Die Negativrekorde der katholischen Kirche setzen sich vermutlich auch im Landkreis Waldshut fort. 1261 Katholiken und 384 Evangelen sind 2022 in 25 Waldshuter Gemeinden aus der Kirche ausgetreten. Im Vorjahr traten im gesamten Landkreis 1341 Menschen aus der katholischen Kirche aus.

Die Zahl ist 2022 ziemlich wahrscheinlich überschritten worden, da es 647 weitere Austritte in den übrigen Gemeinden gab, über deren Kirchenzugehörigkeit der SÜDKURIER keine Auskunft erhielt.

77 Prozent katholische Kirchenaustritte

2332 Menschen kehrten 2022 ihrer Glaubensgemeinschaft im Landkreis Waldshut den Rücken, 513 mehr als noch im Vorjahr. 1645 der Austritte gehören zu den Gemeinden, zu denen genauere Auskunft erhoben werden konnte.

Deutlich mehr Menschen sind davon aus der katholischen Kirche ausgetreten; das zeigt die Verteilung von gerundet 77 Prozent katholischen Kirchenaustritten zu 23 Prozent evangelischen.

Dekan Peter Berg.
Dekan Peter Berg. | Bild: Michael Gottstein

Das ist jedoch keine große Veränderung zum Vorjahr, mit einer Verteilung von gerundet 76 zu 24 Prozent. „Das ist eine bedauerliche Situation!“, sagt der Dekan und Münsterpfarrer Peter Berg.

Die meisten katholischen Austritte sind in Bad Säckingen

1261 Katholiken traten 2022 in den 25 Gemeinden aus ihrer Kirche aus. Am meisten betroffen waren die Gemeinden Bad Säckingen (162), Klettgau (114), Albbruck und Lauchringen (jeweils 88). Gemeinden ohne Austritte gab es weder 2021 noch 2022. „Viele Menschen sind durch die Missbrauchsfälle verunsichert und haben ein anderes Bild von der Kirche“, so Peter Berg. Die wenigsten Austritte aus katholischen Glaubensgemeinden gab es in Ibach (4) und Wutach (11) und in Dogern, Herrischried, Wutach und St. Blasien waren es weniger als im Vorjahr. Neben der Verunsicherung und der Kirchensteuer seien die Austritte auch ein Trend unserer Zeit nach Bergs Eindruck: „Ähnlich wie bei Vereinen wollen die Leute weniger gebunden sein“.

In 21 der 25 Gemeinden stieg die Anzahl der Austritte: am deutlichsten in Bernau von 6 auf 21 und in Grafenhausen von 13 auf 29. Ironischerweise stiegen die Austritte in Ibach prozentual am stärksten an, was angesichts eines Austrittes in 2021 aber weniger eindrücklich ist. Mit den Austritten gehen Glaubensverluste für Dekan Berg nicht zwingend einher: „Die Beziehung zu den Glaubensgemeinschaften ist etwas verloren gegangen und weniger der Glaube“, so Berg. „Ausgetretene Leute kommen für Ehen, Taufen und Gesprächen auf uns zu und werden angehört.“ Außerdem sei sein Eindruck, dass Taufen und Firmungen Beteiligungen dafür weniger auf sozialen Druck geschehen.

Kein Frust, aber Personal und Finanzierung wird schwieriger

Der Dekan sei angesichts der Zahlen nicht wirklich gefrustet: „Es brauchte Aufarbeitung und Veränderung in unserer Kirche.“ Damit gehe leider einher, dass weniger pastorales Personal vorhanden sei, aber die Arbeit auf den Kommunen würde sehr geschätzt. „Es fehlen Leute und die Finanzierung. Wir dürfen die Ehrenämtler dafür aber nicht überlasten“, so Berg.

„Vielen ist nicht bewusst, dass die Kirchensteuer neben diesen Stellen auch Einrichtungen, wie Kindergärten trägt“. Verständnis habe er trotzdem für die Beweggründe der Leute. „Ich bin aber hoffnungsvoll, dass es auch für die verbindliche Kirche einen Weg in die Zukunft gibt.“, sagt Dekan Berg.

Jeder vierte Austritt im Landkreis aus einer evangelischen Gemeinde

Auf evangelischer Seite gibt es mit 384 deutlich weniger Kirchenaustritte. Damit ist lediglich jeder vierte Austritt aus einer evangelischen Glaubensgemeinde. „Auch am Hochrhein schaffen wir es nicht uns den allgemeinen Trend zu entziehen“, sagt die evangelische Dekanin des Kirchenberzirks Hochrhein Christiane Vogel.

Tatsächlich ist dabei in 6 Gemeinden die Austrittsanzahl gesunken und in Wutach und Ibach sogar wie im Vorjahr bei 0 geblieben. Die meisten Austritte gab es wiederum in Bad Säckingen(63), Lachringen(35) und Albbruck(34). „Es schmerzt uns jeder Einzelne, der geht!“, so die Dekanin.

Dekanin und Vorsitzende des Bezirkskirchenrats Christiane Vogel.
Dekanin und Vorsitzende des Bezirkskirchenrats Christiane Vogel. | Bild: Karl-Wilhelm Frommeyer

Die Pfarrerin der evangelischen Gemeinde Albbruck-Görwihl Heidrun Moser ist über mögliche Gründe ratlos: „Einerseits möchten junge Menschen die Kirchensteuer nicht zahlen weil sie Angebote der Kirchen nicht in Anspruch nehmen, andererseits hatten wir 18 Taufen von jungen Familien in diesem Jahr“. In Albbruck stiegen die evangelischen Kirchenaustritte um 24, in Görwihl lediglich von 7 auf 10. Deutlich spürbar sei das in Mosers Kirchen aber noch nicht. „Es ist nun mal so, dass die aktiveren Mitglieder meist älter sind“, sagt sie.

Hoffnung trotz Personalabbaus bei evangelischen Gemeinden

Die Dekanin, wie auch die Pfarrerin sind besorgt, ob angesichts der Austritte genug Personal auf kleinen Gemeinden vorhanden sein wird. „Die evangelische Kirche muss momentan Fachstellen abbauen und mehr Kooperationsgemeinschaften bilden“, sagt die Dekanin. Zu den Austritten seien aber auch der demografische Wandel und die katholische Region Ursachen für diesen Prozess. „Ich habe dennoch Hoffnung, dass genügend Menschen bei uns bleiben und unsere Arbeit schätzen. Wir bekommen ein positives Echo.“, so Dekanin Vogel.

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