu öffnen.
Die große Frage: Halten die Brücken das Gewicht der Güterzüge aus?
Die Sicherheit spielte bei der Entscheidung über eine Reaktivierung die zentrale Rolle. „Wir haben uns gefragt, ob die Brücken das zusätzliche Gewicht der Güterzüge aushalten können“, berichtete Brinkmann. Nach eingehenden Untersuchungen und Gutachten eines Brückenexperten der Deutschen Bahn gab es grünes Licht. Allerdings wurden strikte Auflagen erteilt: „Ganz schwere Container dürfen nicht über die Brücken fahren“, stellte Brinkmann klar.

Trotzdem könnten zusätzliche Belastungen auf Dauer Auswirkungen haben. „Mit jeder Tonne, die mehr über die Brücken fährt, sinkt deren Lebensdauer – zumindest theoretisch“, erklärt Brinkmann. Daher werde der Güterverkehr auf ein bis zwei Züge pro Woche beschränkt.
Eine Murger Spedition setzt auf Schiene statt Straße, um CO2 einzusparen
Einziger Nutzer der Strecke ist bisher die Murger Spedition Bäumle. Sie wickelt für das am Hochrhein ansässige Recyclingunternehmen Vogt Plastic Transporte zwischen dessen Werken im brandenburgischen Premnitz und Rheinfelden beziehungsweise Hottingen ab. Auch um CO2 einzusparen, nutzt Bäumle seit Anfang des in Zusammenarbeit mit dem rheinland-pfälzischen Bahnunternehmen Stock-Transport dafür die Schiene. Wöchentlich pendelt eine mit elf Waggons behängte Lokomotive auf der 800 Kilometer langen Strecke zwischen Nord- und Süddeutschland.
Mit der Sperrung der Oberrheinbahn aufgrund von Bauarbeiten bei Rastatt war die übliche Route nicht mehr verfügbar.

„Das hat gezeigt, wie enorm wichtig es ist, im Bahnverkehr über Alternativstrecken zu verfügen, wenn Hauptstrecken nicht mehr genutzt werden können“, sagt Martin Bäumle, einer der beiden Geschäftsführer der Spedition. Für die Fahrt auf der Wutachtalbahn habe die Transportmenge reduziert werden müssen. Auf einem auf Youtube veröffentlichten Video einer Fahrt sind 16 Container sowie drei Tanksilos zu erkennen, die von einer schweren Diesellok gezogen werden.
Die Befahrung der Wutachtalbahn mit Güterzügen sei auch ein wichtiges Signal an die Schweiz, zitiert die IHK in ihrer Pressemitteilung Marius Neininger, Vorsitzender des IHK-Ausschusses für Verkehr und Infrastruktur. „Die Schweiz kann darauf vertrauen, dass wir als Nachbarland die Entschlossenheit mitbringen, um den Schienengüterverkehr weiter voranzutreiben, auch grenzüberschreitend.“
Die Transporte sollen keine Eintagsfliege bleiben
Wichtig ist der IHK, dass die jetzigen Transporte keine Eintagsfliege sind. Das Ziel müsse ein ganzjähriger Güterverkehr auf der Wutachtalbahn sein. So bekämen Unternehmen Anreize, ihre Güter stärker Richtung Schiene zu verlagern, erklärt der Verband.