Die Sorgen um die kleinen Höfe im Schwarzwald ist nicht neu. Immer weniger Landwirte verspüren Lust, die Tradition der Nebenerwerbsbetriebe fortzuführen, weil die Probleme an mehreren Fronten zunehmen und die Freuden an einem landwirtschaftlichen Hobby sinken. Der neueste Aspekt ist die mangelhafte tierärztliche Versorgung bei den Nutztieren.
Medizinische Versorgung von Großtieren ausgedünnt
Hufschmiedin Manuela Kiefer aus Blauen weiß von einem Notfall in ihrer Nachbarschaft zu berichten: Bei der Geburt eines Kalbes erlitt die Mutterkuh einen Gebärmuttervorfall. Aus medizinischer Sicht ein klarer Notfall, der häufig zum Tod des Tieres und damit zu einem erheblichen Verlust für den Besitzer führen kann.
Nach Angaben von Manuela Kiefer erschien nach vier Stunden ein alarmierter Tierarzt, um das bedrohte Tier zu behandeln. Die medizinische Versorgung von Großtieren im Kleinen und Großen Wiesental sei absolut ausgedünnt, bedauert die Hufschmiedin.
Schafe, Ziegen und Rinder hätten klar das Nachsehen
Tierarzt Willi Dörflinger aus Eichen habe sich mit seiner Praxis weitgehend aus der Nutztier-Behandlung zurückgezogen. Dörflinger bestätigt, dass er nur noch in geringstem Maße in der Großtierpraxis tätig ist. Eine Mitarbeiterin Dörflingers arbeite nun in der Pferde-Klinik in Wehr, berichtet die Insiderin aus Blauen und räumt ein, dass es bei der Versorgung von Pferd und Esel noch ganz gut aussehe.
Aber Schafe, Ziegen und Rinder hätten klar das Nachsehen beziehungsweise deren Halter. Es gebe nur noch zwei Veterinäre, die für die Nutztiere von Lörrach bis Todtnauberg zuständig seien: Kathrin Jost aus Binzen und Jakob Heinrich aus Kandern. Beiden macht Kiefer ein dickes Kompliment. Die Tiermediziner seien gefühlt 24 Stunden an sieben Tagen die Woche im Einsatz, mit Herzblut bei der Sache, aber könnten den riesigen Beritt dennoch nicht bewältigen. „Die machen sich kaputt, ich bewundere sie“, sagt Kiefer anerkennend über die beiden Veterinäre für Großtiere. Es müsse dringend etwas geschehen, findet die Tier-Expertin.
Einsätze meist nicht lukrativ
Dagmar Engel aus Hausen, die eine mobile Kleintierpraxis betreibt, bestätigt das Dilemma und versucht, die Ursachen der mangelhaften tierärztlichen Versorgung zu erklären. Die extrem ausgedünnte Abdeckung insbesondere beim Nutzvieh hänge natürlich auch mit dem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis zusammen.
Wenn sie zu einem Nebenerwerbslandwirt zum Beispiel in Todtnauberg zweimal im Jahr fahren müsse zu einer Geburt, vorzugsweise nachts oder am Wochenende und dabei alleine eine Stunde Fahrzeit anfiel, dann rechnet sich die Sache nicht. „Ich kann von so einem Landwirt nicht 300, 400 Euro nehmen“, rechnet Engel vor, „das können die nicht bezahlen.“ Gleichzeitig bliebe die Arbeit in der Kleintierpraxis durch so einen Einsatz auf dem Bauernhof liegen. Und damit wird die Angelegenheit für den Tierarzt schnell unlukrativ. Das Nachsehen hätten vor allem die kleinen Höfe, die ungünstigerweise auch noch in einem Riesen-Umkreis verstreut liegen.
Immer häufiger hört die erfahrene Tiermedizinerin, dass Nebenerwerbsbauern langsam die Lust an der Tierhaltung verlieren. Da sei die drohende Wolfsproblematik, die sich langsam am Horizont abzeichne mit dem laut Engel „völlig inakzeptablen Wolfszaun“, da sei unter anderem auch die zunehmende Bürokratie und nun auch noch die bröckelnde tierärztliche Versorgung. „Für die Leute wird es extrem schwierig“, glaubt die Tierärztin. All diese Punkte führten dazu, dass Nebenerwerbsbetriebe sich zweimal überlegen, ob sie eine Investition tätigen. Engel skizziert ein düsteres Bild: Sie glaubt, dass der Schwarzwald vor einem dramatischen Umbruch steht und die Nebenerwerbslandwirtschaft möglicherweise schon in fünf Jahren beendet sein könnte. Die offene Kulturlandschaft im Biosphärengebiet Südschwarzwald sei dann ernsthaft in Gefahr.
Für den Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) nimmt Geschäftsführerin Verginiya Kaerger Stellung: „Leider beschreiben Sie die Situation durchaus zutreffend. Was fehlt, ist die Strukturanalyse.“ In Südbaden gebe es „relativ wenig Nutztierhaltung“. Kaerger weiter: „Die Zahl recht großer Nutztierbestände ist niedrig, das Einkommenspotential ist für neue Großtierpraxen, in Relation zum Aufwand, eher gering.“ Kaerger abschließend: „Unsere Region ist für neue Tierärzte daher eher unattraktiv. Eine Abwärtsspirale, die sich schon länger dreht.“
Wie sieht es im Kreis Waldshut aus?
Auch im Landkreis Waldshut gibt es einen Mangel. Die tierärztliche Versorgung von Nutz- und Großtieren ruht im Landkreis auf immer weniger Schultern. Conny Fels betreibt die Nutztierpraxis Ühlingen, eine von zwei Anbietern.
Aktuell betreut sie gemeinsam mit ihrem Assistenten Osama Bsheir rund 400 Betriebe mit mehr als 10.000 Tieren in der Region. Als sie vor etwas mehr als zehn Jahren in der Praxis von Thomas Wasmer anfing, gab es noch zehn Nutztierärzte im Umland. „Wir haben seitdem sechs Praxisgebiete übernehmen müssen“, berichtete Conny Fels kürzlich im Gespräch.